Schichtarbeiter haben auch an Feiertagen Dienst. Die Kita betreut rund ums Jahr den Nachwuchs von Ärzten, Polizisten, Busfahrern oder Pflegekräften.
Schwerin. Jasper greift zu den Sternen: Der zweijährige Schweriner sticht Weihnachtsplätzchen aus. Auch Monde, Herzen und kleine Tannenbäume landen auf dem Backblech. Hilfe bekommt er von seinen Kindergartenfreunden und Erzieherin Nadine Käker in Schwerins erster 24-Stunden-Kindertagesstätte. Mit der Rund-um-die-Uhr-Betreuung für Babys, Klein- und Vorschulkinder ist Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt – neben einigen privaten Initiativen – Vorreiter in Deutschland, wie Leiterin Grit Brinkmann sagt. Wegen der vielen Nachfragen richte sich das kommunale Angebot für 365 Tage und Nächte im Jahr ausschließlich an Schichtarbeiter.
Zwar sei für den späten Heiligabend bisher noch kein Kind angemeldet, sagt Brinkmann. Dennoch habe die Kita „nidulus“ (lateinisch: „Nestchen“) auch über die Feiertage durchgehend geöffnet. Am 24. Dezember bis Nachmittag sowie vom ersten Feiertag an würden Kinder betreut und auch in der Kita übernachten, weil die Eltern bei Polizei oder Feuerwehr, in Krankenhaus oder Pflegeheim arbeiteten, erklärt Brinkmann. Für die Neujahrsnacht gebe es bisher keine Anmeldung, aber am Silvestertag sowie dem 1. Januar von fünf Uhr früh an sei die Kita gefragt. „Rettungskräfte sind gerade an Festtagen nötig, und auch Polizisten und Krankenpfleger haben Kinder“, so die Pädagogin.
Für Erzieher Steffen Häuser ist Weihnachten in der 24-Stunden-Kita die schönste Zeit des Jahres. „Wir arbeiten jetzt mit viel Musik, lesen oft Geschichten vor und erzählen Märchen“, sagt der junge Mann. Privat sei er eher kein Freund vom Weihnachtsrummel. Zusammen mit Kindern aber erlebe er die Feiertage intensiver. „Wir sollten uns an den Jüngsten orientieren, Kinder empfinden noch echte Vorfreude aufs Fest“, sagt er.
Unterdessen bugsiert Nadine die ausgestochenen Kekse in den Ofen. „Mit selbst gebackenen Plätzchen bedanken sich die Lütten auch bei den Küchenfrauen, die uns rund ums Jahr bekochen“, sagt sie. Der Weihnachtsmann werde im „Nestchen“ dann drei Tage vor Heiligabend erwartet. Er bringt jedem Kita-Kind vorab ein Geschenk.
Schwerin hat vor drei Jahren eine der ersten 24-Stunden-Tagesstätten bundesweit aus der Taufe gehoben. Deutschlands kleinste Landeshauptstadt zählt nur 95 000 Einwohner. Laut Statistik arbeiteten 22 000 bis 25 000 Schweriner in Schichten, davon seien etwa ein Drittel Frauen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren sowie viele junge Elternpaare, erklärt Anke Preuß, Geschäftsführerin der Kita gGmbH.
Das städtische Unternehmen ist Schwerins größter Kita-Träger und bietet gut 2500 Betreuungsplätze an 24 Standorten. Ende 2009 wurde auf dem Gelände der Helios-Kliniken die 24-Stunden-Kita samt Garten und Spielplatz neu gebaut. Mit der Schicht-Kita sichere sich das Klinikum auch seine Fachkräfte, betont ein Verwaltungsmitarbeiter von Helios.
Nicht nur Ärzte, Schwestern und Pfleger wissen ihren Nachwuchs im „nidulus“ gut aufgehoben. Auch Busfahrer, Köche, Kellner und Verkäuferinnen seien auf die begehrten Betreuungsplätze mit Ganztagskonzept und Vollverpflegung angewiesen, so Preuß. „Das ist keine Elite-Kita, sondern ein Angebot für all jene, die regelmäßig abends, nachts, an Wochenenden und Feiertagen arbeiten müssen.“ Brinkmann ist überzeugt: „Die Einrichtung bietet Eltern die Sicherheit, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen.“
Vor allem in Randzeiten, an Sonn- und Feiertagen, mangelt es bundesweit an Betreuungsmöglichkeiten, während Berufstätige zunehmend auch nachts und an Wochenenden arbeiteten, wie ein Sprecher der Arbeitsagentur Nord in Kiel erklärt. In Mecklenburg-Vorpommern seien insbesondere alleinerziehende Frauen in Gastronomie, Einzelhandel, sozialen Berufen oder der Gesundheitsbranche auf flexible Kitazeiten angewiesen, hieß es.
So sind die 58 Plätze in Schwerins „Nestchen“ trotz der um rund hundert Euro höheren monatlichen Kosten für die Eltern derzeit voll belegt. In zwei Jahren kämen die ersten 24-Stunden-Kitakinder in die Schule, sagt Grit Brinkmann. Die dann frei werdenden Plätze seien schon reserviert, oft für neugeborene Geschwister. Wegen des Runs auf die Rund-um-die-Uhr-Betreuung wolle die Stadt 2014 eine zweite 24-Stunden-Kita für 60 Kinder eröffnen, so Anke Preuß.
Bundesweit müssen vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz für unter Dreijährige ab August 2013 die Angebote erheblich ausgebaut werden. Laut aktuellen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes fehlen noch immer 220 000 Plätze. Der Statistik zufolge wird derzeit im Westen nur etwa jedes fünfte Kleinstkind tagsüber in einer Einrichtung betreut, im Osten ist es jedes zweite.
Die Betreuung von Kindern in Tagesstätten in Mecklenburg-Vorpommern insgesamt ist erneut gestiegen. Im März 2012 wurden im Nordosten insgesamt 98 738 Kinder unter 14 Jahren in Krippen, Kindergärten und Horten oder einer Tagespflege betreut, wie das Statistische Amt am Montag in Schwerin mitteilte. Das waren 2 250 Kinder oder 2,3 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Kitas insgesamt beschäftigten fast 13 800 Mitarbeiter, davon waren knapp 1500 als selbstständige Tagesmütter und -väter tätig.
Jedes zweite Kind unter drei Jahren wurde im letzten Jahr in einer Kindertagesstätte oder Tagespflege betreut, das waren 2,8 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Fast jedes vierte Kleinkind wurde von einer Tagesmutter versorgt.
Bei den Drei- bis Fünfjährigen erhöhte sich die Zahl der betreuten Kinder um drei Prozent auf gut 37 000 Mädchen und Jungen. 98,5 Prozent der Kinder dieser Altersgruppe besuchten eine Tagesstätte. Bei den Schulkindern von sechs bis elf Jahren nutzten 64 Prozent am Nachmittag den Hort.