In Schleswig-Holstein streiten Parteien über Lehrerstellen, Gymnasien und Gemeinschaftsschulen. SPD und Grüne wollen “Schule für alle“.
Kiel. Die Schulen in Schleswig-Holstein kommen nicht zur Ruhe. In einer giftigen Bildungsdebatte gestern im Landtag warfen sich die Parteien gegenseitig vor, die Schullandschaft umpflügen und Schulen schließen zu wollen. Auch sonst wurde klar, dass es in Schleswig-Holstein unabhängig vom Ausgang der Landtagswahl am 6. Mai keinen echten Schulfrieden geben wird.
Größter Streitpunkt ist der Abbau von Lehrerstellen. Die CDU hält an dem radikalen Sparkurs, den die schwarz-gelbe Koalition 2010 beschlossen hatte, eisern fest. Demnach sollen bis 2020 insgesamt 3650 Lehrerjobs gestrichen werden. Die FDP möchte inzwischen etwas weniger kürzen, die SPD sogar nur die Hälfte des Lehrpersonals, das bis 2020 durch den Schülerschwund rechnerisch nicht mehr benötigt wird. Damit blieben etwa 1800 Stellen im Schulsystem. Die Grünen wollen bis 2015 keinen Lehrerjob einsparen, SSW und Linkspartei auch danach nicht.
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"Es wird das Blaue vom Himmel versprochen", klagte Schulminister Ekkehard Klug (FDP). Ins Visier nahm er die bisher nicht gegenfinanzierten Wahlgeschenke der SPD (in der Endstufe gut 250 Millionen Euro im Jahr) und ihren Fraktionschef Ralf Stegner. "Der griechisch-schleswig-holsteinische Finanzminister Stegneropoulos wird es schon richten", spottete er.
Einen Grabenkampf gab es um das Schulsystem in Schleswig-Holstein, vor allem um die derzeit drei weiterführenden Schularten, neben dem Gymnasium die Gemeinschafts- und die Regionalschule. CDU und FDP halten im Kern an diesem System fest und warfen SPD und Grünen vor, neben den Regionalschulen mittelfristig auch die Gymnasien in Gemeinschaftsschulen umwandeln zu wollen. "Gott bewahre unsere Kinder", ätzte FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Das Versprechen Stegners, kein einziges Gymnasium sei gefährdet, ließ Kubicki nicht gelten. Er erinnerte an Ex-DDR-Staatschef Walter Ulbricht. Der habe einst auch versprochen, dass es keine Mauer gebe.
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Fakt ist, dass SPD und Grüne in ihren Wahlprogrammen eine "Schule für alle" fordern, allerdings als Fernziel. Mittelfristig setzt Rot-Grün auf ein zweigliedriges Schulsystem aus den 99 Gymnasien und den derzeit 135 Gemeinschaftsschulen. Sie sind inzwischen die Leitschulart in Schleswig-Holstein. Im vergangenen Jahr wechselten 44,6 Prozent der Viertklässler auf eine Gemeinschaftsschule, 38,6 Prozent auf ein Gymnasium. Die einst von der CDU durchgesetzte Regionalschule (65 kombinierte Haupt- und Realschulen) fällt mit einem Aufnahmeanteil von 13,5 Prozent dahinter zurück.
Die SPD bekräftigte, die Regionalschulen schrittweise zu Gemeinschaftsschulen "weiterentwickeln" zu wollen. Die CDU fürchtet in diesem Fall die Schließung von bis zu 25 Schulen. Grund: An neun Regionalschulen wird schon heute die Mindestschülerzahl von 240 unterschritten. Bis zu 16 weitere sind kleiner als eine Mindest-Gemeinschaftsschule (300 Schüler). "Einigen Regionalschulen droht die Abwicklung", warnte die CDU-Abgeordnete Heike Franzen. Für die SPD hielt Martin Habersaat dagegen. Demnach will die SPD die Mindestgröße für Gemeinschaftsschulen auf 240 Schüler senken. Ob eine solche Mini-Gemeinschaftsschule Schüler noch sinnvoll und bezahlbar auf alle drei Bildungsabschlüsse (Haupt- und Realschulabschluss bzw. Wechsel in eine Oberstufe und Abitur) vorbereiten kann, blieb umstritten.
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Um so klarer wurde, dass Schwarz-Gelb und Rot-Grün ihre Lieblingsschulen haben. Die CDU bekannte sich zum Gymnasium und verteidigte Einschnitte bei den Gemeinschaftsschulen. Die SPD bekannte sich zur Gemeinschaftsschule und verteidigte die Pläne, die 2011 eingeführte Wahlmöglichkeit der Gymnasien zwischen G8 und G9 auslaufen zu lassen. Zudem sollen mehr als 20 Gemeinschaftsschulen Oberstufen erhalten, so den Gymnasien stärker Paroli bieten. Für reichlich Zündstoff nach der Wahl dürfte zudem die anstehende Reform der Lehrerausbildung sorgen. CDU und FDP beharren auf einer schulartbezogenen Ausbildung, also einem eigenständigen Studium für Gymnasiallehrer. SPD und Grüne planen eine altersbezogene Regelung, in der Lehrer für drei Stufen (Grundschule, Klasse fünf bis zehn, Oberstufe) ausgebildet werden.
Einig waren sich alle Politiker, möglichst keine Schule zu schließen. Ob sich das einhalten lässt, ist fraglich. In den vergangenen Jahren sank die Zahl der eigenständigen Grundschulen in Schleswig-Holstein bereits von gut 600 auf 389. In mehr als einem Dutzend von ihnen büffeln weniger als 80 Kinder und damit nach den Landesvorgaben eigentlich zu wenig. Ein Auge drückt Minister Klug derzeit auch bei fünf Gemeinschaftsschulen zu. In den nächsten Jahren dürfte sich der Schülerschwund beschleunigen. In den allgemeinbildenden Schulen werden 2020 nur noch gut 250 000 Pennäler lernen - etwa 50 000 weniger als heute.