Als vor 25 Jahren die Mauer fiel, gingen die Bilder von jubelnden Menschen um die ganze Welt. Doch wie spiegelten sich Wende und der Weg zur Einheit in Hamburg wider? Ein Rückblick.
9. November 1989 Trotz vorübergehendem Zuzugsstopp melden sich in Hamburg 300 Umsiedler innerhalb der vergangenen zwei Tage. Sozialsenator Ortwin Runde (SPD) verhandelt mit der Bundeswehr, Kasernen mit 1000 Plätzen für DDR-Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Weitere 1000 Plätze sollen bis Ende des Jahres in einem umgebauten Bürohaus bezugsfertig sein.
10. November 1989 In der Nacht öffnet Ost-Berlin die Grenze. Hamburg erschüttert obendrein ein Schiffsunglück: Die Englandfähre „Hamburg“ kollidiert auf dem Weg nach Harwich mit dem Frachter „Nordic Stream“. Drei Menschen sterben.
11. November 1989 In Hamburgs Kaufhäusern können die DDR-Bürger mit Ost-Mark einkaufen. Das Alsterhaus rechnet neun DDR-Mark gegen eine West-Mark. Banken zahlen rund elf D-Mark für hundert DDR-Mark. Zusätzlich dürfen Besucher am Tag ihrer Ankunft und am Tag darauf das Nahverkehrsnetz kostenlos nutzen.
„Herzlich Willkommen“ – so begrüßt das Hamburger Abendblatt an diesem Wochenende gemeinsam mit dem Senat die Besucher aus der DDR mit einer Sonderausgabe. In ihr informiert sie die Besucher über alles, was beim ersten Aufenthalt im Westen wichtig ist. Die Sonderausgabe ist dem Hamburger Abendblatt beigelegt und wird kostenlos auf den Straßen an DDR-Bürger verteilt.
13. November 1989 Als vor dem Alsterpavillon ein Abschleppwagen anrückt, um einen Wagen aus der DDR abzuschleppen, protestieren Hunderte von Menschen. Hamburgs Ordnungshüter geben auf, der Wagen aus der DDR bleibt stehen – im Parkverbot vor dem „Hamburger Hof“.
15. November 1989 Der Senat fällt einen bislang einzigartigen Beschluss: Das Gesetz über den Ladenschluss wird für das kommende Wochenende außer Kraft gesetzt. Ladeninhabern bleibt es selbst überlassen, ob sie für die Besucher aus der DDR ihre Türen öffnen.
27. November 1989 Die ersten Sonderzüge fahren mit 920 Besucher von Dresden nach Hamburg.
2. Dezember 1989 Der Begegnung zwischen Hamburgern und Bürgern der DDR stehen zwei neue Wege offen: Eine Fluglinie nach Dresden und eine Buslinie nach Schwerin.
17. Dezember 1989 Sonderzüge fahren am 16. und 17. Dezember von Hamburg nach Dresden. 5000 Dresdner bereiten den 800 Gästen einen überwältigenden Empfang.
1. Januar 1990 Erstmals nimmt neben dem Bürgermeister auch der Ratsvorsitzende einer Partnerstadt das Defilee der Bürger beim Neujahrsempfang ab.
4. Januar 1990 Als erstes Bundesland entsendet Hamburg eine Wirtschaftsdelegation in die DDR – in Hamburgs Partnerstadt Dresden.
15. Februar 1990 In einer Rede hält Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau ein Plädoyer für einen Nordstaat als neues deutsches Bundesland, in dem Hamburg die Hauptstadt wird.
23. Februar 1990 Beim Matthiae-Mahl im Rathaus sitzen zum ersten Mal seit 1356 statt Repräsentanten „fremder Mächte“ Vertreter ost- und westdeutscher Regierungen an der Ehrentafel. DDR-Ministerpräsident Hans Modrow vergleicht in seiner Rede vor 380 Gästen das Zusammenwachsen von Ost und West mit einer Hochzeit.
18. März 1990 Das Hamburger Abendblatt veranstaltet die Dresdener Wahlparty und lädt zu einem spannenden Abend ins Hotel Bellevue. 300 Dresdner verfolgen die Hochrechnungen der ersten freien und geheimen Wahlen nach dem Mauerfall.
1. Mai 1990 24 Tonnen westdeutsche Schulbücher treffen in Dresden ein. Die 40.000 Geschichtsbücher im Wert von einer Millionen D-Mark spendet der Hamburger Mäzen Kurt Körber. Gemeinsam mit Alt-Kanzler Willy Brandt (SPD) verteilt er den ganzen Tag über die Bücher an Dresdner Schüler.
6. Juni 1990 Die 39 Jahre alte Hamburgerin Susanne Albrecht wird verhaftet. Jahrelang zählte sie zu den meistgesuchten RAF-Terroristen. Seit 1980 hat sie unter dem falschen Namen Ingrid Jäger in Ostberlin als DDR-Bürgerin gelebt. Sie gesteht, an der Ermordung des Bankiers Jürgen Ponto beteiligt gewesen zu sein.
11. Juni 1990 Hamburgs Wirtschaftssenator Claus Noé (SPD) verlangt, dass der Senat die Zonenrandförderung abschafft. Stattdessen sollten die Steuerzahler für den Wiederaufbau der DDR zahlen.
24. Juni 1990 Als einer von sieben Hamburger Bundestagsabgeordneten hat Freimut Duve (SPD) als Einziger gegen den deutsch-deutschen Staatsvertrag gestimmt. Dieser vernachlässige die Kultur, sagt Duve.
1. Juli 1990 Für den Tag der deutschen Währungseinheit arbeiteten die Münzpräger der Hamburger Münze auf Hochtouren. Prägten die Rahlstedter bisher jährlich rund 400 Millionen Geldstücke, sind es nach dem Mauerfall 750 Millionen Münzen.
5. August 1990 Hamburgs Zweiter Bürgermeister Ingo von Münch spricht sich für einen Zusammenschluss mit der DDR aus und fordert, dass in der DDR ebenfalls die bundesdeutschen Gesetze gelten.
5. September 1990 Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Gerd Löffler wird wegen Stasi-Tätigkeit verhaftet.
3. Oktober 1990 Auch in Hamburg feiern die Menschen die deutsche Einheit auf den Straßen. In der Nacht zum 3. Oktober strömen mehr als 200.000 Hamburger in die City, feuern Raketen in den Himmel und wedeln mit deutschen Fahnen vor dem Rathaus. Viele von ihnen haben Tränen in den Augen als sie um Mitternacht fremde Menschen umarmen.