Jetzt ist das Spitzenduo perfekt: Neuer Fraktionschef ist der Wirtschaftspolitiker Johannes Callsen, neuer Spiitzenkandidat Jost de Jager.
Neue Hoffnungsträger im Amt: Knapp neun Monate vor der Landtagswahl 2012 in Schleswig-Holstein ist das neue Spitzenteam der Nord-CDU komplett. Der Wirtschaftspolitiker Johannes Callsen wurde am Donnerstag zum Vorsitzenden der Landtagsfraktion in Kiel gewählt. Gemeinsam mit dem designierten Spitzenkandidaten und Landesparteichef Jost de Jager (46) soll der 45-Jährige die CDU aus der schweren Krise führen, in die sie der einstige Carstensen-"Kronprinz“ Christian von Boetticher (40) mit seinem Verhältnis zu einer 16-Jährigen gestürzt hat. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (64) tritt bei der Wahl im Mai 2012 nicht wieder an.
Callsen, bisher Fraktionsvize, erhielt 27 von 32 Stimmen. 4 Abgeordnete votierten gegen ihn, einer enthielt sich. Callsen hatte keinen Gegenkandidaten. Der Fraktionsvorsitz musste nach dem Sturz Boettichers ebenso neu besetzt werden wie die Posten des Spitzenkandidaten und Landesvorsitzenden. Callsen trat bisher nach außen als reiner Fachpolitiker für Wirtschaft in Erscheinung. Darüber hinaus hat er sich noch nicht auffällig profiliert.
Callsen sprach von einem großartigen Vertrauensvotum. "Wir haben schwierige Tage hinter uns.“ Jetzt gehe der Blick nach vorne. Die CDU hofft, dass sie die Boetticher-Affäre nun weitgehend überstanden hat. "Ich gehe davon aus, dass die Sache damit beendet ist“, sagte Landtagspräsident Torsten Geerdts. Die CDU habe in schwierigen Zeiten Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit bewiesen, meinte de Jager.
Mit Callsens Wahl hat die Nord-CDU binnen vier Tagen nach dem Rückzug Boettichers einen personellen Neuanfang geschafft. Unbestrittene Nummer eins ist Wirtschaftsminister de Jager, der vom Landesvorstand als Spitzenkandidat zur Landtagswahl am 6. Mai nächsten Jahres und als Landesparteivorsitzender vornominiert wurde. Nach der spektakulären Boetticher-Affäre um dessen Verhältnis mit einer Minderjährigen bietet die CDU nun ein betont solides Spitzenteam auf. De Jager und Callsen gelten als kompetent, fleißig, ruhig und zuverlässig. Zum Landesvorsitzenden soll de Jager am 24. September gewählt werden, zum Spitzenkandidaten am 4. November.
Boetticher nahm an der Fraktionssitzung nicht teil. Er behält aber sein Parlamentsmandat und sichert der schwarz-gelben Koalition von Regierungschef Carstensen so die hauchdünne Mehrheit von einer Stimme. Carstensen nannte Boetticher ein großes politisches Talent. "Wenn die Geschichte aufgearbeitet und genügend Zeit vergangen ist, kann ich mir ein Comeback vorstellen“, sagte er dem „Hamburger Abendblatt“ (Freitag). Derzeit sei Boetticher körperlich und seelisch schwer getroffen. "Jeder Arzt würde ihm abraten, jetzt seiner Arbeit nachzugehen.“
Carstensen bestritt jede Beteiligung am Bekanntwerden der Affäre seines politischen Ziehsohns. Auf die Frage, ob es sich um eine Intrige von Parteifreunden handele, antwortete er: "Jedenfalls nicht von mir.“ Er habe Boetticher geraten, den Rückzug anzutreten. Dass er geheiratet habe, habe er erst vor kurzem erfahren. "Das gab der Geschichte aber noch eine größere Dimension.“
Nach Ansicht de Jagers kann die CDU wieder rasch aus der Krise kommen. Der Boetticher-Rücktritt sei ein Rückschlag gewesen, sagte er der dpa. Die jetzt gezeigte Geschlossenheit und der Wille zum Aufbruch machten ihn aber optimistisch, schnell wieder in die Vorhand zu kommen. Bei der Landtagswahl wolle die CDU mit Abstand stärkste Partei werden, sagte de Jager. Die Ausgangslage sei nicht schlecht. "Wir haben eine Regierungsbilanz, die sich sehen lassen kann, wir werden mit einem guten Programm und guten Kandidaten in die Wahl gehen.“ Wunschkoalitionspartner bleibe die FDP. Nach einer aktuellen Umfrage liegt die CDU derzeit mit 30:32 Prozent hinter der SPD.
FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki sagte, er wolle mit Callsen wie bisher vertrauensvoll zusammenarbeiten. "Er ist ein ganz anderer Typ als die Herren Carstensen und von Boetticher und sicher nicht zu unterschätzen“, meinte SPD-Kollege Ralf Stegner. "Er ist ein gerader Typ“, befand Robert Habeck von den Grünen. "Politisch hat er stets vertreten, was gerade CDU-Linie war.“ SSW-Fraktionschefin Anke Spoorendonk sagte Callsen einen konstruktiv-kritischen Dialog zu. (dpa)