Hamburg. Kaufsumme oder auch die Nebenkosten der Immobilie finanzieren? Das bringt Unterschiede bei den Zinskonditionen. Was Experten raten.
Die Vollfinanzierung einer Immobilie meint landläufig die Finanzierung aller beim Kauf anfallenden Kosten durch eine Bank. Allerdings ist der Begriff etwas unscharf, weil Kreditinstitute meist nur die reine Kaufsumme vollständig finanzieren, die Nebenkosten jedoch nicht.
Vollfinanzierung – was bedeutet das eigentlich?
Banker sprechen deshalb auch von einer 100-Prozent-Finanzierung, was sich eben auf den reinen Kaufpreis bezieht. Geht es um eine 110-Prozent-Finanzierung, stellt die Bank auch die Summe für die Nebenkosten zur Verfügung. Dieser Betrag ist nicht Teil des Baukredits, sondern wird in der Regel separat über einen Ratenkredit finanziert.
Für die Nebenkosten müssen Verbraucher 10 bis 15 Prozent des Kaufpreises zusätzlich einkalkulieren. Der Betrag setzt sich aus Grunderwerbsteuer, Notar- und Amtsgerichtskosten, Maklercourtage und ggf. Renovierungskosten zusammen.
Finanzierungsexperten raten, dass Käufer zumindest die Kaufnebenkosten selbst zahlen, um günstige Zinskonditionen zu erhalten. Die Niedrigzinsen gelten nämlich in der Regel für den Immobilienkredit, nicht für den Ratenkredit.
Wem genehmigen die Banken eine Vollfinanzierung?
Immobilienkäufer, die über 10 bis 20 Prozent Eigenkapital verfügen oder jedenfalls die Nebenkosten selbst finanzieren, erhalten meist problemlos eine 100-Prozent-Finanzierung. Eine gute Kreditwürdigkeit, nachgewiesen durch einen positiven Schufa-Wert, ist aber immer Voraussetzung.
Eine 110-Prozent-Finanzierung zu erhalten ist deutlich schwieriger. Die Kreditinstitute setzen dafür neben einer tadellosen Schufa-Bewertung auch ein hohes Einkommen und einen sicheren Arbeitsplatz voraus – ein Beamtenstatus hilft etwa. Ein schwankendes Einkommen, wie es bei Selbständigen und Freiberuflern vorkommt, erschwert eine Vollfinanzierung und schließt eine 110-Prozent-Finanzierung nahezu aus.
Die Kreditinstitute tun sich deshalb mit 110-Prozent-Finanzierungen schwer, weil der für die Nebenkosten gestellte Betrag nach dem Kauf ausgegeben ist, ohne dass ein materieller Gegenwert existiert. Das erhöht das gesamte Finanzierungsrisiko und wird von Banken nicht gern gesehen.
Bei der Kreditsumme für Haus oder Wohnung ist das anders: Die Immobilie stellt stets eine Sicherheit für die Banken dar.
Welche Risiken bringt die Vollfinanzierung einer Immobilie mit sich?
Eine Vollfinanzierung birgt gewisse Risiken, eine 110-Pozent-Finanzierung umso mehr – und zwar für Kreditnehmer als auch für Banken. Deshalb kalkulieren die Banken schon bei der 100-Prozent-Finanzierung Risikoaufschläge ein und verlangen eine höhere Tilgung. Außerdem zahlen die Käufer höhere Zinsen als solche mit höherem Eigenkapitalanteil.
Bei einer 110-Prozent-Finanzierung steigen die Zinsen rapide. Der Grund: Da die Kreditnehmer kein Eigenkapital einbringen, ist die finanzierte Summe höher und das Risiko für die Bank steigt. Kann ein Darlehensnehmer seine Raten nicht mehr bedienen, wird die Immobilie meist schnell und für einen geringeren Preis verkauft, als die Restschuld zum Verkaufszeitpunkt beträgt.
Der Kreditnehmer hat dann keine Immobilie mehr, aber trotzdem noch eine Restschuld bei der Bank zu begleichen. Bei finanzierten Nebenkosten existiert kein Sachwert und die Restschuld fällt umso höher aus.
Die Bank ist deshalb bei einer Vollfinanzierung daran interessiert, die Kreditsumme durch hohe Darlehensraten möglichst schnell zurück zu erhalten. Vollfinanzierer müssen also mit höheren monatlichen Belastungen rechnen. Bei zusätzlichem Abschluss eines Ratenkredits für die Nebenkosten steigen die Zinsen drastisch, weil für diese ganz andere Konditionen als für Immobilienkredite gelten, es können bis zu fünf Prozent Zinsen anfallen.
Welche Faktoren bedingen die Höhe der Zinsen?
Neben der Höhe des Eigenkapitals spielen die Höhe der Kreditsumme und die Laufzeit des Kredits eine Rolle. Außerdem das Risiko, das die Bank durch die Kreditvergabe eingeht: Je höher die Kreditausfall-Wahrscheinlichkeit, desto höher die Zinsen.
Um das Risiko zu kalkulieren, vergeben die Banken Rating-Noten, und zwar sowohl für das Objekt als auch den Kunden. Damit wird die Wirtschaftskraft des Kreditnehmers erfasst, ein Teil dessen ist die Höhe seines Eigenkapitals.
Für das Objekt-Rating ist die Werthaltigkeit der Immobilie ausschlaggebend und ihre voraussichtliche Entwicklung in Zukunft. Vor Vergabe eines Darlehens berechnet die Bank deshalb den Beleihungswert der Immobilie, also den Verkehrswert, abzüglich aller Risiken. Nur wenn dieser hoch genug ist, wird das Darlehen gewährt.
Beispiele für die Zinshöhe bei unterschiedlichen Eigenkapital-Anteilen
- Beispiel: Die Käufer verfügen über 135.000 Euro Eigenkapital und können damit Nebenkosten von 50.000 Euro decken sowie 20 Prozent des Kaufpreises, nämlich 85.000 Euro. Mit diesen Voraussetzungen erhalten sie günstige Konditionen, nämlich einen Zinssatz von 0,92 Prozent. Für die Käufer ergibt sich eine monatliche Kreditrate von ca. 950 Euro.
- Beispiel: Die Käufer streben eine 100-Prozent-Finanzierung an und verfügen über das Kapital für die Nebenkosten in Höhe von 50.000 Euro. Für das gleiche Objekt wie im 1. Beispiel würde der Zinssatz dann auf 1,1 Prozent steigen. Es ergibt sich für die Käufer eine monatliche Rate von 1.170 Euro.
- Beispiel: Müssen die Käufer neben dem Kaufpreis auch einen Teil der Nebenkosten finanzieren und somit z.B. ein Darlehen über 430.000 Euro aufnehmen (Immobilienkredit und Ratenkredit), dann können die Zinsen insgesamt auf ca. 1,68 Prozent steigen. Für die Käufer bedeutet das eine monatliche Rate von 1.680 Euro – und damit eine deutlich gestiegene Belastung.
Wann lohnt sich eine Vollfinanzierung?
Solange sich die Finanzierung auf den reinen Kaufpreis beschränkt und Eigenkapital zur Deckung der Nebenkosten vorhanden ist, sind die Zinsbedingungen in der Regel gut und eine Vollfinanzierung für viele Verbraucher machbar und lohnend.
Denn auch wenn eine Vollfinanzierung teurer ist als die Finanzierung mit Eigenkapital, lohnt sie sich meist im Vergleich zur lebenslangen Miete. Denn Mieten steigen im Laufe der Zeit und die monatlichen Zahlungen führen nicht zum Vermögensaufbau.
Beim Kauf mit Hilfe eines Immobilienkredits wird hingegen das Darlehen monatlich geringer und nach Abzahlung besitzt der Darlehensnehmer Haus oder Wohnung.
Aber: Vorsicht ist geboten bei 110-Prozent-Finanzierungen, denn dafür können durchaus fünf Prozent Zinsen anfallen, und das überfordert viele Kreditnehmer. Das Risiko, dass Käufer in diese Situation geraten, ist allerdings gering, denn eine solche Finanzierung gewähren Banken nur äußerst selten.