Besucher des Ufergottesdienstes in der Kapelle Vitt entzünden Andachtskerzen. Der Vater des Opfers dankt den Rettungsteams.

Kap Arkona. In der kleinen Kapelle des früheren Fischerdorfes Vitt auf Rügen haben am Silvesterabend mehr als 50 Menschen mit einem Ufergottesdienst der seit Montag am Kap Arkona vermissten Katharina N. gedacht. Viele Gäste entzündeten Andachtskerzen für das bei einem Küstenabbruch an der nahegelegenen Steilküste vermutlich verschüttete zehnjährige Mädchen und seine Familie.

Das Unglück am zweiten Weihnachtsfeiertag erinnere die Menschen daran, dass die Natur unbeherrschbar sei und respektiert werden müsse, sagte Putgartens Pfarrer Christian Ohm in seiner Neujahrspredigt. Gerade an der Küste, wo die Elemente aufeinanderträfen, könne man die Risiken nur schwer einschätzen. Daher seien Demut gegenüber der Natur und gegenseitige Verantwortung gegenüber allen Mitmenschen geboten.

Ohm sagte, die Gedanken der Menschen auf Rügen gelten an diesem letzten Tag im Jahr in besonderem Maße der Familie. Zugleich dankte er den mehr als 150 freiwilligen Helfern, die auch nach Wetterbesserung die Suche nach dem aus Nordbrandenburg stammenden Mädchen wieder aufnehmen wollten.

Nur etwa 1.500 Menschen am Silvestertag am Kap

Das traditionelle Höhenfeuerwerk vor den beiden Leuchttürmen am Kap Arkona hatte die Gemeinde abgesagt. Stattdessen gab es ein besinnliches Silvesterfest mit Lagerfeuer, zu dem die Wieker Blasmusiker auf der Aussichtskanzel des alten Schinkel-Leuchtturms spielten. Bereits am frühen Nachmittag hatten etwa 50 Menschen mit einer Schweigeminute an das Schicksal des Mädchens erinnert. Vor der ehemaligen Nebelsignalstation unmittelbar an der Absturzstelle hielten die Teilnehmer der traditionellen Silvester-Sturmwanderung für einen Moment inne.

+++ Gedenken an die vermisste Katharina +++

+++ Hilfskräfte stellen Suche nach verschüttetem Mädchen ein +++

Nach Angaben von Putgartens Bürgermeister Ernst Heinemann (Bündnis für Rügen) hatten am Sonnabend mehr als 1.500 Menschen das Kap besucht. Für gewöhnlich kämen zum Jahreswechsel bis zu 10.000 Gäste an Rügens Nordspitze, sagte er. Zugleich kündigte er an, dass der Förderverein Kap Arkona in den kommenden Monaten in den ehemaligen Bunkeranlagen am Kap eine mahnende Ausstellung über Rügens Steilküsten organisieren werde.

Vater des Mädchens lobt Einsatz der Such- und Rettungsteams

Unterdessen hat der Vater des vermissten Mädchens, Bernd N., den seit Tagen im Einsatz befindlichen Such-und Rettungsteams gedankt. Die Männer und Frauen, die unter Einsatz ihrer Gesundheit und ihres Lebens nach seinem Mädchen suchten, verdienten seinen Dank und seine Anerkennung, sagte er in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd. Neben allem Leid, das seine Familie in diesen Stunden ertragen müsse, sei es ein Trost zu sehen, wie viele Menschen Anteilnahme an ihrem Schicksal nähmen. „Der Schmerz ist ungeheuerlich. Aber es ist tröstend zu sehen, dass in unserer Gesellschaft die Menschen in der Not so sehr zusammenrücken und einander helfen.“

Bernd N. hatte bereits am Freitag die Absturzstelle am Strand der Arkona-Steilküste besucht und mit Vertretern der Gemeinde und des Katastrophenstabes gesprochen. Er sagte, er hoffe sehr, dass die Suche nach Katharina bald wieder aufgenommen werden könne. Zuvor hatte er seine aus Nordbrandenburg stammende Frau und seine 14-jährige Tochter im Klinikum Greifswald besucht, die den Kreideabsturz überlebt hatten. Den beiden gehe es den Umständen entsprechend, sagte er.

Am Montagnachmittag waren mehrere Tausend Kubikmeter Kreide und Mergel aus dem 38 Meter hohen Steilküstenhang gebrochen. Die Geröllmassen erfassten eine Frau und ihre beiden Töchter, die zu diesem Zeitpunkt unterhalb des instabilen Kliffs spazierten. Eine hinter ihnen laufende Familie hatte das Unglück beobachtet und sofort Hilfe geholt. Während die 41-jährige Mutter schwer und die 14-jährige Tochter leicht verletzt wurde, fehlt von der zehnjährigen Katharina jede Spur. Die Bergungsarbeiten mussten in der Nacht zum Freitag wegen Hochwassers unterbrochen werden.

Am Silvestesrtag kam es an Rügens Steilküste erneut zu einem Abbruch von Kreide. Dieses Mal sei der Bereich der Wissower Klinken betroffen, teilte ein Polizeisprecher in Neubrandenburg mit. Menschen seien nach derzeitigem Erkenntnisstand nicht betroffen. Der Abbruch ereignete sich um 14.16 Uhr. Die genaue Menge konnte zunächst nicht geschätzt werden, weil dichter Nebel die Sicht sehr einschränkte.

Polizei warnt vor weiteren Abbrüchen

Laut Wettervorhersage wird bis 1. Januar ein Pegelstand von 70 Zentimetern über dem Normalpegel bestehen bleiben. Aufgrund der feuchten Wetterlage kommt es laut Polizei immer wieder zu nicht vorhersehbaren kleineren, aber auch größeren Abbrüchen. Folglich weisen die Beamten die Urlauber und Einwohner auf der Insel Rügen nochmals ausdrücklich auf die Gefahren hin, die Spaziergänge unterhalb der Steilküsten in sich bergen. Die Polizei möchte, dass Warnungen und Absperrungen ernst genommen werden.

An den Wissower Klinken unmittelbar neben dem Königsstuhl im Nationalpark Jasmund brechen seit Jahren immer wieder zig Kubikmeter Kreide ab und stürzen auf den darunter liegenden Strand. Im Februar 2005 etwa lösten sich große Teile der Wissower Klinken von der Steilküste. Etwa 50.000 Kubikmeter Kreide fielen damals in Brocken auf den Strand. Rügen verlor damit eines seiner Wahrzeichen. Nahe der Wissower Klinken hatte es zuletzt im Sommer 2011 Abbrüche gegeben.