Es kracht und rumst. Stuntmen seilen sich von Felsen ab, und der Titelheld trauert um seine große Liebe. Auf Rügen haben die 21. Störtebeker-Festspiele – Deutschlands größtes Open Air – begonnen.

Ralswiek. Der Pirat Klaus Störtebeker kreuzt auf Rügen wieder die Klingen: Rund 8500 Zuschauer erlebten auf ausverkauften Rängen und bei warmen Sommertemperaturen am Samstagabend eine gelungene Premiere der 21. Störtebeker-Festspiele in Ralswiek. Das diesjährige Stück „Beginn einer Legende“ ist der erste Teil eines fünfteiligen Zyklus um das Leben des bekannten Freibeuters.

Erstmals agierte der 33-jährige Bastian Semm in der Hauptrolle des Titelhelden, der – gemessen am Applaus des Publikums – seine Feuerprobe bei Deutschlands größtem Open Air bestanden hat. Was bislang kein Störtebeker-Darsteller tat: Sichtlich gerührt bedankte er sich am Ende des Stückes bei den vielen Helfern von Ton, Maske, Bühnenbild und Licht, ohne die die aufwendige Produktion nicht möglich gewesen wäre. Für diese Geste heimste er viele Sympathiepunkte beim Publikum ein.

Die 4,5 Millionen Euro teure Produktion „Beginn einer Legende“ erzählt, wie der junge Landadlige Klaus von Alkun angesichts herber persönlicher Schicksalsschläge zunächst neue Freunde wie Goedeke Michels (Andreas Euler) gewinnt, zum Piratentum und zu seinem Namen Störtebeker („Stürz den Becher“) kommt. Um die wenigen verbürgten historischen Fakten über das Leben des wahren Störtebeker entstand unter der Regie von Kai Maertens ein vom Publikum immer wieder mit Zwischenapplaus bedachtes kurzweiliges Stück mit Musik, effektvollen Stunts und romantischen Szenen.

Rund 140 Darsteller agierten auf der Bühne vor der imposanten Kulisse der Wismarer Kirche St. Nikolai und eines kleinen mecklenburgischen Dorfes – das in der Abenddämmerung vor den Augen der Zuschauer wirkungsvoll niederbrennt. Für das mittelalterliche Volk, Soldaten oder Seeräuber sorgen 107 Statisten, mit denen Maertens schöne Bilder auf der 80 Meter breiten Bühne gelingen. Die Musik, motivisch den einzelnen Schauplätzen Kirche, Dorf oder Kneipe zugeordnet, wirkt wie ein permanenter Klangteppich, wie man ihn aus Kinofilmen kennt.

„Dieses Stück hatte mehr Witz und Charme als das aus dem Vorjahr“, strahlte die Berlinerin Carolin Römer nach der Premiere. Die Geschichte sei verständlich und kurzweilig erzählt worden. Obwohl eingeschworener Fan des früheren Störtebeker-Darstellers Sascha Gluth habe sein Nachfolger den Freibeuter ausgesprochen gut verkörpert, sagte die 30-Jährige.

Zur Story: Im Jahr 1391 kehrt Klaus von Alkun (Bastian Semm) nach dem verlorenen Krieg der Mecklenburger gegen die Schweden in seine Heimat zurück. Das Anwesen seiner Familie ist hoch verschuldet, gerät wegen seiner attraktiven Lehmvorkommen in den Blick des skrupellosen Wismarer Kaufmanns Langendoorp (Dietmar Lahaine). Klaus muss nicht nur den Verlust des väterlichen Gutes verschmerzen, auch sein Vater (Norbert Braun) und seine Geliebte (Sarah Hannemann) werden Opfer der Intrigen. Enttäuscht von dem Erlebten gibt es nichts mehr, was ihn an vorgegebene Strukturen bindet. Er beschließt als Likedeeler zu kämpfen – „als ein Wolf der Meere, als Gottes Freund und aller Welt Feind“.

Die Theatermacher in Ralswiek hoffen nach drei eher durchwachsenen Sommern auf gutes Wetter. Die Festspielleitung zeigte sich mit dem Kartenvorverkauf zufrieden, wollte aber keine Zahlen nennen. Das Stück wird bis 7. September noch weitere 66 Mal gezeigt. Die Störtebeker-Festspiele zählten im Durchschnitt jährlich mehr als 350 000 Besucher.

Bereits am Freitagabend starteten zwei weitere Freilichttheater in Mecklenburg-Vorpommern in die Saison. In Grevesmühlen begann das Piraten-Open-Air, ein auf Familien orientiertes Theater-Event mit vielen Stunts und pyrotechnischen Effekten. Zu 68 Vorstellungen erwartet Geschäftsführer Matthias Sievert bis zum 7. September rund 50 000 Besucher. In Neustrelitz öffnete sich bei den Schlossgartenfestspielen der Premierenvorhang für die Operette „Gräfin Mariza“ von Emmerich Kalman. Sie soll bis zum 14. Juli insgesamt 15 Mal unter freiem Himmel gespielt werden.