Deutschland feiert sich und seine Einheit. Beim zentralen Festakt würdigte Kanzlerin Merkel die Demonstranten in der DDR. Für das große Bürgerfest werden das Brandenburger Tor und der Kölner Dom nachgebaut – mitten in Hannover.
Hannover. Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall der Mauer freut sich Deutschland über seine Einheit in Vielfalt. Beim zentralen Festakt in Hannover rief Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag zugleich dazu auf, noch bestehende Probleme beherzt anzugehen. Sie würdigte den Einsatz der Demonstranten in der DDR: „Ohne den Mut dieser Bürger, ohne den von ihnen erzeugten Reformdruck wäre es nicht zum Mauerfall gekommen.“
Die Wiedervereinigung sei ein historisches Meisterstück gewesen. Zeitgleich zum Einheits-Festakt strömten Zehntausende Menschen zum großen Bürgerfest in die Innenstadt von Hannover. Bei strahlendem Spätsommerwetter präsentierten dort die 16 Bundesländer das Beste aus ihren Regionen, Kultur- und Musikprogramme sowie kulinarische Spezialitäten. Auf der 1,5 Kilometer langen Partymeile herrschte dichtes Gedränge. Mit mehreren Konzerten sollte das Bürgerfest spät am Abend zu Ende gegen. Die Polizei sprach von einer friedlichen Feier, die bis zum Nachmittag ohne größere Zwischenfälle verlaufen sei.
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Bei einer Kundgebung am Rande demonstrierten mehrere hundert Menschen gegen Armut, Ausgrenzung und Antisemitismus. Begonnen hatten die Feierlichkeiten am Morgen mit einem ökumenischen Gottesdienst, an dem auch Vertreter von Judentum und Islam teilnahmen. Sie beteten gemeinsam für den Frieden in der Welt. Nach dem Gottesdienst schüttelten Kanzlerin Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck gut gelaunt die Hände unzähligerBürger. Am zentralen Festakt in Hannover nahmen auch Bundestagspräsident Norbert Lammert, Ex-Bundespräsident Christian Wulff, Altkanzler Gerhard Schröder sowie die Ministerpräsidenten anderer Bundesländer teil.
Gefeiert wurde unter dem Motto „Vereint in Vielfalt“. Für Gänsehaut-Feeling und feuchte Augen im Publikum sorgte Klaus Meine, Sänger der Rockband „Scorpions“, der zusammen mit einem Mädchenchor seine Wende-Hymne „Wind of Change“ sang. Merkel schlug in ihrer Rede einen großen Bogen von den Werten, die zur Einheit Deutschlands führten, bis zu den Problemen und Herausforderungen des Jahres 2014. „Heute können wir feststellen, wie unendlich viel seit 1990 geleistet wurde.
Immer weniger Unterschiede zwischen Ost und West
Städte, die grau und kaputt waren, wurden bunt und entwickelten wieder ihr eigenes, neues Lebensgefühl“, sagte die Kanzlerin. Zwar sei die Arbeitslosigkeit im Osten noch höher als im Westen, 2013 seien aber erstmals mehr Bürger von West- nach Ostdeutschland gezogen als umgekehrt. Der allergrößte Teil der jungen Menschen finde inzwischen, dass die Wiedervereinigung ihnen persönlich Vorteile gebracht habe. Deutschland habe beim Zusammenwachsen beider Staaten wirklich vieles richtig gemacht, betonte Merkel. Die Unterschiede zwischen Ost und West verlören immer mehr an Bedeutung.
„Und deshalb muss es uns auch für die Zeit nach dem Ende des Solidarpakts ab 2020 gelingen, die Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu zu ordnen, und zwar so, dass wir für die ostdeutschen Länder finanzielle Brüche vermeiden und gleichzeitig ein System entwickeln, von dem alle strukturschwachen Regionen in Deutschland profitieren können.“
Die Kanzlerin riss in ihrer Rede nahezu alle größeren aktuellen Themen an. Bei der Bewältigung der unzähligen nationalen und internationalen Probleme müsse Deutschland sich auf seine Werte und Überzeugungen besinnen, die schon den Fall der Mauer ermöglicht hätten. Merkel zählte unter anderem die Arbeitslosigkeit, die Probleme bei der Bundeswehr, die wachsende Zahl der Flüchtlinge und die Bedrohung durch islamistischen Terror und Krankheiten wie Ebola auf. Die Kanzlerin betonte aber zum Abschluss des Festaktes: „Das Jahr 2014, das so ganz anders verläuft, als wir uns vor einem Jahr vorstellen konnten, muss uns nicht mutlos werden lassen.“ Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) mahnte die zügige Errichtung eines Einheitsdenkmals an. Heute habe man Mühe zu erkennen, wo die Mauer stand. „Da würde ein Denkmal unserer Erinnerungskultur schon gut tun“, sagte er der „Welt am Sonntag“ (Feiertagsausgabe).