Technik, Gastronomie, IT - dort gibt es in Hamburg die meisten freien Stellen. Was tun Firmen und Verbände dagegen?
Kommen sie oder kommen sie nicht? Wenn am 1. Mai in Europa die letzten Schranken fallen und die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kraft tritt, werden dann tatsächlich qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland strömen, wie es Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchener Ifo-Instituts, prognostiziert? Mit "gespannter Erwartung" blickt Sönke Fock der Entwicklung entgegen. Am 2. Mai nimmt er seine Arbeit als Vorsitzender der Geschäftsführung in der Agentur für Arbeit in Hamburg auf und hofft durchaus, "dass sich gut qualifizierte Fachkräfte für schwer zu besetzende Arbeitsstellen in der Metropolregion interessieren". Die sieht er vor allem in den Bereichen Metall, Elektro, Logistik, Luftfahrt, IT sowie im Hotel- und Gaststättengewerbe. Aber auch Ingenieure wären ihm hochwillkommen, denn an ihnen fehlt es Hamburg schon lange.
Peter Dibowski, Vorsitzender des Hamburger VDI-Bezirksvereins, ist skeptisch, was eine Lösung des Problems durch die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit angeht. Die gebe es schließlich für Fachkräfte im Maschinenbau und der Elektrotechnik bereits seit 2007. "Das hat jedoch nicht zu einer Entschärfung des Fachkräftemangels am Ingenieurarbeitsmarkt geführt."
Eine Entschärfung aber ist dringend nötig. Aktuell sind laut einer Studie von VDI und Institut der Deutschen Wirtschaft deutschlandweit 66 000 Techniker-Stellen unbesetzt. In der Region Hamburg, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern fehlen 4200 Ingenieure - im November 2010 waren es noch 2600.
Statt auf Grenzöffnung setzt der VDI auf den Nachwuchs. Jüngst wurde der VDIni-Club ins Leben gerufen, der Kinder bis zwölf Jahre online und in lokalen Klubs an Technik heranführt. Die Initiative JUTEC - Jugend und Technik richtet sich an die Nächstälteren, und um die Studenten kümmert sich das Netzwerk "Studenten und Jungingenieure". Die Bemühungen tragen Früchte, freut sich Dibowski. "Die Studienanfänger-Zahlen haben sich positiv entwickelt und sind im Wintersemester 2009/10 um 16 Prozent auf 113 400 gestiegen. Auch die Absolventenzahlen steigen seit 2002 kontinuierlich." Zudem bieten Aktionen wie "Tag der Technik" oder "Lange Nacht der Industrie" eine Plattform, die es einzelnen Firmen erlaubt, Besucher für sich zu interessieren.
Eine Chance, sich branchenübergreifend zu präsentieren, bietet der jährliche Wettbewerb "Hamburgs beste Arbeitgeber" (siehe Text rechts). Zum zweiten Mal hat die Block-Gruppe gewonnen. Andreas Kurtenbach, Geschäftsführer der Block Akademie, sieht darin ein wertvolles Qualitätssiegel. Zwar lasse sich die Wirkung nicht eindeutig belegen, "aber wir erhalten mehr Initiativbewerbungen, neben einer gleichbleibenden Zahl an Bewerbungen auf unsere Ausschreibungen. Und das während der Markt enger wird."
Tatsächlich habe sich der Arbeitsmarkt gewandelt "und ist vom Arbeitgeber- zum Bewerbermarkt geworden", stellt Kurtenbach fest. "Gute Fach- und Führungskräfte haben heute wesentlich mehr Auswahlmöglichkeiten, was einen potenziellen Arbeitgeber angeht."
"Besonders Restaurantfachleute und Köche sind gefragt", sagt Ulrike von Albedyll, Geschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Hamburg. "Speziell in der Hotellerie wird zudem vor allem im Housekeeping gesucht." Um dem Nachwuchs Lust auf die Branche zu machen, ist der Verband auf Messen präsent. "Und wir arbeiten daran, die Ausbildung attraktiver zu gestalten", sagt von Albedyll. So werden etwa in Zusammenarbeit mit verschiedenen Stiftungen Fördermaßnahmen angeboten. Wer in der Schule besonders gut ist, kann parallel zur Ausbildung zum Beispiel die Weiterbildung zum Barmixer durchlaufen.
Doch nicht nur die Branche muss sich attraktiver präsentieren, auch die einzelnen Firmen müssen sich ins Zeug legen. So stellt etwa Fin Mohaupt, Leiter der Aus- und Weiterbildungsberatung der Handelskammer Hamburg, fest: "Bis die Ausbildung beginnt, hat so mancher noch zwei-, dreimal den zukünftigen Ausbilder gewechselt, weil er ein attraktiveres Angebot erhalten hat." Außer dem Hotel- und Gaststättengewerbe stehe besonders die IT-Branche unter anhaltendem Druck, Nachwuchs zu generieren, sagt Mohaupt. So hat denn auch Stefan Klein als Projektleiter der "gamecity:Hamburg", einer Initiative von Hamburg@work, inzwischen die Suche nach qualifizierten Fachkräften aufs Ausland ausgedehnt. "450 freie Arbeitsplätze hat die Games-Branche in Hamburg aktuell zu vergeben", sagt er. Das Spektrum reicht von Gamedesignern über Producer bis zu Frontend-Entwicklern oder PHP-Entwicklern im Bereich Spiele.
Um die dringend benötigten Fachkräfte zu finden, pflegt gamecity:Hamburg Kontakte zu schwedischen und niederländischen Universitäten. "Für Juli ist zudem eine Rekrutierungsaktion auf dem Kongress der Computerspiele-Entwickler im Seebad Brighton geplant."