Schleswig-Holsteiner sehen in der TV-Serie ein Kulturgut und gründen am Drehort in Grönwohld einen Förderverein. Seit 17 Jahren dient Grönwohld als einer der Drehorte.
Grönwohld. Ein Pferd grast in der Morgensonne am Wegesrand in Drahtmühle. Ein paar Meter weiter das Ortsschild von Grönwohld. Wer von Hamburg aus über die A24 und die B404 fährt, kommt in diese Gemeinde im Kreis Stormarn. Auch dort grasen Pferde. Außerdem bringen Woche für Woche Reisebusse Touristen in das 1340-Seelen-Dorf in Schleswig-Holstein. Die Besucher interessieren sich aber nicht für Grönwohld, sie wollen nach Büttenwarder, wollen sehen, wo Bauer Brakelmann mit seinem Trecker fährt und an welchem Tresen Wirt Shorty „Adsche“ Lütt un Lütt hinstellt.
Seit 17 Jahren dient Grönwohld als einer der Drehorte für die Kultserie „Neues aus Büttenwarder“. Alte Bauernhäuser prägen das Bild der Gemeinde. Über die Zäune wachsen Blumen, Bäume beschatten die wenig befahrenen Straßen. Es gibt eine Feuerwehr, eine Hausbrauerei und den Grönwohldhof. Ein Gestüt, auf dem Unternehmer Manfred von Allwörden Holsteiner Springpferde züchtet. „Ich behaupte, dass wir hier an einer der schönsten Stellen der Erde wohnen“, sagt Gerhard Lerch, der seit 20 Jahren in dem Dorf lebt und die Dreharbeiten für Büttenwarder von Beginn an bei Spaziergängen durch den Ort verfolgt. Jetzt hat der 76-Jährige einen Plan: Er gründet den Förderverein Büttenwarder. Mitgliedsbeiträge und Spenden sollen ein Kulturzentrum in der an den Gasthof Unter den Linden angrenzenden Tenne finanzieren. „Es wird ein Kino geben, eine Veranstaltungsbühne, eine Fotoausstellung“, sagt Lerch. Büttenwarder solle – auch wenn mal Schluss ist mit der Serie – in Grönwohld weiterleben.
„Neues aus Büttenwarder“ erzählt die Geschichte eines Dorfes und seiner Bewohner. Kurt Brakelmann (Jan Fedder) und Arthur „Adsche“ Tönnsen (Peter Heinrich Brix) sind die Hauptpersonen. Neben Wetten im Dorfkrug, so heißt die Gaststätte Unter den Linden in der Serie, beschäftigt beide vor allem eines: was in dem fiktiven Nachbarort Klingsiel vor sich geht. Das beschäftigt auch Lerch: „Ich hab das Gefühl, dass man in Klingsiel plant, ein Kulturzentrum zu eröffnen“, sagt er augenzwinkernd. „Dem muss ich zuvorkommen.“
Auf die Frage, warum er Büttenwarder ein Denkmal setzen wolle, antwortet der Grönwohlder: „Die Serie zeigt genau, wie es bei uns ist: Unsere unglaubliche Bauernkultur.“ Die sei vielleicht manchmal etwas... „naja“ – aber trotzdem: „alles Kulturgut.“
Ein Besucher aus Lübeck kommt immer wieder – weil’s hier so familiär zugeht
Genau darum gehe es auch bei seinem Konzept: „Das wird hier kein Remmidemmi-Verein“, sagt Lerch. Im Gegenteil. Er wolle Lesungen organisieren. Sein Ziel sei es, dass Plattdeutsche zur Geltung zu bringen. „Verrückte Künstler“ werde er nicht einladen.
Stattdessen soll der Verein, so stellt es sich der ehemalige Manager vor, wie eine Firma aufgezogen werden. „Die Projekte werden Leitern zugeordnet, die ich in einem Beirat zusammenschließe.“ In einem Ordner hat Lerch alle Unterlagen geordnet, Schriftverkehr mit dem NDR, den er sich als Schirmherren für den Verein wünscht, und mit Ruthild und Enno Oetjen, die die Gaststätte führen. Professionell aufgezogen wie eine Firma, ist der Verein für Lerch dennoch eine Herzensangelegenheit: „Ich möchte Büttenwarder aus seinem fiktiven Leben herausholen“, sagt Lerch, der, wenn er von seiner Heimat spricht, gern Sätze beginnt mit: „Wir hier in Büttenwarder ...“. „Wenn meine Frau und ich in der Umgebung unterwegs sind, weiß doch kein Mensch, was Grönwohld ist. Büttenwarder kennen alle.“
Büttenwarder kennen diejenigen, die Grönwohld besuchen, meist ganz genau. Wie die drei Herren, die an diesem heißen Sommertag mit ihren Elektrofahrrädern aus Gettorf hierhergekommen sind und nun vor der Kneipe halt machen. Was sie in dem Dorf wollen? „Büschn platt snacken und Büttenwarder kieken, ne“, sagt einer und zitiert aus einer Szene, die er auswendig kennt. Besucher kommen häufig nach Grönwohld, aus Sachsen und Thüringen etwa, um im Gasthof Geburtstage und Hochzeiten zu feiern.
Der Lübecker Jürgen Burckhardt war am 30. Dezember 2012 zum ersten Mal in Grönwohld. Das Datum erinnert er genau, denn seitdem fährt er jeden Tag in das Dorf, setzt sich an den Tresen der Oetjens und trinkt Weißwein und Wasser. Auch bei dem Förderverein will Burckhardt mitmachen. „Ich finde es hier wahnsinnig familiär“, sagt er. Einer der Fahrradfahrer aus Gettorf holt nun eine Kamera heraus und macht ein Foto vom Gasthof und der Tenne. Das Kulturzentrum interessiert ihn. „Wenn das fertig ist, kommen wir wieder.“ Das müssen die Besucher wohl, denn eigentlich hatten sie sich Lütt un Lütt erhofft, ein kleines Bier und Korn. Die Gaststätte Unter den Linden hat wochentags aber erst ab 16 Uhr geöffnet, am Wochenende von 11 bis 14 Uhr. „Wenn die Busse die Touristen absetzen, kriegen die schnell Lütt un Lütt, dann geht’s auch schon weiter“, sagt Lerch. Das stellt er sich mit Eröffnung des Kulturzentrums anders vor. Aber: rein kulturell, bloß kein Remmidemmi. Dass einige Grönwohlder auch jetzt schon genervt sind von den Dreharbeiten und den Touristen, kann sich Lerch zwar vorstellen. Dass in der Sendung aber die Bauern nur „verscheißert“ werden, wie kürzlich ein Bekannter zu ihm sagte, das glaubt er nicht.
Zumindest in einigen Fällen wird die Bauernmentalität, die Gerhard Lerch so an der Sendung gefällt, passend wiedergegeben. Günter Oetjen jedenfalls, der seit vielen Jahren als Komparse mitwirkt, sieht auch an drehfreien Tagen aus wie im Fernsehen: Cordhose, Weste, Schiebermütze. Auch der Schnack passt: Auf Lerchs Frage, ob er beim Vorgründungstreffen in der folgenden Woche dabei sein werde, kommt ein knappes: „Weiß ja nich, ob ich dann noch leb.“
Mit einer kaum merklichen Handbewegung grüßt Oetjen und verschwindet in der Tenne. Die Tür wird von innen geschlossen. Von Remmidemmi hält hier wohl keiner viel.