Für den Umbau des früheren NS-Versammlungshaus gibt es nun doch keine Bundesmittel. Was jetzt mit dem Bau in Dieksanderkoog geschehen soll, ist unklar
Dieksanderkoog. Die Neulandhalle, das NS-Versammlungshaus im Kreis Dithmarschen, wird nicht zum Museum umgebaut. Monika Grütters, die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, hat den Förderantrag der schleswig-holsteinischen Kulturministerin Anke Spoorendonk (SSW) abgelehnt. Damit muss das gesamte Gedenkstättenkonzept der Ministerin überarbeitet werden. Und es ist wieder völlig offen, was mit dem seit Jahren leer stehenden Nazi-Bau geschehen soll. „Die Ablehnung ist niederschmetternd“, sagt der Historiker und SPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Weber.
Das Expertengremium, das Grütters bei ihren Entscheidungen berät, hat kein gutes Haar an dem Förderantrag aus Kiel gelassen. „Die Sachverständigen bemängelten beim Konzept die zu starke Überfremdung und die Reauratisierung bei zu geringer Originalsubstanz“, heißt es in der Ablehnung. Kurz gesagt: Die Aura des Versammlungsgebäudes ist längst nicht so besonders wie behauptet. Und weiter: „Das Gremium hält eine Gedenkstätte und ein Museum an diesem Ort für nicht angemessen, vielmehr eigne sich die Neulandhalle als Bildungsstätte.“
Zwei Millionen Euro hatte die Ministerin vom Bund bekommen wollen, weitere zwei Millionen Euro hätte das Land dazugetan, um den Umbau der Halle zum Museum zu finanzieren. Jährliche Personal- und Betriebskosten von 300.000 Euro wären hinzugekommen. Ein hoher Betrag, wenn man bedenkt, dass Spoorendonk derzeit für alle Gedenkstätten nur 120.000 Euro im Etat hat. Laut Konzept sollte in dem Versammlungshaus „die Geschichte der umfassenden Akzeptanz der menschenverachtenden und totalitären NS-Ideologie“ dargestellt werden.
Die Neulandhalle wurde 1936 gebaut. Sie stand im damals neu eingedeichten Adolf-Hitler-Koog und war das Zentrum der nationalsozialistischen Mustersiedlung, die damals dort unter massiver propagandistischer Begleitung für handverlesene Parteigenossen errichtet wurde. 92 Familien zogen in Koog. Die Bauernhäuser sind erhalten und werden heute noch bewohnt, teilweise von den Nachfahren der damaligen Siedler.
Spoorendonk bedauerte die Entscheidung des Bundes. Das Land sei finanziell nicht in der Lage, das Projekt allein umzusetzen. Das landesweite Gedenkstättenkonzept werde dennoch „weiter vorangetrieben“. Wie das geschehen soll, ist noch unklar. Ursprünglich hatte sie die Neulandhalle zu einer „hauptamtlich besetzten organisatorischen Trägerplattform mit Steuerungsfunktion für die Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein“ machen wollen. „Das muss nun neu gedacht werden“, sagt der SPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Weber. Sein CDU-Kollege Peter Sönnichsen spricht es deutlicher aus: „Frau Spoorendonk muss ihr Konzept überarbeiten.“ Die Pläne für die Neulandhalle waren von Anfang an umstritten. Bei den hauptsächlich ehrenamtlichen Mitarbeitern der Gedenkstätten in Schleswig-Holstein ging die Angst um, dass die Neulandhalle so viel Geld verschlingen würde, dass für sie nichts übrig bleiben würde. Kritisiert wurde außerdem, dass die Siedlung im Koog weder ein Opferort noch ein Täterort, sondern eher ein Ort der Profiteure des NS-Regimes gewesen sei. Bewusst wurde im Konzept auch nicht der Begriff „Gedenkstätte“ oder „Museum“ benutzt. Stattdessen sollte dort ein „Lernort“ entstehen.
Der SPD-Landtagsabgeordnete Weber hält den Vorschlag der Expertenkommission, die Neulandhalle zu einer Bildungsstätte zu machen, für Quatsch. „Das kann man nur schreiben, wenn man keine Ahnung von Schleswig-Holstein hat.“ Das Land habe viele Bildungsstätten, staatliche wie private.
Marlies Fritzen, kulturpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion der Grünen, wollte die Entscheidung der Bundesbeauftragten nicht kritisieren. „Wir müssen jetzt alle neu nachdenken“, sagt sie.
Eigentümer der Neulandhalle ist der evangelische Kirchenkreis Dithmarschen. Er hatte das Gebäude 1971 erworben und als Jugendfreizeitstätte genutzt. 2010 musste sie geschlossen werden, sie war defizitär. Zwischendurch gab es Kaufinteressenten, aber der Dithmarscher Propst Andreas Crystall wollte nicht riskieren, dass der Nazi-Bau in die falschen Hände gerät. Die Museumspläne hatte der Kirchenkreis unterstützt und gefördert. „Natürlich ist die Ablehnung des Förderantrags ein Rückschlag für die gemeinsamen Pläne, der Neulandhalle eine sinnvolle Zukunft zu geben“, sagt Crystall heute. „Aber wir sind schon sehr weit gekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jetzt jemand der Beteiligten aus der gemeinsamen Verantwortung für diese historische Erblast zurückzieht.“ Peter Sönnichsen denkt da ein bisschen anders. „Hat das Land wirklich die Aufgabe, dieses Gebäude zu übernehmen?“, fragt er. Und sagt: „Nein, das Land muss das nicht machen.“ Aus der Neulandhalle scheint eine Altlast zu werden.