Was ist historisch? Für Traditionsschiffe ist die Antwort darauf eine Frage der Existenz. Die Betreiber beklagen, dass die Anforderungen zu streng geworden sind. Vielen alten Seglern droht das Aus – so wie dem Bildungsschiff „Lovis“.

Kiel. Wenn es um das eigene Schiff geht, muss mancher Segler zwangsläufig zum Historiker werden – zumindest wenn er ein Traditionsschiff besitzt. Der Status ist begehrt, weil er praktische Vorteile bringt. Wer ihn haben will, muss Nachweise aus der Geschichte bringen. Genau das wird für viele Traditionsschiffe aber nach Verbandsabgaben immer mehr zum Problem. Weil die für die Einstufung zuständige Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft (BG Verkehr) zu streng geworden sei, drohe vielen Traditionsschiffen das Aus.

„Die BG Verkehr hat beschlossen schärfer hinzugucken, insbesondere bei dem Punkt der sogenannten Historizität. Also bei der Frage: Was ist historisch?“, sagt der Vorsitzende der Gemeinsamen Kommission für historische Wasserfahrzeuge (GSHW), Thomas Hoppe. „Aber sie ist weit über das Ziel hinausgeschossen“, so Hoppe. Von einst rund 150 Schiffen um die Jahrtausendwende seien mittlerweile nur noch knapp 110 übrig geblieben. Die GSHW ist der Dachverband deutscher Traditionsschiffe in Fahrt.

Aktuell schlägt das Bildungsschiff „Lovis“ Alarm, das während der Kieler Woche in der Landeshauptstadt angelegt hat. Schulklassen und Jugendgruppen segeln mit ihm auf Ost- und Nordsee. Nach Angaben des Betreibers, eines gemeinnützigen Vereins, wurde für die „Lovis“ ein Schiffsrumpf von 1897 restauriert. Zusammengebaut hat sie der Verein aber erst 1999 – Vorbild war der alte Frachtlogger „Wilhelm Lühring“. Ob die „Lovis“ damit historisch genug ist, wird mittlerweile angezweifelt. „Unsere Arbeit könnten wir nicht mehr in dieser Form fortführen“, sagt Katriona Dannenberg, eine der ehrenamtlichen Skipperinnen, mit Blick auf die mögliche Aberkennung. Die Fahrterlaubnis gelte nur noch bis zum 30. Juni.

Der Status als Traditionsschiff erleichtert den schmucken Kuttern oder Seglern den Betrieb. Wenn sie nicht in erster Linie kommerziell betrieben werden, reichen Sportbootführerscheine bei der Mannschaft. Beim Wechsel in eine andere Schiffsklasse müsste ein Profi-Kapitän anheuern – was viele Betreiber nicht stemmen könnten. Denn in den meisten Fällen handelt es sich dabei um Privatleute oder gemeinnützigen Vereine.

Die BG Verkehr verweist bei der Diskussion auf die Spruchpraxis der Gerichte. Demnach müssten Traditionsschiffe entweder Originale oder Einzelnachbildungen sein, erklärt der Justiziar der BG Verkehr, Kai Krüger. „Die „Lovis“ war mal eine Dampfbarkasse“, sagt Krüger. Und als Nachbildung der „Wilhelm Lüring“ tauge sie nicht – dafür fehlten bislang die Nachweise. Klar sei in den vergangenen Jahren strenger hingeschaut worden – aufgrund der Gerichtsurteile. Von einem „Kahlschlag“, wie ihn die GSWH sieht, könne aber nicht die Rede sein.

Die Sicherheitsrichtlinie, die die Zulassung regeln soll, ist seit 2000 gültig. Sowohl GSHW als auch BG Verkehr warten nun auf einen angekündigten Erlass des Bundesverkehrsministeriums. Nach Angabe der BG Verkehr könnte er die strenge Interpretation von „historisch“ etwas erleichtern – und den seit Jahren schwelenden Streit beenden.