Treueschwüre nach Durchsuchung im Kieler Bildungsministerium. Eine Entlassung der Ministerin kommt für Albig nicht infrage. Der Küstenkoalition stehen dennoch harte Wochen bevor.
Kiel. Man kennt diese Phasen aus dem Fußball. Alle halten zum Trainer, auch wenn er von Niederlage zu Niederlage eilt. Torsten Albig (SPD), der schleswig-holsteinische Ministerpräsident, schwor am Dienstag seine Koalition auf Waltraud Wende ein, auf die parteilose Bildungsministerin. Auf dem Feld der Politik eilt sie seit Monaten von Niederlage zu Niederlage. Und muss sich nun auch noch eines schwerwiegenden Verdachts erwehren – des Verdachts, bestochen zu haben, bestechlich gewesen zu sein und betrogen zu haben.
Die Staatsanwaltschaft Kiel ermittelt gegen sie. Am Montag fuhr sie schweres Geschütz auf. Bildungsministerium und die Staatskanzlei wurden durchsucht, Handys von Mitarbeitern mitgenommen. Der Dienst-Laptop von Stefan Studt, Chef der Staatskanzlei, wurde sichergestellt, um die Festplatte zu kopieren. In Berlin brachen die Ermittler gar eine Wohnung von Wende auf, um nach Akten zu suchen.
Das robuste Vorgehen der Polizei ausgerechnet am ersten Tag des neuen Schuljahrs, der auch das Ende der parlamentarischen Sommerpause markiert, hat in der Koalition für Unruhe gesorgt. Lässt sich mit einer Ministerin, die sich solchen Vorwürfen ausgesetzt sieht, noch Bildungspolitik machen? Manch Abgeordneter bezweifelt das. Torsten Albig unterbrach am Dienstag seine Sommertour, um die Koalitionäre zu beruhigen. Ausführlich analysierte er mit den Fraktionen von SPD, Grünen und SSW die Lage. Albig glaubt, dass sich Opposition und Teile der Presse auf die Ministerin eingeschossen haben. Die Quereinsteigerin Wende, ehemals Universitätspräsidentin, ist in dieser Lesart das schwächste Glied in der Kette und wird deshalb zum Angriffspunkt, um die Bildungspolitik der Regierung zu diskreditieren.
Albig empört das. Eine Entlassung der Ministerin kommt für ihn nicht infrage. Er hat dafür ein klares Kriteriensystem. Wer die Unwahrheit sagt, illoyal ist oder sich etwas hat zuschulden kommen lassen, der muss gehen. Im Fall Wende, so meint er, ist keiner dieser Punkte erfüllt. Dass die nächsten Monate schwer werden, ist ihm dennoch klar. Monatelang wird die Staatsanwaltschaft ermitteln. Besonders bei den Grünen ist die Skepsis groß. Die Koalition hat sich in der Bildungspolitik viel vorgenommen. Ein neues Schulgesetz ist bereits verabschiedet worden – gegen starke Widerstände. Gymnasien führen nun nach acht Jahren zum Abitur, Gemeinschaftsschulen nach neun. Letztere werden dadurch gestärkt, schon im kommenden Schuljahr werden sie nach Schülerzahlen die Gymnasien überflügelt haben. Organisatorisch ist da noch vieles nachzujustieren.
Als nächste große Aufgabe wartet die Inklusion, also die Eingliederung möglichst vieler behinderter Kinder in den normalen Schulalltag. Eine Riesenaufgabe, die einer Ministerin alles abverlangt. Am Dienstag hat Wende bei der Kabinettssitzung ein erstes Konzept vorgestellt. Wird sie es auch umsetzen? Die offizielle Antwort lautet: ja. Die inoffizielle Auskunft klingt hier und da schon anders: Es wäre schön, wenn Wende selbst erkennen würde, dass es so nicht weitergeht. Womit wir wieder beim Fußball wären – in der Phase kurz vor dem Trainerwechsel.
Und die Opposition? CDU und FDP wollen eine Sondersitzung des Landtags beantragen. In der Sitzung in der kommenden Woche soll Albig aufgefordert werden, die Ministerin zu entlassen. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki: „Jeder normale Beamte wird bei solchen Vorwürfen suspendiert.“