Seit einem Vierteljahrhundert rettet die Seehundstation verwaiste und verletzte Tiere. Mit einer Ausstellung wird das Jubiliäum gefeiert.

Friedrichskoog. Schon in den 1950er Jahren fuhr Werner „Polli“ Rohwedder mit seinem Krabbenkutter auf die Nordsee raus und brachte neben seinem Fang auch alleingelassene junge Seehunde an Deck mit. Damals schüttelten manche noch den Kopf über so viel Tierliebe. Am Donnerstag eröffnete der inzwischen 85-Jährige in der jetzt 25 Jahre bestehenden Seehundstation Friedrichskoog (Kreis Dithmarschen) die neue Dauerausstellung „Robben der Welt“. Rund 1000 Heuler wurden in der Geschichte der Seehundstation aufgezogen und in die Nordsee entlassen. Doch der Tierschutz ist nur eine Aufgabe.

Längst sind Information und Forschung zwei weitere wichtige Säulen der Arbeit, berichtet die Leiterin der privat finanzierten Einrichtung, die 39 Jahre alte Biologin Tanja Rosenberger. Mehr als 3,8 Millionen Besucher waren schon in der Station, etwa 150.000 bis 180.000 kommen inzwischen jedes Jahr. In Sichelform gruppieren sich die Gebäude der Station um die im Sonnenlicht smaragdgrün schimmernden Wasserbecken. Kleine Tribünen, zum Teil an künstlichen Dünen angelegt, laden zum Zuschauen ein - wenn die Tiere eiligst zum Füttern robben oder schwimmen und tauchen. Doch nur die tierischen Dauergäste, zurzeit zwei Kegelrobben und fünf Seehunde, dürfen von nahem beobachtet werden. Hinter einer begrünten Düne liegen geschützt die Becken für die Heuler. Sie sollen nicht an Menschen gewöhnt werden und dürfen deshalb nur von einem 22 Meter hohen Turm - einer ehemaligen Bake - beobachtet werden.

Kinder fasziniert immer wieder ein begehbarer Seehund oder die originalgetreue Nachbildung von zwei kämpfenden Nördlichen See-Elefanten-Männchen, es gibt Theateraufführungen „Jim Knopf und der Heuler von Lummerland“ und Führungen speziell für die Kleinen und Großen. Mit Jagdhörnern, Festreden am Tierbecken samt Fütterung und Sekt wurde am Donnerstag die neue Dauerausstellung „Robben der Welt“ eröffnet. Die Rampe führt die Besucher ins Untergeschoss des schon 2006 eingeweihten Neubaus. Wandmalereien erwecken die Illusion, man würde vom Strand bis in die Unterwasserwelt eintauchen. Zur linken Seite lassen sich durch Bullaugen und eine lange Glaswand die Seehunde und Kegelrobben beobachten. Sie gleiten so nah vorbei, dass man sie von unten berühren oder kitzeln könnte, wäre nicht die Glaswand dazwischen.

Gegenüber, am Eingang der neuen Dauerschau, lädt ein Automat ein zum „Duell der Seehund-Staupeviren & Immunzellen“ - im Jahr 1988 und 2002 hatte es verheerende Robbensterben in der Nordsee gegeben. Die neue Ausstellung gliedert sich in Arktis, Antarktis, Mittelmeer und Südafrika. In den Boden eingelassene Glasfenster mit Beschriftung, Sand, Fotos oder Seesternen weisen den Weg. Postkartengroße Foto-Darstellungen mit Silberknopf zum Drücken laden zum Hören von Geräuschen aus der Antarktis ein wie „Sinkender Eisberg“ oder „Abbrechendes Schelfeis“.

Aber auch Tiertöne sind zu hören von der Weddellrobbe, vom Blauwal und Seeleoparden. Der Knopf „Geheimnisvolle Klänge“ konfrontiert den Besucher mit Tönen, die die Wissenschaftler selber nicht zuordnen können, erläutert Rosenberger. Videoaufnahmen, durch eine Art Fernglas zu sehen, nehmen den Betrachter mit in die Unterwasserwelt mit südafrikanischen Seebären. In einer als ewiges Eis gestalteten Wand wird der Besucher gewarnt: „Der folgende Film zeigt blutige Szenen von der Robbenjagd in Kanada und ist für Kinder nicht geeignet!“ Rohwedder hat kein Verständnis für die Robben- und Waljagd. „Das muss nicht mehr sein!“, sagt er. Die Ausstellung ist noch nicht fertig, dies soll bis Jahresende gelingen und insgesamt eine Million Euro kosten. Die Betriebskosten der Einrichtung von etwa 400.000 bis 700.000 Euro werden vor allem durch Eintrittsgelder und Spenden erwirtschaftet. Öffentliche Gelder gib es gelegentlich nur für Projekte.

Zu den wissenschaftlichen Projekten in der Seehundstation gehörte auch „Minos“. Dabei sollte herausgefunden werden, wie Seehunde hören und welche Frequenzen ihnen Probleme bereiten. Die Biologin Janne Sundermeyer hat in Friedrichskoog ihre Diplomarbeit geschrieben. Ein Problem ist der Lärm beim Bau von Windanlagen im Meer. „Die Forschung beschäftigt sich mit der Frage, ob solcher Lärm das Gehör von Seehunden oder Walen beschädigen könnte“, sagte Sundermeyer, die derzeit ihre Doktorarbeit schreibt. Die Verknüpfung von Information, Forschung und Aufzucht der Heuler in der Seehundstation lobte der Dithmarscher Landrat Jörn Klimant als „Wissenschaft zum Anfassen“.