Mecklenburg-Vorpommern will keine Lagerung von radioaktiven Fremdabfällen, änderte sein Programm zur Raumentwicklung. Energiewerke klagen.
Greifswald. Die Energiewerke Nord (EWN), bundeseigener Betreiber des atomaren Zwischenlagers in Lubmin, klagen erneut gegen das Land Mecklenburg-Vorpommern. Damit geht der Streit um die Nutzung des Zwischenlagers in eine neue Runde. Die EWN gehen mit einem Normenkontrollantrag wegen des neuen Regionalen Raumentwicklungsprogramms von Vorpommern (RREP) gegen das für Landesentwicklung zuständige Bauministerium vor.
Wie eine Sprecherin des Oberverwaltungsgerichtes Greifswald am Dienstag der Nachrichtenagentur dpa sagte, ist der Antrag bereits am
15. Juli 2011 bei Gericht eingegangen. Streitpunkt ist eine Formulierung in dem seit September 2010 geltenden Raumentwicklungsprogramm. Danach dürfen im Zwischenlager „ausschließlich“ radioaktive Abfälle aus den stillgelegten DDR-Atomkraftwerken Lubmin und Rheinsberg gelagert werden – und keine Fremdabfälle.
Nach Rechtsauffassung der EWN hat das Land den umstrittenen Passus im Regionalen Raumentwicklungsprogramm eigenmächtig geändert und damit seine Kompetenzen überschritten. „Der Passus ist deshalb unwirksam“, begründete EWN-Geschäftsführer Henry Cordes die juristischen Schritte. Der Regionale Planungsverband Vorpommern hatte zuvor eine Fassung beschlossen, nach der „vorrangig“ Abfälle aus Lubmin und Rheinsberg im Zwischenlager deponiert werden sollen – dies hätte den EWN die Möglichkeit offen gehalten, künftig Fremdabfälle in Lubmin zu bearbeiten und zu lagern.
Das zuständige Ministerium verteidigte am Dienstag den Eingriff in die vom Planungsverband beschlossene Fassung des Raumentwicklungsprogramms. „Wir müssen jede Möglichkeit nutzen, um die Lagerung radioaktiver Abfälle in Lubmin zu begrenzen“, sagte Bauminister Volker Schlotmann (SPD). Grundlage für die Entscheidung seien entsprechende Beschlüsse des Landtages. Wegen der auch aus raumordnerischer Sicht großen Probleme habe sich das Land für die Klarstellung entschieden, betonte Schlotmann.
Der Planungsverband hatte das Vorgehen der Landesregierung kritisiert und bereits in einem Schreiben vom 16. Juni 2010 auf rechtliche Probleme eines solchen Eingriffs und entsprechende Urteile verwiesen. „Man kann in der Sache unterschiedlicher Meinung sein. Verfahrenstechnisch ist das nicht in Ordnung“, sagte der Verbandsvorsitzende und Greifswalder Oberbürgermeister Arthur König (CDU) am Dienstag. In dem Protestschreiben beharrt der Planungsverband auf seiner Formulierung: „Das Zwischenlager Nord soll vorrangig für die radioaktiven Abfälle der Kernkraftwerke Rheinsberg und Lubmin genutzt werden.“
Die EWN wollen ihre Drittgeschäfte mit schwach- und mittelradioaktivem Fremdabfall ausweiten – ein Vorhaben, das von der Landespolitik heftig kritisiert wird. So hatte bereits im Frühjahr das Innenministerium einen Antrag der EWN auf längere Lagerfristen für Fremdabfälle abgelehnt. Gegen diese Entscheidung legten die Atomlager-Betreiber Ende April Klage vor dem Verwaltungsgericht ein. Für diese und auch für die aktuelle Klage vor dem Oberverwaltungsgericht gibt es noch keine Verhandlungstermine.
SPD-Landtagsfraktionschef Norbert Nieszery forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Dienstag auf, von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen und die EWN, Tochter des Bundesfinanzministeriums, von der Klage abzuhalten. Wolf-Dieter Ringguth, parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, wies die Kritik als „verbale Polterei“ zurück. „Die rechtlichen Spielräume sind mehr als eng.“ Umso wichtiger sei es, die Position von Landtag und Landesregierung nicht durch öffentliche Polemik zu gefährden, warnte Ringguth.