Er besucht einen Windpark, füttert Seehunde und wiegt sich. Gewichtige Aussagen kamen bei der Reise des Ministers bis jetzt noch nicht heraus.

Friedrichskoog/Bremerhaven. Die Politik muss sich nach Ansicht von Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) auf neue Weise dem Umwelt- und Naturschutz widmen. Diesem müsse wieder jene Bedeutung gegeben werden, die ihm im Bewusstsein der Bürger längst zukomme, sagte Altmaier am Montag während seiner viertägigen Sommerreise in Norddeutschland. „Die Umsetzung der Energiewende bietet dazu die Möglichkeit.“

Im Zentrum der Reise stehen den Angaben zufolge die Themen Energieerzeugung, -transport und – effizienz. Altmaier besuchte am selben Tag den ersten deutschen Offshore-Windpark „alpha ventus“ nördlich der Nordseeinsel Borkum. Anschließend wollte er in Varel, Bremerhaven und Cuxhaven Gespräche in Unternehmen aus der Offshore-Branche führen.

Während der Reise rauschen am Busfenster Peter Altmaiers Probleme vorbei. „Ah, ein Maisfeld“, sagt der Umweltminister. Es erinnert ihn an die Probleme durch den massiven Maisbedarf für die Stromgewinnung in Biogasanlagen. Die Monokulturen haben eine neue Wortschöpfung hervorgebracht: Vermaisung. In Ländern wie Niedersachsen wird auf fast jedem zweiten Acker Mais angebaut, was die Böden auslaugt und dem Getreideanbau für die Brotproduktion Konkurrenz machen kann. Ein paar Kilometer weiter: große Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Viehställen. Der Solarboom treibt den Strompreis der Bürger.

Der CDU-Minister ist auf dem Weg zur nicht gerade sonnenverwöhnten Nordseeküste, „Energiewende vor Ort“ lautet das Motto von Altmaiers viertägiger Sommerreise durch die Republik. Erster Halt bei der Seehundstation Friedrichskoog in Schleswig-Holstein. Mit Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck (Grüne) füttert Altmaier Seehunde, das gibt schöne Bilder. Dann klettert er kurz auf eine Seehundwaage, 141 Kilo blitzen an der blauen Digitalanzeige auf. „Die Waage ist nicht geeicht“, sagt der gut genährte Saarländer.

Aber die Waage ist ein gutes Bild, auf Schritt und Tritt wird der 54-Jährige damit konfrontiert, dass er bei den Problemen der Energiewende abwägen muss. Was tun gegen die Konkurrenz von Tank und Teller, die durch tausende Biogasanlagen verschärft wird? Den Biosprit E10 und die Biomasse-Förderung abschaffen? Wie soll dann aber mehr für den Klimaschutz getan werden? Und was würde mit der Bioenergie-Branche passieren? Zum Ruf von Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) nach einem E10-Aus wegen der Rekordstände bei Getreidepreisen will Altmaier sich bisher nicht äußern.

Intern aber rechnet sein Ministerium längst durch, ob es tatsächlich einen Zusammenhang zwischen E10 und Nahrungskrisen geben könnte. Er bleibt seiner Art treu, nicht auf jede Forderung eines FDP-Ministers zu reagieren, so schweigt er auch zum Ruf des Koalitionspartners nach einer Abschaffung der von allen Bürgern über den Strompreis zu zahlenden Ökostrom-Förderung. Altmaiers Credo: Substanz statt Schnellschüsse.

An der Küste stellt sich die Frage, wie Windparks in der Nordsee gebaut werden können, ohne dass Seehunde und Schweinswale vor Lärm krank werden? „Hier hier wird uns die Verletzlichkeit der Natur vor Augen geführt“, betont Altmaier. Der Landrat von Dithmarschen, Jörn Klimant, klagt zudem, dass in Schleswig-Holstein bereits jährlich zweistellige Millionenbeträge Entschädigung für Windparks gezahlt werden müssen, die mangels Netzen ihren Strom nicht einspeisen können. Der Ausbau müsste mit dem Netzausbau synchronisiert werden.

Altmaier muss auch hier wägen. Wie das Tempo drosseln, ohne den Ökoenergie-Ausbau abzuwürgen? Wie dafür sorgen, dass Wind- und Solarparks da gebaut werden, wo man sie braucht, und nicht jedes Land nach Gutsherrenart eigene Energieziele verfolgt? Und wie lässt sich eine soziale Schieflage verhindern? Einkommensschwache müssen über ihren steigenden Strompreis auch die Renditen von Solaranlagenbesitzern und Bioenergie-Bauern bezahlen.

„Ich bin ein lernendes System“, sagt Altmaier. Er wägt und wägt und hofft zusammen mit den Bundesländern noch 2012 auf einen Konsens in den grundlegenden Fragen, wie die Wende ausgesteuert werden soll. Je tiefer er bohrt, desto größer werden die Probleme. Ist das nicht zum Verzweifeln? „Für mich ist das ein Jungbrunnen“, erwidert Altmaier. Er scheint die großen Herausforderungen zu lieben.

Nachdem ihm die Seehunde die Fische aus der Hand gefressen haben, stapft er über den grünen Deich Richtung Wattenmeer. Die 17-jährige Jule Neumann, die einen Freiwilligendienst in der Schutzstation Wattenmeer absolviert, zeigt ihm einen Wattwurm. „Der rotiert ja richtig“, meint Altmaier. Die hochgekrempelte schwarze Anzughose ist ganz vermatscht, aber er schafft es, nicht in das Watt zu platschen.

Für die Fotografen posiert Altmaier einsam im Watt, das Zeigen auf irgendetwas ist zu seinem Markenzeichen geworden. Nun zeigt er im Abendlicht mit dem Finger auf das Watt hinaus. Dummerweise genau auf die einzige deutsche Ölbohrplattform Mittelplate. Aber irgendwie passt es auch. Er will Ökologie und Ökonomie miteinander versöhnen und sieht sich daher auch als Wirtschaftspolitiker. Das Problem: Der zweite Energiewendeminister wird so etwas an den Rand gedrängt.

Altmaier hat kein Problem damit, sich auch zur Ölförderung im Wattenmeer zu äußern. Auch wenn es eigentlich der Bereich von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ist. Mit Blick auf RWE-Anträge für eine Förderausweitung sagt er, es gebe gute Gründe für die Ölförderung, um weniger abhängig von Importen zu sein. Auch hier müssten Chancen und Risiken abgewogen werden. Habeck muss da schlucken – mehr Öl, so sieht seine Energiewende nicht aus.

Mit Informationen von dapd und dpa