Rückschlag im Verkaufspoker um die P+S-Werft: Eine tatarische Staatsholding ist aus dem Bieterverfahren ausgestiegen. Ein Ende des Schiffbaus in Stralsund ist nicht mehr ausgeschlossen.
Stralsund/Schwerin. Im Prozess um den Verkauf der insolventen P+S-Werft in Stralsund gibt es einen Bieter weniger. Eine tatarische Staatsholding, die die Übernahme der Werft mit rund 500 Arbeitsplätzen plante, ist am Donnerstagabend aus dem Bieterverfahren ausgestiegen. Insolvenzverwalter Berthold Brinkmann bedauerte am Freitag nach dem Treffen mit dem Generaldirektor der in Kasan ansässigen Ak Bars Holding den Rückzug. „Wir haben das Interesse von Ak Bars an der Volkswerft Stralsund sehr begrüßt, die Zusammenarbeit mit unseren tatarischen Gesprächspartnern war immer professionell und vertrauensvoll.“ Der Bieterprozess werde wie geplant weitergeführt.
Der Insolvenzverwaltung liegen nach Angaben eines Sprechers noch weitere Angebote aus dem In- und Ausland vor. Als heißester Interessent wird Nordic-Eigner Witali Jussufow gehandelt. Er hatte angekündigt, den Betrieb in Stralsund ab Herbst 2014 mit 250 Beschäftigten wieder aufnehmen zu wollen. Jussufow gibt jedoch keine Beschäftigungsgarantien ab, was bei Gewerkschaft und Betriebsrat auf Kritik stößt. Kritisch gesehen wird auch das angebliche Angebot in Höhe von 500.000 Euro.
Ebenfalls nicht mehr im Rennen ist der französische Marine-Konzern DCNS, der von einer Stralsunder Beteiligungsgesellschaft ins Spiel gebracht worden war. Die Franzosen hatten am Dienstag klargestellt, kein Interesse an der Stralsunder Werft zu haben.
Nach Angaben der Insolvenzverwaltung hat sich Ak Bars aus „nicht von der Volkswerft Stralsund oder der Insolvenzverwaltung zu vertretenden externen Gründen“ zurückgezogen. Das Wirtschaftsministerium zeigte sich enttäuscht über den Ausstieg. „Wir bedauern die Entscheidung. Klar ist auch: Je mehr ernsthafte Bewerber, desto besser ist die Situation“, sagte ein Sprecher.
Ein Ende des Schiffbaus in Stralsund und eine Umstrukturierung des Standorts ist nicht mehr ausgeschlossen. Glawe hatte am Donnerstag vor dem Landtag gesagt, dass es Interessenten gebe, die eine andere industrielle Nachnutzung als den Schiffbau anstrebten. Namen wurden nicht genannt.
Wie es aus Gläubigerausschuss-Kreisen hieß, könnte der Druck aus Moskau zum Rückzug der Tataren beigetragen haben. „Es deutet alles darauf hin, dass die Entscheidung aus strategischen Gründen in Moskau getroffen wurde“, sagte der IG-Metall-Bevollmächtigte Guido Fröschke. Russland hatte sich mehrfach klar hinter das Angebot von Jussufow gestellt. Der Chef des Handels- und Wirtschaftsbüros bei der Russischen Botschaft, Andrej Zwerew, hatte im August erklärt, dass das Angebot von Nordic besser zu bewerten sei als das einer staatlichen Holding aus Tatarstan. Ähnlich äußerte sich der für Werften zuständige russische Industrieminister Denis Manturow bei einem Besuch von Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) und Wirtschaftsminister Harry Glawe (CDU) im September in Moskau.
Auch der langjährige Stralsunder Betriebsrat Jürgen Kräplin zeigte sich enttäuscht über die geplatzten Verkaufsverhandlungen mit den Tataren. Zum Nordic-Angebot sagte er: „Wir erwarten, dass die Menschen in dem Angebot eine Rolle spielen.“ Zudem sei nicht vorstellbar, dass die EU einem Verkauf zustimme, bei dem ein Negativpreis erzielt werde. „In den Hallen befinden sich 11.000 Tonnen Stahl.“ Am Kai lägen zwei fast fertiggestellte Fähren.
Kräplin appellierte an die Bundes- und Landespolitik, sich für den Standort Stralsund einzusetzen. „Vorpommern-Rügen gehört zu den ärmsten Regionen Deutschlands“, sagte er unter Verweis auf die jüngst veröffentlichte Prognos-Studie. In der Wirtschaftsstudie hatte der Kreis Rang 400 von 402 Kreisen und kreisfreien Städten belegt. „Die Region braucht dringend ein industriepolitisches Konzept“, sagte der IG-Metall-Mann Fröschke.
Auch die Linke forderte ein klares Bekenntnis der Landesregierung zur Werft. „Die Landesregierung ist dies nicht zuletzt den Beschäftigten und ihren Familien schuldig“, sagte Fraktionschef Helmut Holter.