Die politisch gewollte Energiewende im Land stockt. Unternehmen mit wirtschaftlichen Problemen. Geld für Netzanschlüsse fehlt.
Hamburg. Von schlechten Nachrichten blieb die Windkraftbranche in Deutschland in jüngerer Zeit verschont. Vergangenen Montag aber gab es gleich zwei davon. Das Stahlbauunternehmen Siag Schaaf meldete Insolvenz an. Zugleich verkündete das Windkraftunternehmen Bard in Emden, im Sommer die Fertigung von Rotorblättern für Windturbinen am Standort einzustellen. Siag Schaaf, das Stahlkomponenten für die Windkraftindustrie fertigt, hatte sich zuletzt vor allem beim Geschäft in den USA übernommen. Bard wiederum, das derzeit den ersten kommerziellen Windpark in der deutschen Nordsee errichtet, fehlt ein Anschlussprojekt für die Auslastung der Rotorblattfertigung. Die beiden Nachrichten werfen ein Schlaglicht auf eine Branche, die jahrelang vom Erfolg verwöhnt war - und von hohen, gesetzlich festgelegten Einspeisevergütungen für Ökostrom.
+++Bau von neuartigen Offshore-Windrädern genehmigt+++
+++Die Windkraft in der Genehmigungsflaute+++
Die politisch gewollte Energiewende in Deutschland stockt, vor allem der Ausbau von Offshore-Windparks in der Nordsee und in der Ostsee. Bis zum Jahr 2020 sollen Offshore-Windparks 10 000 Megawatt installierte Leistung zum Ausbau der erneuerbaren Energien beitragen. Bislang sind es gerade mal 200 Megawatt, und die technologischen Probleme, vor allem beim Aufbau der Windparks in der deutschen Nordsee, sind weit größer als ursprünglich gedacht. Eines der größten Hindernisse sind die Anschlüsse: Die geplanten Kraftwerke auf dem Meer müssen mit dem Stromnetz an Land verbunden werden. Der dafür zuständige Netzbetreiber, das niederländische Unternehmen Tennet, ist nicht in der Lage, ausreichend Kapital für den Bau der Netzanschlüsse zu mobilisieren. Es geht dabei um rund 16 Milliarden Euro
+++Nord-Gipfel macht Druck bei Windstrom+++
"Die Ankündigung von Tennet, dass die Netzanschlüsse nicht im erforderlichen Zeitraum realisiert werden können, führt zu zusätzlichen Kosten beim aktuellen Bau der Windparks und hemmt natürlich weitere Investitionen in geplante Offshore-Projekte", sagt Thorsten Falk von der Stiftung Offshore-Windenergie in Berlin dem Abendblatt. "Die Risiken für die Netzanschlüsse müssen von den Windparkinvestoren weggenommen werden."
Dutzende Windparkprojekte hat das zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg genehmigt. Doch etliche Zeit- und Finanzierungspläne verzögern sich, weil nicht klar ist, ob die teuren Anlagen ihren Strom nach der Montage auch pünktlich ins Netz einspeisen und damit Geld einspielen können. Nach wie vor setzen viele Unternehmen auf den Boom bei den Offshore-Windparks. Die Hamburger Werft Sietas baut für das niederländische Unternehmen Van Oord ein Errichterschiff für die Aufstellung von Windturbinen auf See. Der Baukonzern Hochtief orderte im Februar bei der Crist-Werft im polnischen Gdynia, dem früheren Danzig, bereits eine vierte solche Spezialanlage. Nordic Yards in Wismar baut im Auftrag von Siemens eine Umspannstation für Strom aus Offshore-Windparks.
Auch Siag Schaaf und Bard setzen weiterhin auf die Windkraft zur See. Die Siag Nordseewerke in Emden sind von der Insolvenz des Mutterkonzerns derzeit nicht betroffen. "Wir können hier weiterarbeiten. Unsere Finanzierung steht auf einer eigenen und soliden Grundlage", sagte Geschäftsführer Volker Messerschmidt dem Abendblatt. Bis ins erste Quartal 2013 seien die Nordseewerke, die früher als Werft zum Konzern ThyssenKrupp gehörten, mit dem Bau von Stahlkomponenten für Offshore-Windparks ausgelastet. Bard wiederum baut weiter am Windpark "Bard Offshore 1", der 90 Kilometer nordwestlich von Borkum errichtet wird. 30 Anlagen seien dort bereits errichtet, 80 sollen es insgesamt werden, sagte ein Unternehmenssprecher.
Doch die Zeit drängt für die beteiligten Unternehmen, die mit teils hohen Vorleistungen für den Bau von Offshore-Windparks bereitstehen. Nach Angaben von Insidern liegen an der Nordseeküste bereits eingeschweißte Windturbinen an Land, die nicht zeitgerecht zur Montage auf See abtransportiert werden können. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte im Januar eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um zügig Lösungen für den Netzanschluss der Offshore-Windparks zu erarbeiten. Vergangene Woche legte das Expertengremium unter Leitung der Stiftung Offshore-Windenergie seine Vorschläge vor. Schnellere Genehmigungsverfahren für die Leitungsprojekte befürwortet die Arbeitsgruppe Beschleunigung neben anderen Maßnahmen vor, hauptsächlich aber auch eine Offshore-Anbindungsumlage. Die hohen Kosten für den Netzausbau, so die Idee der Offshore-Windkraftbranche, könnten zunächst über die Stromrechnung auf alle Stromkunden umgelegt werden. Wenn die Offshore-Windparks in einigen Jahren Strom liefern, könne man die Einspeisevergütungen für Windstrom entsprechend reduzieren und den Stromverbrauchern das Geld wieder zurückgeben.