Nach der Kritik vom Rechnungshof wegen mangelnder Wirtschaftlichkeit sorgt sich Schleswig-Holsteins Regierungschef Torsten Albig (SPD) um den millionenschweren Neubau in Brunsbüttel.
Brunsbüttel. Der Bau der fünften Schleusenkammer in Brunsbüttel ist in Gefahr. Rechnungshof und Finanzministerium sperren sich gegen das 540 Millionen Euro teure Bauvorhaben, weil es aus ihrer Sicht unwirtschaftlich ist. Im Haushaltsausschuss des Bundestags gab es scharfe Kritik am Verhalten des Verkehrsministeriums. Dort sind die Bedenken des Rechnungshofs schon seit Februar bekannt.
Offenbar ist aber nur sehr unzureichend versucht worden, diese Bedenken auszuräumen. „Da stellt sich die Frage nach der Führungsfähigkeit der Hausspitze“, sagte der aus Lauenburg kommende CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann. Er zielte damit auf zwei Parteifreunde: den Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und den Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann (CDU).
In Schleswig-Holstein sorgt man sich derweil um das Millionenprojekt und um den Nord-Ostsee-Kanal. „Auch der Bundesrechnungshof kann keine Zweifel haben, dass der Kanal wirtschaftlich ist“, sagte Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). „Unwirtschaftlich ist es, wenn die Schiffe nicht in den Kanal kommen und wieder heraus.“ Landesverkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) ergänzte: „Jeder, der vor Ort ist, sieht an den Schleusen ein Industriemuseum.“ Der Haushaltsausschuss hatte am Mittwoch eigentlich das Geld für die neue große Schleusenkammer am Kanaleingang freigeben wollen. Damit hätte der Bauauftrag erteilt werden können. Doch dazu kam es nicht. Der Rechnungshof stoppte den Beschluss mit dem Hinweis auf die fehlende Wirtschaftlichkeit. Dem Ausschuss blieb nicht anderes übrig, als die Entscheidung zu vertagen. Zugleich forderte er das Verkehrsministerium auf, die strittigen Fragen bis zum 9.April zu klären. Sollte dies gelingen, könnte das Geld bei einer Ausschusssondersitzung am 11.April freigegeben werden. Eile ist geboten. Die Zuschlagsfrist für das Projekt endet am 17. April. Ist bis dahin der Auftrag nicht vergeben, muss der Bau der Kammer erneut ausgeschrieben werden. Eine Verzögerung von mehreren Monaten wäre die Folge.
Warum es am Mittwoch zu dem „Showdown“ im Ausschuss kam, bleibt unklar. Der Bundesrechnungshof (BRH) hatte das Verkehrsministerium schon am 27. Februar in einem Schreiben über seine Bedenken informiert. Der Brief lässt an Klarheit nichts zu wünschen übrig. Die Kosten für die fünfte Schleusenkammer seien von 273 Millionen Euro im Jahr 2008 auf nun 540Millionen Euro gestiegen, heißt es dort. „Mit Blick auf diese Kostensteigerung reicht die Nutzen-Kosten-Untersuchung aus dem Jahr 2007 aus unserer Sicht nicht mehr aus, den Neubau zu rechtfertigen“, schreibt der BRH. „Wir haben das Nutzen-Kosten-Verhältnis neu berechnet.“ Es verringere sich von 2,77 auf jetzt 0,8. „Damit wäre die Maßnahme unwirtschaftlich.“
Im Verkehrsministerium hätten da eigentlich die Alarmsirenen schrillen müssen. Stattdessen erhielt der Rechnungshof eine zweiseitige Antwort mit dem lapidaren Hinweis, dass es jetzt zu spät sei, das Projekt zu stoppen. „Aktuelle Alternativplanungen existieren nicht“, schrieb Dr. Martina Hinricher, die Leiterin der Zentralabteilung im Verkehrsministerium. „Ein Wechsel zu einer Sanierungsvariante ohne Bau der fünften Schleusenkammer würde zu erheblichen Zeitverlusten führen.“ Außerdem würde ein Stopp des Vergabeverfahrens „zu erheblichen finanziellen Nachteilen für den Bund (Schadenersatzforderungen und Nachträge in Millionenhöhe) führen“.
Der Bundestagsabgeordnete Brackmann hält diese Reaktion für vollkommen inadäquat. „Man hätte versuchen müssen, die Bedenken des Rechnungshofs zu entkräften.“ Dass dies nicht geschehen sei, „deutet auf die Unfähigkeit des Verkehrsministeriums hin, mit solchen Großprojekten umzugehen“. Dass angeblich weder Alexander Dobrindt noch Enak Ferlemann über die Bedenken des Rechnungshofs informiert worden seien, hält Brackmann für ein Unding. „Die fünfte Schleusenkammer ist das derzeit größte Infrastrukturprojekt des Verkehrsministeriums“, sagte er. „Es gibt kaum ein wichtigeres Thema als dieses.“