Vollgelaufene Keller, über die Ufer getretene Flüsse, überschwemmter Fischmarkt: Die Bilanz von Sturm und Regen im Norden.
Hamburg/Kellinghusen. Erst Sturmflut und Orkanböen, dann kräftiger Dauerregen mit Hochwasser: Die anhaltenden Regenfälle in Hamburg und Teilen Schleswig-Holsteins haben am Sonntag vielerorts Flüsse über die Ufer treten lassen. Straßen wurden überflutet und mussten teils gesperrt werden, Siele, Gräben und Keller liefen voll. „Man kann wenig machen, weil wir nicht mehr wissen, wohin mit dem Wasser“, sagte ein Feuerwehrsprecher in Hamburg.
In Schleswig-Holstein waren vor allem die Kreise Steinburg und Pinneberg betroffen. Bei starkem Dauerregen wurde die Innenstadt von Kellinghusen (Kreis Steinburg) teilweise überschwemmt. Mindestens 30 Straßen, einige Wohnhäuser sowie Firmengelände wurden vom Hochwasser des Flusses Stör überflutet, wie ein Sprecher der Regionalleitstelle in Elmshorn berichtete. Die Einsatzkräfte versuchten, das Wasser mit Sandsäcken zurückzudrängen. „Das Wasser steigt langsam, aber stetig“, hieß es am späten Sonntagabend. „Das wird uns noch die ganze Nacht und den ganzen Montag beschäftigen.“ Auch in Glückstadt war die Lage kritisch.
Im Kreis Pinneberg traten die Flüsse ebenfalls über die Ufer. „Hier steht das Wasser schon vor der Haustür“, sagte der Sprecher. „Es regnet fürchterlich.“ Bei Kollow (Kreis Herzogtum Lauenburg) lief ein Feuerlöschteich über und überschwemmte eine Landstraße. Die Feuerwehr versuchte, angrenzende Wohngebiete vor dem Wasser zu schützen. In Ammersbek im Kreis Stormarn rückten die Einsatzkräfte aus, um sechs Einfamilienhäuser mit Sandsäcken vor dem Wasser des Flusses Lottbek zu sichern. Der Mühlenteich in Glinde (Kreis Stormarn) drohte ebenfalls überzulaufen, das Wasser konnte aber gestoppt werden.
Die Hamburger Feuerwehr meldete zahlreiche, überwiegend kleinere Einsätze: „Es laufen Keller voll, das ist unser Hauptgeschäft – und die ein oder andere Nebenstraße ist gesperrt worden.“ Die gesperrten Straßen konnten später wieder freigegeben werden. In Hamburg-Ohlstedt trat der Kupferteich über die Ufer; ein Reitstall wurde mit rund 500 Sandsäcken abgesichert. Außerdem setzten die Regenfälle eine Kleingartenanlage in Hamburg-Horn unter Wasser.
Im Stadtteil Wilhelmsburg wurden Schleusen geöffnet, um das Wasser aus den Kanälen in die Elbe abzuleiten. Am Sonntagabend war die Lage vor allem in den Stadtteilen Volksdorf und Bergstedt zunächst noch angespannt, hieß es. „Die sind hauptbetroffen, weil dort auch das Wasser aus Schleswig-Holstein dazukommt.“ Ein Sprecher rechnete damit, dass am Montagmorgen Entwarnung gegeben werden könnte. Der Deutsche Wetterdienst hatte wegen des Dauerregens bis zum Sonntagabend eine Unwetterwarnung herausgegeben.
Bereits in der stürmischen Nacht zum Sonnabend waren die Feuerwehren im Dauereinsatz: Orkanböen fegten mit Windgeschwindigkeiten bis 115 Kilometer pro Stunde über den Norden hinweg. Eine Sturmflut in Hamburg setzte den Fischmarkt teilweise unter Wasser, sieben Fahrzeuge mussten abgeschleppt werden. Zeitweilig standen die Fluten der Elbe um rund zwei Meter über dem mittleren Hochwasser. Am Samstagmorgen ging das Hochwasser zurück. Am Sonntag meldete das Bundesamt für Seeschifffahrt: „Alles im normalen Bereich.“
Die heftigen Böen ließen in Schleswig-Holstein vielerorts Bäume und Verkehrsschilder umknicken. Äste wurden abgerissen und fielen auf Straßen und Gehwege. Bei den nordfriesischen Halligen war am Samstag „Land unter“. Es wurde knapp zwei Meter mehr als das normale Hochwasser gemeldet. Bei einer um mindestens 1,5 Meter erhöhten Flut wird von einer Sturmflut gesprochen. Am Sonntag sagte der Bürgermeister von Hallig Hooge, Matthias Piepgras: „Heute sieht es aus, als wäre nichts gewesen.“
Am Freitagabend war auf der Bahnstrecke Neumünster-Flensburg bei Rendsburg ein Baum in die Oberleitung gefallen und hatte zu Verzögerungen im Bahnverkehr gesorgt. Auch auf dem Hindenburgdamm nach Sylt führte der Sturm zunächst zu Behinderungen: Leere Lastwagen, Transporter mit gefährlicher Ladung sowie Autos mit Wohnanhängern durften den Autozug auf die Nordsee-Insel nicht nutzen. Erst am Samstagnachmittag wurden die Einschränkungen aufgehoben.
In einem Gewerbegebiet in Flensburg deckte der Sturm in der Nacht zum Samstag Teile eines Hallendachs ab. Die Böen zerstörten auch zwei Rotorblätter einer Windkraftanlage in Fiefbergen (Kreis Plön). Insgesamt hinterließ das Unwetter im Norden allerdings keine schweren Schäden. Verletzt wurde niemand.
Seit Sonnabend sorgte dann vor allem der Dauerregen für Probleme - etwa im Kreis Plön, wo einige Nebenstraßen überschwemmt waren. Am Samstagabend wurde sogar das mit Spannung erwartete Bundesliga-Derby zwischen dem Hamburger SV und dem FC St. Pauli abgesagt. Eine Kommission fand den Platz nach den Regengüssen unbespielbar. Nach der Absage randalierten Fußballfans an der Reeperbahn.