Die KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen ist vermutlich langfristig gerettet. Die Landesregierung hat mehr Hilfe in Aussicht gestellt, um die Arbeit zu professionalisieren. Konkrete Beschlüsse fehlen jedoch bislang.
Kaltenkirchen. Wenn Schüler die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers in Kaltenkirchen besichtigen, übernehmen zumeist pensionierte Lehrer die Führungen. Der Hausmeister arbeitet auf 400-Euro-Basis und ist der einzige Beschäftigte des Trägervereins der KZ-Gedenkstätte. Historisch ist die Geschichte dieses Orts des Grauens an der Bundesstraße 4 nur teilweise aufgearbeitet. Langfristig können die - zumeist älteren Mitglieder - des Vereins die Arbeit in der Gedenkstätte nicht mehr allein ehrenamtlich leisten, sagt der neue Vereinsvorsitzende Uwe Czerwonka. „Wir brauchen eine Professionalisierung.“
Dass die Gedenkstätten im Land finanzielle und personelle Unterstützung brauchen, hat offenbar auch die Landesregierung erkannt. Binnen weniger Monate waren die Vize-Präsidentin des Landtags, Marlies Fritzen, SPD-Fraktionschef Ralf Stegner und Kulturministerin Anke Spoorendonk in der Gedenkstätte zu Gast. Vor wenigen Tagen nahm sich Ministerpräsident Torsten Albig zwei Stunden Zeit für Gespräche und eine Besichtigung. Nicht nur in der Toilette musste er feststellen, dass Investitionen angesagt sind. „Die müsste dringend saniert werden“, sagt er nach einem Besuch auf dem Örtchen.
Ministerin Spoorendonk kündigte unterdessen ein Gedenkstätten-Konzept für das ganze Land an. Die Mittel, die das Land bislang zur Verfügung gestellt habe, seien erbärmlich. Doch wie viel Geld in Kaltenkirchen ankommen wird, ist noch völlig offen. „Es gibt noch keine Größenordnung“, sagt Ministeriumssprecher Oliver Breuer. „Das Konzept wird diskutiert, die Haushaltslage ist schwierig.“
Der Trägerverein der Gedenkstätte muss jährlich mit 10.000 Euro auskommen, die von der Bürgerstiftung schleswig-holsteinischer Gedenkstätten kommen und Jahr für Jahr neu beantragt werden müssen. Eine verlässliche Planung sehe anders aus, heißt es im Verein. Hinzu kommen 5000 Euro aus Mitgliedsbeiträgen sowie Spenden. Die personelle Ausstattung sieht ebenfalls finster aus: Neben dem Hausmeister arbeitet seit dem vergangenen Jahr in der Gedenkstätte ein Lehrer, der sechs Stunden seiner Wochenarbeitszeit nutzen darf, um Kontakte zu Schulen herzustellen und pädagogisch in Springhirsch zu arbeiten.
4000 Menschen besuchen jährlich die Gedenkstätte - mit jährlich steigender Tendenz. Die Betreuung übernehmen in der Regel Ehrenamtler, die zur Gründergeneration des Vereins um den Alvesloher Gerhard Hoch gehören, der als erster die Geschichte die Kaltenkirchener Lagers erforschte. Nachwuchs, der auf Dauer die Arbeit in der Gedenkstätte fortsetzt, ist kaum in Sicht.
Zum Vorstand gehört auch Uta Körby, die jahrelang als Vorsitzende gearbeitet hat und außerdem Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten ist. Dort fürchten viele Mitglieder, dass trotz der aktuellen Beteuerungen die kleinen Gedenkstätten wie Kaltenkirchen zugunsten zweier großer Projekte übersehen werden. Am Freitag hat das Land beim Bund sein vier Millionen teueres Konzept für den Aufbau der Neulandhalle in Dithmarschen präsentiert, das einst zu einem Musterdorf der Nazis gehörte. Weitere 500.000 Euro sind für den Ausbau der Gedenkstätte Ladelund geplant, die auf einem ehemaligen KZ-Gelände steht. Jeweils die Hälfte der Investitionen soll der Bund übernehmen. Summen, von denen die Kaltenkirchener und andere Trägervereine nur träumen können.
Ihre Bedenken, dass die jenseits großer Verkehrswege gelegene Neulandhalle zulasten anderer historischer Stätten zu einem zentralen Ort des Gedenkens avancieren könnte, seien bislang nicht ausgeräumt, sagt Uta Körby. Sie und Czerwonka hoffen weiterhin, dass die Zusagen der Ministerin und des Ministerpräsidentin, die Gedenkstätten intensiver zu unterstützen, nicht nur für die Großprojekte gelten. Zumindest gehen beide nach den jeweils mehrstündigen hohen Besuchen aus Kiel davon aus, dass ihre Arbeit gewürdigt wird.
„Wir brauchen Profis“, sagt Czerwonka, der bis vor wenigen Monaten das Jürgen-Fuhlendorf-Gymnasium in Bad Bramstedt geleitet hat und den ehrenamtlichen Vorsitz des Vereins mit einem Halbtagsjob vergleicht. Jetzt müsse die Arbeit, die Gerhard Hoch und seine Mitstreiter aufgebaut hätten, langfristig gesichert werden. Eine Professionalisierung werde auch von den Schulen der Region erwartet, mit denen der Verein eng zusammen arbeitet. Dazu gehöre die Einrichtung einer Geschäftsstelle für die Verwaltungsarbeit, die historische Aufarbeitung und vor allem die Erweiterung der Öffnungszeiten.
Spoorendonk hat gefordert, dass jeder Schüler in Schleswig-Holstein mindestens einmal eine Gedenkstätte besucht haben muss. In Kaltenkirchen dürfte das auf praktische Schwierigkeiten stoßen: Die marode Toilette dürfte einem Ansturm mehrerer Klassen an einem Tag kaum gewachsen sein. Außerdem müssen Busfahrer mühselig von der viel befahrenen Bundesstraße auf den Parkplatz rangieren. „Eine gefährliche Angelegenheit“, sagt Czerwonka.