Nord-Ostsee-Kanal, Elbvertiefung, Fehmarnbelt-Tunnel: Was seit Langem geplant ist, kommt zäh voran – weil Geld fehlt oder Gerichte einschreiten. Eine Übersicht über die derzeitigen Projekte.
Kiel/Hamburg. Die großen Verkehrsprojekte sind in Norddeutschland große Sorgenkinder. Ob Autobahnen, Schienenwege, Elbvertiefung oder Nord-Ostsee-Kanal – oft bremst eine fehlende Finanzierung Vorhaben aus, über deren Nutzen Einigkeit besteht. Nun hoffen die Regierungen in Kiel und Hamburg auf Rückenwind durch die neue Bundesregierung mit dem neuen Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU). „Wir werden so schnell wie möglich das Gespräch mit dem Bund suchen, um zu klären, welche Mittel wann zur Verfügung stehen“, sagte der Kieler Ressortchef Reinhard Meyer (SPD).
Nord-Ostsee-Kanal: Die Wasserstraße zwischen Kiel und Brunsbüttel ist Nummer eins auf der Kieler Prioritätenliste. Die maroden Schleusen sind mehr als 100 Jahre alt. Gehen sie kaputt, müssen die Schiffe teure Umwege machen. Alle Schleusen sollen bis 2028 erneuert werden. In Brunsbüttel wird eine neue gebaut. Um den Kanal für die riesigen Containerschiffe der neuen Generation fit zu machen, sollen die Fahrrinne vertieft und die Oststrecke begradigt werden. Geschätzte Gesamtkosten: 1,4 Milliarden Euro. Der Entwurf eines „Zeit-, Maßnahmen- und Finanzierungsplans“ liegt seit Juni beim Bund. Dieser soll rasch verbindlich sagen, was bis 2025 umgesetzt wird.
Autobahn 20: Aus dem Raum Stettin kommend ist die A20 bis kurz vor Bad Segeberg fertig. Das Bundesverwaltungsgericht kippte die weitere Planung bis zur A7: Der Fledermausschutz wurde nicht genug beachtet. Zeitverlust: zwei Jahre oder mehr. Nun wird die Frage der richtigen Trassenführung im Raum Segeberg erneut geprüft. Ziel ist Baureife bis 2017. Auch die Planung westlich der A7 wird mit dem Gerichtsurteil abgeglichen, um weitere böse Überraschungen zu vermeiden. Meyer: „Das Schlimmste wäre, wenn wir bei einem weiteren Verfahren vor Gericht scheitern würden.“ Die Planung samt Elbquerung soll Ende 2014 fertig sein. „Die anschließende Finanzierung wird ein Lackmustest für den Bund“, so Meyer.
Elbquerung: Die A20 soll ab etwa 2025 bei Glückstadt die Elbe queren und in Niedersachsen an das Autobahnnetz angebunden werden. „Wir glauben an die A20 in ihrer gesamten Wirkung“, sagt Meyer. „Das zentrale Problem ist die Finanzierung.“ Wohl rund eine Milliarde Euro sind aufzubringen. Dass der Bund eine private Finanzierung über das Modell einer öffentlich-privaten Partnerschaft plant, überzeugt Meyer nicht. Der Minister sympathisiert nach dänischem Vorbild mit einer staatlichen Infrastrukturgesellschaft, die sich am Kapitalmarkt Geld beschafft und das Projekt plant. Vorteil: Sie müsste nicht die Renditeerwartungen erfüllen, die Private haben – mindestens acht Prozent, die dann auch weg wären.
Elbvertiefung: Das seit Jahren geplante Vorhaben könnte 2014 in Angriff genommen werden – sofern die Gerichte dem Hamburger Senat keinen Strich durch die Rechnung machen. Zur Freude der Befürworter entschied das Bundesverwaltungsgericht zwar, zunächst auf den zeitraubenden Gang zum Europäischen Gerichtshof zu verzichten. Es will Klagen von Umweltverbänden erst selbst verhandeln. Zugleich ließen die Richter die Möglichkeit offen, Fragen zur Auslegung von EU-Vorgaben noch in Luxemburg klären zu lassen. Das kann den Plan, die Elbe tideunabhängig für Schiffe mit bis zu 14,5 Meter Tiefgang befahrbar zu machen, um weitere ein bis zwei Jahre verzögern.
Fehmarnbelt-Querung: Ab Ende 2021/Anfang 2022 soll ein 18 Kilometer langer Tunnel Fehmarn mit der dänischen Insel Lolland verbinden. Weil Dänemark stärker daran interessiert ist, trägt es die Baukosten von 5,5 Milliarden Euro allein, Deutschland nur die für seine Anbindung. Das sollte zunächst 800 Millionen Euro kosten, eine Verdopplung wird befürchtet. Die Finanzierung ist ebenso offen wie die Schienentrasse nach Hamburg. Die Kieler Regierung will die Gleise möglichst fern der Badeorte an der Ostsee haben. Die Planung stockte; es gab 8300 Einwendungen. Angemeldet und nicht bestätigt ist die Erneuerung der Fehmarnsund-Querung. Die alte Brücke hat zwei Spuren, der Belttunnel bekommt je zwei für Autos und Bahn. Es droht also ein Nadelöhr.
Autobahn 7: Die A7 soll zwischen Dreieck Bordesholm und Hamburg auf drei Spuren in jeder Richtung ausgebaut werden. Geplanter Baubeginn: Ende 2014. Ob das eingehalten wird, hängt vom zeitgerechten Abschluss des laufenden Bieterverfahrens ab. Geschätzte Kosten für Grunderwerb und Bau: 340 Millionen Euro. Dauer der Arbeiten: vier bis fünf Jahre. Dann wird es starke Belastungen geben. Um sie zu mindern und Probleme wie zwischen Hamburg und Bremen zu verhindern, gibt es in der Baustelle breitere Fahrstreifen. Da ein Ausweichen über A21 und A1 schwierig werden kann, soll die Bahn einiges abfangen. Sie fährt zwischen Kiel und Hamburg ab 2015 halbstündlich statt stündlich und zwischen Hamburg und Flensburg nicht mehr alle zwei Stunden, sondern stündlich. Die AKN bekommt neue Züge mit mehr Sitzplätzen.
Autobahn 21: Die B404 wird zwischen Kiel und der A1 bei Bargteheide zur A21 ausgebaut. Rund 18 Kilometer zwischen Kiel und Stolpe fehlen noch. Zwischen Stolpe und Nettelsee wird gebaut, der Abschnitt Nettelsee-Klein Barkau ist im Planfeststellungsverfahren. Bis wann die A21 komplettiert wird, hängt davon ab, wann die Bundesmittel fließen. Diese Autobahn könnte ins Hintertreffen geraten, weil andere Projekte im Land höhere Priorität haben. Meyer wagt keine zeitliche Prognose.
Bundesstraße 5: Die B5 soll zwischen Tönning und Husum auf drei Spuren ausgebaut werden. Hier ist es ähnlich wie bei der A21: Die Finanzierung steht noch nicht. „Die B5 ist für die Westküste von elementarer Bedeutung, aber das Geld muss da sein“, sagt Meyer. Gespräche mit dem Bund sollen Klarheit bringen. Für den Abschnitt Tönning–Husum läuft das Planfeststellungsverfahren. Die Planung für den Abschnitt Husum–Hattstedt–Bredstedt wurde beklagt, Ausgang offen.
S-Bahn 4: Sogenannte Zweistrom-S-Bahnen sollen künftig auf der Strecke Itzehoe/Wrist–Elmshorn–Hamburg– Ahrensburg–Bad Oldesloe fahren. Für den ersten Bauabschnitt zwischen Hamburg-Hasselbrook nach Bad Oldesloe sind 630 Millionen Euro veranschlagt. Die Arbeiten könnten 2018 starten und sechs Jahre dauern. Voraussetzung: Die S4 müsste Bestandteil des neuen Bundesverkehrswegeplanes werden. „Ohne die Hilfe des Bundes könnten Hamburg und Schleswig-Holstein das nicht finanzieren“, sagt Meyer. Allein die Planung kostet 32 Millionen Euro. Das Problem: Das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz läuft 2019 aus und so weiß keiner, ob der Bund danach im Boot bliebe.
S-Bahn 21: Die Planung für den Ausbau der AKN/S21 zwischen Hamburg-Eidelstedt und Quickborn beziehungsweise Kaltenkirchen ist weiter als bei der S4. Aber noch sind vier Varianten im Gespräch. Das Projekt könnte komplett in die Finanzierungsperiode bis 2019 fallen. Geht alles gut, würden im Jahr 2020 die ersten Züge fahren. Geschätzte Kosten für die Erweiterung zur elektrifizierten neuen S21: 60 bis 90 Millionen Euro für Investitionen und Planung.