Staatsanwalt fordert vier Jahre und drei Monate Gefängnis. Weiterhin soll der Angeklagte 10 000 Euro Schmerzensgeld an Frau zahlen

Kiel. Wegen Menschenhandels, Zuhälterei und gefährlicher Körperverletzung soll der ehemalige Chef der inzwischen verbotenen Rocker-Bande Bandidos für vier Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Diese Gesamtstrafe forderte Oberstaatsanwalt Alexander Ostrowski am Donnerstag vor dem Kieler Landgericht. Die Verteidigung verlangte drei Jahre und neun Monate Haft. Der 48-Jährige Angeklagte hatte zuvor am 19. Verhandlungstag nach einer Vereinbarung zwischen Gericht, Ankläger, Nebenklägerin und Verteidigung überraschend die Taten eingeräumt. Er verpflichtete sich zugleich, einer von ihm jahrelang mit massiver Gewalt zur Prostitution gezwungenen jungen Frau mindestens 10 000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen.

„Ich habe noch nie oder nur ganz selten ein Geständnis von einem Rocker gehört“, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. „Auch ein Schmerzensgeld wurde noch nie gezahlt“, sagte Ostrowski. Gemäß der Absprache wurde ein Teil der Anklagevorwürfe eingestellt und die maximale Strafhöhe auf fünf Jahre und vier Monate begrenzt. Der Staatsanwalt wies darauf hin, dass wie üblich in Rockerverfahren viele Zeugen gemauert und sich nicht erinnert hätten. Selbst ein vom Angeklagten lebensgefährlich verletzter Rocker der Hells Angels „hatte offenbar kein Interesse an der Aufklärung“, sagte Ostrowski.

Die damals 21-Jährige hatte sich in den 20 Jahre älteren Mann verliebt, der sie zum Essen ausführte und auf seinem Motorrad kutschierte. Sie ließ sich demnach anfangs freiwillig auf die Prostitution ein. Dann aber zwang er sie laut Anklage von 2005 bis 2008 mit massivsten Drohungen zur Prostitution und kassierte ab. „Du gehörst mir!“ und „Ich zerschneide Dir Dein Gesicht“, soll er auf ihre Ausstiegsversuche gedroht haben. Er ließ sie unter anderem in Kiel, Timmendorf und Hamburg anschaffen und auch per Video überwachen.

Im Prozess hatte die heute 29-Jährige mehrere Tage ihr Martyrium geschildert. Sie ist Nebenklägerin und lebt im Zeugenschutzprogramm unter anderer Identität an einem unbekannten Ort. Um dem Angeklagten zu entkommen, hatte sie sich in ein Frauenhaus retten können. Er versuchte ihr aber auch dort nachzustellen.Der 48 Jahre alte und mehrfach vorbestrafte Angeklagte gestand mit seiner kurzen Erklärung auch, dass er im September 2009 auf der BAB 7 bei Flensburg den Rocker der rivalisierenden Hells Angels zusammengeschlagen und lebensgefährlich verletzt hatte. Zuvor wurde ein Mitglied der Bandidos auf seinem Motorrad von der Autobahn abgedrängt und schwer verletzt. (dpa)