Seit Ende Oktober wird in Europa leicht erhöhte Strahlung durch das radioaktive Jod gemessen. Experten rätseln über die Quelle.
Wien/Berlin/Prag. Experten sind besorgt: In mehreren Gegenden Europas sind Spuren von radioaktivem Jod gemessen worden. In Tschechien und anderso seien die radioaktiven Jod-131-Teilchen entdeckt worden. DIe teilte die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEO) am Freitag in Wien mit. Die Behörde gab aber Entwarnung: Es sei nicht davon auszugehen, dass das Jod eine Gesundheitsgefahr darstelle. Die IAEO versuche derzeit, die Herkunft der radioaktiven Teilchen zu klären. Ausgeschlossen wird unterdessen, dass die Teilchen aus Japan stammen, wo im März mehrere Atomreaktoren durch einen Tsunami schwer beschädigt worden waren und viel Strahlung frei wurde. Das Jod-Isotop 131 wird für Krebs-Erkrankungen verantwortlich gemacht und kann Lebensmittel wie Milch und Gemüse verseuchen. Es hat eine kurze Halbwertszeit von acht Tagen.
Auch in Deutschland sind leicht erhöhte Strahlungen von radioaktivem Jod gemessen worden. Eine Sprecherin des Bundesumweltministeriums bestätigte am Freitag, dass ähnlich wie in Tschechien auch im Norden Deutschlands entsprechende Werte festgestellt wurden. Sie seien allerdings so gering, dass sie kaum nachzuweisen gewesen wären. Die natürliche Hintergrundstrahlung sei etwa einhundert mal höher. "Es ist daher ausgeschlossen, dass die Strahlung von einer kerntechnischen Anlage stammt“, sagte die Sprecherin.
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Die Chefin der tschechischen Atomsicherheitsbehörde, Dana Drabova, sagte, ihre Mitarbeiter hätten radioaktives Jod 131 seit Ende Oktober an einer ganzen Reihe von Messstellen entdeckt. Die radioaktiven Teilchen stammten mit Sicherheit nicht von einem Atomkraftwerk. Möglicherweise seien sie bei der Herstellung radioaktiver Medizinprodukte entwichen, zu denen etwa Kontrastmittel zählten. "Unsere Strahlen-Messstellen haben die Substanz entdeckt, deren Quelle sich aber mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Ausland befindet“, sagte Dragova.
"Wir machen uns aber Sorgen, denn irgendwo muss es eine Quelle geben“, hieß es aus dem Umfeld der Behörde. Demnach gab es Messungen in Österreich, Tschechien und Ungarn. Jod 131 könnte bei einem Atomunfall freigesetzt werden, die Substanz könnte aber auch aus einer Anlage stammen, in der radioaktive Pharmazeutike produziert werden. Nach Angaben des österreichischen Gesundheitsministeriums werden Menschen bei einem Transatlantik-Flug einer radioaktiven Dosis ausgesetzt, die 40.000mal so hoch ist wie die jetzt gemessenen Spuren.
Der Leverkusener Pharma- und Chemiekonzern Bayer erklärte, aus seinen Werken stamme die radioaktive Substanz nicht.
Die IAEO kündigte an, sie werde weitere Informationen über ihre Internet-Seite bekanntgeben, sobald diese verfügbar seien. Beim schwersten Atom-Unglück der Geschichte seit Tschernobyl 1986 war es im Atomkraftwerk im japanischen Fukushima im März nach einem schweren Erdbeben und Tsunami zur Kernschmelze gekommen. Durch die Reaktor-Katastrophe wurden radioaktive Substanzen frei, darunter auch Jod. In den Tagen und Wochen nach dem Unglück wurden geringste Spuren von Jod 131, die vermutlich aus dem Katastrophengebiet in Japan stammten, in Island, Europa und den USA entdeckt. (abendblatt.de/reuters/dpa)