Der Kampf gegen die Rockerkriminalität hält die Ermittler im Norden in Atem. Aber von der gesuchten Leiche gibt es noch keine Spur.

Kiel. Mehr als eine Woche nach der beispiellosen Großrazzia im Rocker-Milieu in Norddeutschland laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Die Polizei suchte auch am Freitag in einer Kieler Lagerhalle nach der Leiche eines möglichen Opfers der Hells Angels – bislang ohne Ergebnis. Der Kieler Innenminister Klaus Schlie (CDU) bewertete die Ermittlungen dennoch als Erfolg. „So weit waren wir noch nie“, sagte er den „Kieler Nachrichten“ (Freitag).

Die Fahnder seien tief in die kriminellen Strukturen eingedrungen und hätten erhebliche Querverbindungen aufgedeckt, bis hin zu Korruptionsfällen in den Behörden, betonte Schlie. So soll ein Justizvollzugsbeamter einem Rocker im Gefängnis ein Handy zu Verfügung gestellt haben. Er darf seinen Dienst erstmal nicht ausüben, bis die Vorwürfe strafrechtlich und dienstrechtlich geklärt sind.

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Auch ein städtischer Beamter und ein Polizist stehen unter dem Verdacht, für Geld Informationen an die Rockerbande gegeben zu haben. Der Beamte der Stadt Kiel ist vom Dienst freigestellt, zu dem Polizisten wollte das Landeskriminalamt (LKA) nichts sagen.

Überhaupt sind Polizei, LKA und Staatsanwaltschaft derzeit sehr wortkarg, wenn es um die Ermittlungen geht. Anders ein Ex-Rocker, der am Donnerstag als angeblicher Kronzeuge vor Gericht Einblicke in kriminelle Machenschaften der Hells Angels und des Milieus gewährte und über Waffen- und Drogenhandel, Schutzgelderpressung, Gewalt und Einschüchterung berichtete. Solche Aussagen sind ungewöhnlich in der straff geführten Organisation, in der Ermittler eher auf Mauern des Schweigens treffen. Der Mann, der wegen Zuhälterei und schwerer Körperverletzung angeklagt ist, gilt nun als Verräter; er fürchtet nach eigenen Angaben um sein Leben.

Die Aussagen des Ex-Rockers sind unter anderem ein Grund dafür, dass die Polizei seit einer Woche nach Überresten des mutmaßlich toten Türken Tekin Bicer sucht. Die Ermittler vermuten sie unter dem Boden einer Lagerhalle im Kieler Stadtteil Altenholz, in der Leichenhunde angeschlagen haben sollen. Mit schwerem Gerät wurden Betonplatten herausgerissen, Ermittler durchforsten wie Archäologen den Untergrund Quadratzentimeter für Quadratzentimeter. Die Statik der Halle wird dabei nach dpa-Informationen zu einem Problem, weil viele Betonplatten fehlen. Die Suche kann noch Tage oder Wochen dauern, und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie ergebnislos endet.

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Dem Ex-Rocker zufolge hatte angeblich der Chef der hannoverschen Hells Angels, der eine führende Rolle bei der Rockerbande in Deutschland spielen soll, der Ermordung des seit zwei Jahren vermissten Türken in Kiel zugestimmt. Dieser hat die Darstellung mittlerweile zurückgewiesen. Zumindest die Anwälte jener Hells Angels, die im Zuge der Großrazzia festgenommen wurden, dürften die Glaubwürdigkeit des Zeugen in Frage stellen und Widersprüche herausstreichen.

Die Polizei hatte vor mehr als einer Woche mit mehr als 1200 Beamten Bordelle, Kneipen und Wohnungen gestürmt. Es geht um den Verdacht des Menschenhandels (Prostitution) und der Korruption, um Erpressung und Waffenhandel. „Die Auswertung der gesammelten Unterlagen wird Monate in Anspruch nehmen“, sagte Oberstaatsanwältin Birgit Heß. (dpa)