Der Ministerpräsident besuchte ein Unternehmen, das bewusst ältere Arbeitnehmer einstellt. Er appellierte, ihnen mehr Chancen zu ermöglichen.
Schwerin. Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) hat an die Wirtschaft im Land appelliert, freie Arbeitsplätze gezielt mit älteren Arbeitnehmern zu besetzen und so dem zunehmenden Fachkräfte-Mangel zu begegnen. „Sie haben Erfahrung, Kompetenz, Motivation. Sie müssen aber auch die Chance auf einen Job am ersten Arbeitsmarkt bekommen“, sagte Sellering am Dienstag nach einem Besuch bei Tchibo Logistik in Gallin (Kreis Ludwigslust). Das Unternehmen, das ähnlich wie der Kranbauer Liebherr in Rostock oder die Greifen-Fleisch GmbH Greifswald bewusst ältere Arbeitnehmer einstelle, hatte sich Sellering zuvor gemeinsam mit dem Vorstandsmitglied der Agentur für Arbeit, Heinrich Alt, angesehen.
Wie Sellering sagte, haben Ältere in Mecklenburg-Vorpommern trotz der wachsenden Fachkräftenachfrage bislang noch nicht wie erhofft vom Aufschwung profitiert. Zwar seien seit 2006 landesweit 25 000 neue sozialversicherungspflichtige Jobs im Land hinzugekommen, doch sei der Anteil der Älteren an den Arbeitslosen gewachsen. „Dieser Gruppe müssen wir uns alle verstärkt zuwenden“, mahnte der Regierungschef. Das Land könne dabei die Bestrebungen von Wirtschaft und Arbeitsagentur aber nur unterstützen. Sellering kritisierte in dem Zusammenhang die drastischen Mittelkürzungen des Bundes für die Arbeitsmarktpolitik sowie Forderungen von Arbeitgeberseite nach längerfristigen staatlichen Lohnzuschüssen bei der Einarbeitung Langzeitarbeitsloser.
Laut Alt warten im Nordosten derzeit etwa 20 000 Menschen im Alter über 55 Jahre auf einen Job. Trotz der vom Bund reduzierten Mittel sei es vorrangiges Ziel der Bundesagentur, unter anderem über Qualifizierungen möglichst viele Menschen ohne Beschäftigung wieder in reguläre Arbeitsverhältnisse zu bringen. Alt zeigte sich überzeugt, dass die gute Konjunktur und die demografische Entwicklung künftig älteren Arbeitnehmern noch mehr zu Gute komme. „Der zweite Arbeitsmarkt ist für sie keine Alternative. Sie wollen normale Arbeitnehmer sein, in normalen Betrieben, zu einer vernünftigen Entlohnung.“
Ein Vorteil in den neuen Bundesländern sei zudem, dass viele ältere Arbeitslose über eine Ausbildung verfügten, sagte Alt. Die darauf aufbauenden Qualifizierungen müssten dann aber zielgerichtet mit der Orientierung auf einen Arbeitsplatz erfolgen, mahnte Sellering. „Auch Arbeitnehmer jenseits der 55 setzen sich noch einmal auf die Schulbank. Aber sie wollen wissen, wofür sie das tun.“
Nach Angaben der Regionaldirektion Nord der Bundesagentur für Arbeit sind im Nordosten fast 35 200 Menschen zwischen 50 und 65 Jahren arbeitslos. Das seien 3200 mehr als im Vorjahr, teilte ein Sprecher mit. Neben dem Bundesprogramm „Perspektive 50 Plus“ gebe es für ältere Arbeitnehmer spezielle Eingliederungszuschüsse. Diese Hilfen kamen den Angaben zufolge im ersten Quartal 2011 landesweit rund 1600 Männern und Frauen auf Jobsuche zugute. Mit einer „Entgeltsicherung für Ältere“ wurden zudem bis März 800 Arbeitnehmer gefördert, wie es hieß.