Stürmisches Wetter und drohende Erdrutsche lassen weitere Suchmaßnahmen voraussichtlich erst im neuen Jahr zu.

Kap Arkona. Die Suche nach dem auf Rügen bei einem Erdrutsch verschütteten Mädchen kann voraussichtlich erst im neuen Jahr wieder aufgenommen werden. Stürmisches Wetter und der nach wie vor instabile Steilhang verhindern eine Rückkehr der am Dienstag abgezogenen Suchmannschaften an die Unglücksstelle. Die Suche nach dem verunglückten Mädchen aus Brandenburg kann daher aller Voraussicht nach erst im neuen Jahr wieder aufgenommen werden.

„Wir waren am Morgen am Unfallort. Der Sturm drückt das Wasser auf den Strand und im Steilhang werden die Risse immer breiter. Es wäre nicht zu verantworten, jetzt wieder Rettungskräfte dort hinzuschicken“, sagte Einsatzleiter Daniel Hartlieb. Die Wetteraussichten ließen auch für die kommenden Tage keine grundlegende Besserung erwarten. Der stellvertretende Landrat von Vorpommern-Rügen, Lothar Großklaus (CDU), kündigte für Freitag eine weitere Beratung mit Rettungskräften und Kommunalpolitikern am Kap Arkona an. „Wir wollen schauen, wie wir weiter verfahren können. Hoffnung, das Kind lebend zu finden, gibt es aber nicht mehr“, erklärte er. Das Areal rund um die Unglücksstelle bleibe bis auf weiteres gesperrt, das traditionelle Silvester-Höhenfeuerwerk am Kap Arkona sei abgesagt worden.

Sowohl Großklaus als auch Hartlieb machten deutlich, dass die Suche nach der Zehnjährigen möglichst rasch fortgesetzt werden solle. Doch müsse sich das Wetter erst beruhigen. „Wir wollen sie aber finden und sobald wie möglich die Suche fortsetzen. Das ist wichtig auch für die Mutter und die Schwester“, sagte Hartlieb.

An der Nordspitze Rügens waren am Montag nach tagelangem Regen aus dem fast 40 Meter hohen Steilufer mehrere tausend Kubikmeter Kreide und Mergel in die Tiefe gestürzt und hatten eine Frau aus Nordbrandenburg mit ihren beiden 10 und 14 Jahre alten Töchtern erfasst. Die Familie war dort zu einem Weihnachtsspaziergang unterwegs. Das ältere Mädchen und die Mutter, die dem Vernehmen nach Beinbrüche erlitt, wurden gerettet. Die Zehnjährige wird vermisst. Am Dienstag war die Suche aus Sicherheitsgründen abgebrochen worden.

Nach dem tragischen Unglück wird der Schutz der Feriengäste vor gefährlichen Küstenabbrüchen auf Rügen zunehmend zum Thema. „Wir haben 1000 Kilometer Küste. Da wäre es für den Tourismus durchaus zu verschmerzen, zwei oder drei besonders gefährdete Strandkilometer an Steilufern für Spaziergänger zu sperren“, sagte Vize-Landrat Großklaus. Doch müssten vor solchen Entscheidungen Kommunalpolitiker, Behörden und Verbände einbezogen werden. „Was wir nicht brauchen, sind Schnellschüsse und zusätzliche Bürokratie“, betonte er. Der Landestourismusverband und auch Umweltminister Till Backhaus (SPD) hatten sich dagegen ausgesprochen, Steilküsten grundsätzlich zu sperren. Die bis zu 100 Meter hohen Kreidefelsen bei Sassnitz und auch die Steilküste am Kap zählen zu den besonderen Anziehungspunkten der Insel Rügen. „Man kann sie sich auch sehr gut auf Schiffen vom Boot aus ansehen. Das ist auf jeden Fall sicherer“, sagte Großklaus.

Hartlieb hält eine eindringlichere Warnung der Feriengäste vor den Gefahren der Steilküsten für dringend geboten. Sowohl Tourismusverbände als auch Hoteliers und Privatvermieter sollten mehr aufklären. „Ich als Rüganer würde an der Steilküste nicht spazierengehen. Mir sind die breiten Sandstrände an der Schaabe oder bei Binz lieber – und sie sind sicher“, sagte Hartlieb. Warnschilder und Aufklärungsblätter haben nach Einschätzung von Vize-Landrat Großklaus in der Vergangenheit ihre Wirkung aber weitgehend verfehlt. „Es wurden Tonnen von Papier bedruckt. Manche können oder wollen nicht lesen und begeben sich so fahrlässig in Gefahr“, sagte er. Geologen hatten jedoch darauf hingewiesen, dass Hangabbrüche Teil der natürlichen Küstendynamik und kaum vorhersehbar seien. So hatte es den Angaben zufolge an der jüngsten Unglücksstelle am Kap Arkona seit gut 100 Jahren keinen solch großen Erdrutsch gegeben.

+++ Hilfskräfte stellen Suche nach verschüttetem Mädchen ein +++

Die Staatsanwaltschaft Stralsund hat unterdessen allgemeine Vorermittlungen zu dem Unglück begonnen. Dabei werde zunächst nur geprüft, ob gegen jemanden ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden müsse, erläuterte Behördensprecher Rolf Kuhlmann. Das könnten etwa Verantwortliche sein, die möglicherweise für eine Sperrung des Küstenabschnitts hätten sorgen müssen. Ermittlungen gegen die Mutter des verschütteten Mädchens schloss er aus: „Das sehe ich zur Zeit wirklich nicht“, sagte der Staatsanwalt. Der Frau sowie weiteren Urlaubern, die unterhalb der Steilküste spazieren gegangen waren, war vereinzelt Leichtsinn vorgeworfen werden.