Die Bauern hatten nach dem verregneten Sommer auf einen Endspurt in der Ernte gehofft. Doch nun müssen sie bangen, vor allem ums Getreide.

Hannover/Berlin. Das extreme Wetter in diesem Jahr hat den deutschen Bauern eine magere Getreide- und Rapsernte beschert. Bei Getreide lag sie mit rund 39 Millionen Tonnen um zwölf Prozent unter dem Vorjahresergebnis, wie der Deutsche Bauernverband (DBV) am Donnerstag in Berlin mitteilte. Bei Raps sei die Erntemenge sogar um 34 Prozent auf 3,7 Millionen Tonnen zurückgegangen. Die schlechte Getreideernte, die weltweite Knappheit bei Nahrungsmitteln sowie steigende Kosten für Löhne, Düngemittel und Energie werden dem Bauernverband zufolge zu steigenden Nahrungsmittelpreisen führen. Der Anstieg dürfte aber im Rahmen der allgemeinen Inflationsrate bleiben, sagte der Vorsitzende des DBV-Fachausschusses für Getreide, Klaus Kliem.

Kliem wies darauf hin, dass die diesjährige Ernte auch im langjährigen Vergleich klein ausgefallen sei. „Die extrem ungünstige Witterung während der gesamten Vegetationsphase hat unsere diesjährige Ernte auf das Niveau des extrem trockenen und heißen Jahres 2003 fallen lassen“, sagte Kliem.

Mit den aktuellen Erzeugerpreisen seien die Ackerbauern zufrieden, sagte Kliem. Einkommen erzielen könnten allerdings nur jene Landwirte, die auch etwas zu verkaufen hätten. „Oft bereitet es aber schon größte Mühe, die geschlossenen Vorverträge einhalten zu können“, sagte Kliem. Zudem erreiche Brotgetreide vielfach nur noch die Qualität von Futtergetreide. Dazu komme, dass die schlechten Erntebedingungen die Kosten erheblich steigen ließen, vor allem durch zusätzliche Trocknung.

Angesichts der „turbulenten Ernte“ bräuchten die Bauern dringend eine Möglichkeit, Markt- und Einkommensschwankungen abzupuffern, sagte Kliem. Gegen den Vorschlag einer steuerfreien Risikoausgleichs-Rücklage in der Bilanz sperre sich Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aber noch. Mit dieser Rücklage sollten Landwirte in guten Jahren steuerneutral Rücklagen bilden, die sie in schlechten Zeiten wieder auflösen und versteuern, erläuterte Kliem.

Gute Ernteaussichten gibt es dem Verband zufolge bei Zuckerrüben und Mais. Auch das Grünland habe sich durch den Sommerregen erholt. Bei Kartoffeln seien die Bedingungen jedoch zunehmend schwierig, weil die Flächen in Teilen Deutschlands nicht befahren werden könnten. Die Obsternte aber falle in diesem Jahr erneut gut durchschnittlich aus. Bei der wichtigsten Kultur, dem Apfel, erwartet der Verband einen Anstieg der Erntemenge um 7 Prozent auf rund 896.000 Tonnen. Die Gemüsebauern litten immer noch unter der EHEC-Krise, sagte Kliem. Bei Gurken, Tomaten und Blattsalat sei der Verkauf immer noch stockend. Die ökonomische Situation in den Erzeugerbetrieben sei „hundsmiserabel“.

Auch die niedersächsischen Landwirte bangen nach dem enttäuschenden Verlauf der Getreideernte um die letzten Bestände auf den Feldern. Wegen der starken Regenfälle der vergangenen Wochen hätten viele Bauern vor allem an der Nordseeküste, in den Flussmarschen und im Süden des Landes ihre Arbeit noch nicht abschließen können.

Aus Sicht des Bauernverbands in Hannover könnte das launische Wetter die Hoffnung auf einen guten Endspurt zunichtemachen. Die Erwartung des Landesbetriebs für Statistik, dass der Gesamtertrag noch leicht auf 5,4 Millionen Tonnen zulegen dürfte, könnten viele Kollegen nicht teilen, hieß es. Aufgrund der starken Trockenheit im Frühling und des feuchten Sommers werden nach dem durchwachsenen Erntejahr 2010 landesweit erhebliche Einbußen befürchtet.

Das Landvolk hatte bereits vorige Woche eine der schlechtesten Prognosen seit Jahrzehnten abgegeben. Beim Weizen dürfte das Minus zwischen 15 und 20 Prozent liegen, beim Raps bei 30 bis 40 Prozent. Für Roggen und Sommergerste sind die Schätzungen kaum besser, die dünnen Bestände könnten mancherorts jedoch durch stärkeres Wachstum der Körner ausgeglichen werden. Die Schwankungen auch auf einzelnen Höfen seien dennoch beträchtlich, warnte der Bauernverband.

Im Frühjahr hatten die Bauern oft nicht auf künstliche Beregnung verzichten können. Die bewässerte Fläche lag bei rund 200.000 Hektar. Dies habe bei der Sommergerste Schlimmeres verhindert, erklärte das Landvolk in seiner jüngsten Zwischenbilanz.

Weil es zuletzt dagegen viel häufiger regnete als vorhergesagt, konnten die Landwirte den Einsatz ihrer Maschinen auf den Feldern nicht so eng takten wie üblich. Zudem machen ihnen höhere Kosten für die Trocknung feucht geernteten Getreides zu schaffen. Um das Korn lagern zu können, sind nach Angaben der Landwirtschaftskammer in Oldenburg derzeit zusätzlich 17 Euro pro Tonne nötig – rund ein Zehntel des aktuellen Abnahmepreises. Auch die Aussaat der nachfolgenden Ackerpflanzen verschiebt sich zusehends nach hinten.