Am Montag wurden die Räume der Staatskanzlei, des Bildungsministeriums und ihre Privatwohnung durchsucht. Es geht um ihre Rückkehrmöglichkeit an die Universität Flensburg.
Kiel. Die Ministerin war nicht da, als am Montag um 9.30 Uhr die Polizei vor dem Bildungsministerium stoppte. Der Ministerpräsident war nicht da, als eine halbe Stunde später die Polizei auch vor der Kieler Staatskanzlei stoppte. Waltraud Wende (parteilos) machte am ersten Tag des neuen Schuljahres Schulbesuche, Torsten Albig (SPD) machte eine „Sommertour“. In Lübeck schaute er sich ein Biotechnologie-Projekt an. Das Motto seiner Tour lautet „Vielfältige Bildung“. Unter diesem Motto hätte man möglicherweise auch die Vorwürfe gegen Bildungsministerin Waltraud „Wara“ Wende (parteilos) zu den Akten legen können.
Aber die Staatsanwaltschaft Kiel tickt da anders. Sie hat einen Verdacht – einen „Anfangsverdacht“, wie es im Juristendeutsch heißt. Danach könnten sich Wende und Frank Kupfer, der Kanzler der Universität Flensburg, der Bestechung und der Bestechlichkeit schuldig gemacht haben. Und um diesen Verdacht zu erhärten oder zu widerlegen, ließ die Staatsanwaltschaft Kiel am Montag in der Staatskanzlei und im Bildungsministerium Akten beschlagnahmen. Die Nachrichtenagentur dpa will sogar erfahren haben, dass auch Wendes Privatwohnung durchsucht wurde.
Der Vorgang, um den es geht, ist bekannt. Es geht um das Rückkehrrecht von Waltraud Wende an die Universität Flensburg. Sie war deren Präsidentin, als Torsten Albig sie 2012 fragte, ob sie sich vorstellen könnte, Bildungsministerin zu werden. Wende willigte nach einer Weile ein und versuchte die Frage zu klären, was mit ihr geschehen würde, falls sie als Ministerin scheitern würde. Würde sie dann wieder an die Uni Flensburg zurückkehren können? Als Präsidentin jedenfalls nicht, das war klar.
Nach einigem Hin und Her schlossen die Uni in Gestalt des Kanzlers Frank Kupfer und Wende auf ihr Drängen hin eine Rückkehrvereinbarung ab, die wohl rechtswidrig war. Gemerkt hat das damals niemand, weil die Vereinbarung juristisch nicht überprüft wurde. Wende freute sich über ein aus ihrer Sicht gutes Ergebnis. Die Uni erklärte sich „verbindlich“ bereit, ihrer damaligen Chefin nach dem Ausscheiden aus dem Ministeramt eine „W3-Professur für Literatur- und Medienwissenschaften“ zu übertragen. Außerdem wollte ihr die Uni ein „Sabbatical“ gewähren – also eine einjährige Auszeit, um ihr „den erneuten Einstieg in Forschung und Lehre zu ermöglichen“. Das Gehalt sollte in dieser Zeit weiterlaufen.
Frank Kupfer meldete am 30. Mai 2012 per Email an Wende, dass die Rückfallposition beschlossen worden sei. Und weiter: „PS: Danke für die Einbeziehung meiner Person in Ihren Vorschlag zur Kanzlerwahl.“ Kupfers Amtszeit war damals abgelaufen, am 27. die Neuwahl des Kanzlers stand an. Wende sorgte dafür, dass er auf die Vorschlagliste kam, auf der auch noch ein weiterer Name stand. Am Ende wurde der Amtsinhaber wiedergewählt.
Diesen Vorgang meint die Staatsanwaltschaft, wenn sie vom Verdacht der Bestechung und der Bestechlichkeit spricht. Bei Wende erkennt sie zugleich auch noch den Anfangsverdacht des Betruges. „Sie soll dem für die Rückkehroption zuständigen Präsidium der Universität Flensburg unzutreffende Angaben über eine angebliche – positiv ausgefallene – Rechtmäßigkeitsprüfung gemacht haben, um so sicherzustellen, dass das von ihr gewünschte Ergebnis erzielt wird“, heißt es in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft.
Wende äußerte sich am Montag nur in einer Pressemitteilung zu den Vorwürfen. „Es wird sich herausstellen, dass schon die Annahme des Anfangsverdachtes zu Unrecht erfolgt ist“, heißt es da. Die Opposition sieht das etwas anders. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Johannes Callsen forderte die Ministerin auf, ihr Amt ruhen zu lassen. ,,Natürlich gilt für die Ministerin wie auch den Kanzler der Universität die Unschuldsvermutung“, so Callsen. „Allerdings steht angesichts der Vorwürfe der Bestechung, Bestechlichkeit und des Betruges völlig außer Frage, dass sie bis zur Klärung dieser Vorwürfe ihr Amt nicht ausüben kann.“ Der FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki äußerte sich etwas zurückhaltender. „Für Rücktrittsforderungen ist es noch zu früh“, sagte er. „Allerdings sollte sich Frau Wende als Bildungsministerin selbst die Frage stellen, ob sie in dieser Funktion noch tragbar ist.“
Ministerpräsident Albig stellte sich in einer kurzen Presseerklärung hinter seine Ministerin – schaffte dabei allerdings das Kunststück, sie namentlich nicht zu nennen. Zentraler Satz: „Wir haben keinen Hinweis zu glauben, dass sich der Anfangsverdacht erhärten wird.“