Sein Berater bestätigte am Montag, dass von Boetticher an der nächsten Landtagssitzung nicht teilnimmt. CDU will, dass er erneut kandidiert.
Kiel. Christian von Boetticher wird an der ersten Landtagssitzung nach seinem Rückzug als CDU-Partei- und Fraktionschef nicht teilnehmen. Dies sagte sein persönlicher Berater. Die notwendigen Erklärungen zur Abwesenheit würden noch am Montag mit der CDU-Fraktion besprochen. Eine Krankmeldung habe am Montagvormittag noch nicht vorgelegen, sagte ein Fraktionssprecher. Der persönliche Sprecher von Boettichers erklärte aber, dass das Pairing-Abkommen gelten werde. Dieses Abkommen zwischen den Fraktionen sieht vor, dass für jeden kranken CDU-Abgeordneten ein Grünen-Politiker der Abstimmung ebenfalls fernbleibt. Der 40-jährige von Boetticher war vergangene Woche wegen einer früheren Beziehung zu einer 16-Jährigen vom Partei- und Fraktionsvorsitz der Landes-CDU zurückgetreten.
Christian von Boetticher soll bei Neuwahl antreten
Für Christian von Boetticher wird die Luft jetzt auch im Kieler Landtag dünn. Nach seiner Ankündigung, Schleswig-Holstein für unbestimmte Zeit zu verlassen , legte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner dem über die Liebesaffäre mit einer 16-Jährigen gestolperten Spitzenpolitiker auch den Rückzug aus dem Parlament nahe. "Es gibt keine politische Art von Parlamentsurlaub", sagte Stegner dem Abendblatt. Bei einer längeren Abwesenheit wäre es konsequent, wenn von Boetticher das Mandat aufgeben würde.
Verärgert sind auch viele Mitglieder der CDU-Fraktion, weil von Boetticher am Wochenende in Interviews "nicht mit Selbstmitleid" sparte, seine Zukunft in der Landespolitik aber offenließ. "Ich hätte Verständnis dafür, wenn er wegen der besonderen Lage an der nächsten Tagung ab Mittwoch nicht teilnimmt", sagte der neue CDU-Fraktionschef Johannes Callsen dem Abendblatt. "Ich habe aber bisher nichts gehört." Den gleichen Stand hat auch auch Landtagspräsident Torsten Geerdts (CDU). "Bis Freitagmittag lag keine Krankmeldung vor."
Auf eine solche Krankmeldung hofft die CDU, weil in diesem Fall das Pairing-Abkommen mit den Grünen greifen könnte. Es sieht vor, dass ein grüner Abgeordneter nicht mitstimmt, allerdings nur, wenn ein CDU-Politiker krankheitsbedingt ausfällt wie etwa vor dem Sommer der Reinbeker Mark-Oliver Potzahr nach einem Schlaganfall. Bei von Boetticher sind die Grünen ohnehin skeptisch. Die Fraktionsmanagerin Monika Heinold erinnerte bereits daran, dass von Boetticher sein Mandat, an dem die schwarz-gelbe Mehrheit im Parlament hängt, "aus Verantwortung für die Koalition" behalten wollte. "Dazu gehört selbstverständlich die Teilnahme an den Landtagssitzungen."
In der CDU scheuen unterdessen viele Funktionäre einen offenen Konflikt mit von Boetticher, weil er die schwarz-gelbe Regierung mit einer Rückgabe des Mandats ins Chaos stürzen könnte. Nach einem Urteil des Landesverfassungsgerichts ist es fraglich, ob die CDU einen frei werdenden Platz im Parlament mit einem Nachrücker besetzen darf oder der Sitz als "ungedecktes Überhangmandat" wegfällt. In letzterem Fall hätten CDU und FDP nur noch 47 Sitze, ebenso viele wie SPD, Grüne, Linkspartei und SSW. Das Patt im Parlament würde bis zur Neuwahl im Mai 2012 andauern.
In eine Zwickmühle bringt Christian von Boetticher die Nord-Union aber nicht nur wegen seines Mandats, das mit etwa 7000 Euro brutto im Monat entlohnt wird. Der frühere Spitzenpolitiker soll sich nach dem Wunsch seines CDU-Kreisverbands Pinneberg erneut um einen Landtagssitz bewerben. Die Nominierung des Direktkandidaten im Wahlkreis Pinneberg wurde schon verschoben, um von Boetticher Bedenkzeit einzuräumen. Bei der CDU außerhalb Pinnebergs schrillen die Alarmglocken, weil von Boetticher bei einer erneuten Kandidatur weiter Schlagzeilen machen und den Wahlkampf des neuen Spitzenkandidaten, des Wirtschaftsministers Jost de Jager, gefährden könnte.
Für Gesprächsstoff im Landeshaus sorgten auch neue Details zur "Boetticher-Affäre". Nach Recherche des "Focus" soll ein Mitglied der Jungen Union (JU) Anfang 2011 über Facebook von der Schülerin selbst von der Affäre erfahren haben. Im Februar bekam die CDU-Parteizentrale in Kiel einen vagen Hinweis. In den nächsten Wochen machte das Gerücht in der JU die Runde, erreichte im Juli Ministerpräsident Peter Harry Carstensen. Er drängte von Boetticher Anfang August zum Rücktritt. Zu diesem Zeitpunkt war der Kreis der Mitwisser schon so groß, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis die Medien Wind bekommen und die Affäre damit bekannt wird.