Hamburg. In der Nacht zum Sonntag werden die Uhren um eine Stunde auf Sommerzeit vorgestellt. Wie lange braucht der Körper für die Umstellung?

Langsam schwindet die Kälte, das Land räkelt sich wach. Die Bäume knospen, Krokusse blühen, Hummeln wärmen sich in der Sonne – kurzum: Der Frühling naht. Doch daran können sich längst nicht alle erfreuen: Etliche Menschen fühlen sich zunächst keineswegs munter.

Das beginnt mit der Zeitumstellung in der Nacht zum Sonntag: Um ­2 Uhr werden Deutschlands Uhren um eine Stunde vorgestellt. Die Nacht ist damit eine Stunde kürzer. In der Folge könne der natürliche Schlaf-wach-Rhythmus gestört sein, sagt Prof. Jürgen Zulley, Schlafforscher von der Universität Regensburg. „Unsere innere Uhr möchte eigentlich, dass wir später aufstehen und später ins Bett gehen – bei der Umstellung auf die Sommerzeit ist aber das Gegenteil der Fall.“ Am Tiefschlaf, der in den ersten fünf Stunden der Nacht stattfindet, ändere die fehlende Stunde nichts, allerdings beeinflusse sie den leichten Schlaf sowie den Traumschlaf am Ende der Nacht. Puls und Blutdruck seien dann noch niedrig, das Gehirn schütte noch Schlafhormone aus, der „Wachmacher“ Cortisol – ein Stresshormon – sei noch kaum aktiv.

Besonders häufig klagten die 45- bis 59-Jährigen über Beeinträchtigungen

Kein Wunder, dass viele Menschen auf die Sommerzeit nicht gut zu sprechen sind: Bei einer Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK sagten vor kurzem 73 Prozent der Befragten, dass sie die Zeitumstellung für überflüssig halten und dafür sind, dass sie abgeschafft wird. Damit stieg die Zahl der Gegner im Vergleich zum Jahr 2013 um vier Prozentpunkte. 27 Prozent der Befragten sagten, dass sie bereits einmal Probleme mit der Zeitumstellung hatten. Das traf mehr Frauen (32 Prozent) als Männer (23 Prozent). Besonders häufig klagten die 45- bis 59-Jährigen über Beeinträchtigungen (36 Prozent). Von denjenigen, die Probleme mit der Zeitumstellung hatten, fühlten sich viele müde oder schlapp (75 Prozent) und hatten Einschlafprobleme oder Schlafstörungen (62 Prozent). 36 Prozent konnten sich den Ergebnissen zufolge schlechter konzentrieren, während sich 31 Prozent gereizt fühlten. „Das fühlt sich an wie ein Mini-Jetlag“, sagt Schlafforscher Zulley.

Zeitumstellung in der Nacht zu Sonntag
Zeitumstellung in der Nacht zu Sonntag

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    Was tun? Zulley empfiehlt, dass man sich rechtzeitig auf die Zeitumstellung vorbereitet. Es sei sinnvoll, schon am Sonnabend eine halbe Stunde früher aufzustehen, auch die Mahlzeiten um eine halbe Stunde vorzuverlegen und abends eine halbe Stunde eher ins Bett zu gehen. „So kommt der Körper schon mal in den Sommerzeit-Rhythmus.“ Am Sonntag sollte man Aufstehen, Essen und Schlafen um eine weitere halbe Stunde vorverlegen, rät Zulley. So sei die eine Stunde am Montagmorgen schon aufgeholt. Darf man sich denn Mittagsschlaf gönnen? Am Sonntag sollte man besser auf ein Nickerchen verzichten, denn das erschwere das frühere Einschlafen am Abend, und man sei Montagmorgen noch müder. Auch am Montag sollte man wenn möglich ohne Mittagsschlaf auskommen, rät Zulley. Dann könne der Körper sich leichter an die neue Zeit gewöhnen.

    Was hilft mir sonst noch bei der Zeitumstellung? „Ganz wichtig: Nicht ärgern!“, sagt Zulley. Man sollte sich bewusst machen, dass die Müdigkeit nur vorübergehend ist. In der Regel brauche die innere Uhr ein bis zwei Tage, um sich umzustellen. Auch wenn das am frühen Morgen ein bisschen fies ist: „Alles Licht anmachen, was da ist“, rät Zulley. Denn Licht braucht man, um wach zu werden. Auch Musik aufdrehen helfe beim Aufwachen – und mache trotz Zeitumstellung gute Laune.

    Auch die Frühjahrsmüdigkeit kann sehr belastend sein

    Mit der Zeitumstellung gar nichts zu tun hat ein anderes Phänomen: die Frühjahrsmüdigkeit. Auch die davon betroffenen Menschen fühlen sich matt und erschöpft, sind leicht reizbar und weniger leistungsfähig. Allerdings haben sie damit meist erheblich länger zu kämpfen als nur für ein paar Tage.

    Dieser Zustand kann zwar sehr belastend sein. Aber eine Erkrankung im medizinischen Sinne ist es nicht. „Wir sprechen von einer Befindlichkeitsstörung“, sagt Dr. Jörg Putensen, Schlafmediziner und Oberarzt der Medizinischen Klinik im Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg. „Sie lässt sich nicht durch Studien wissenschaftlich messen oder beweisen, sondern beruht eher auf einer Art Erfahrungsmedizin.“

    Besonders anfällig für die Frühjahrsmüdigkeit sind Menschen, die zu niedrigem Blutdruck neigen, und solche, die besonders stressempfindlich sind und auch häufiger unter anderen Befindlichkeitsstörungen wie beispielsweise Schlafstörungen oder Gereiztheit leiden.

    Das sagen die Experten zur Zeitumstellung

    Wenn die Nacht vor einem wichtigen Fußballspiel plötzlich eine Stunde kürzer ist, kostet das Aufstehen am  Morgen besonders viel Disziplin.
    Wenn die Nacht vor einem wichtigen Fußballspiel plötzlich eine Stunde kürzer ist, kostet das Aufstehen am Morgen besonders viel Disziplin. © Bettina Stein
    Ob Sommer- oder Winterzeit, ob die Uhr vorgestellt wird oder zurück, davon lassen sich Verbrecher ebenso wenig beeindrucken wie die Polizisten im Kreis Stormarn. Laut Sonja Kurz, Pressesprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg, ist die Zeitumstellung kein großes Thema für die Beamten, die von Sonnabend auf Sonntag in der Nachtschicht arbeiten werden: „Das läuft bei uns ganz normal als Dienstzeit und wird selbstverständlich auch ganz normal bezahlt. Im Frühjahr hat man eben Glück, im Herbst hat man Pech. Die Kolleginnen und Kollegen sehen das ganz locker.“ 
    Ob Sommer- oder Winterzeit, ob die Uhr vorgestellt wird oder zurück, davon lassen sich Verbrecher ebenso wenig beeindrucken wie die Polizisten im Kreis Stormarn. Laut Sonja Kurz, Pressesprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg, ist die Zeitumstellung kein großes Thema für die Beamten, die von Sonnabend auf Sonntag in der Nachtschicht arbeiten werden: „Das läuft bei uns ganz normal als Dienstzeit und wird selbstverständlich auch ganz normal bezahlt. Im Frühjahr hat man eben Glück, im Herbst hat man Pech. Die Kolleginnen und Kollegen sehen das ganz locker.“  © Christian Thiesen
    Ärzte und Pfleger, die am Sonnabend für die Nachtschicht im Krankenhaus eingeteilt sind, können sich über die Zeitumstellung freuen.
    Ärzte und Pfleger, die am Sonnabend für die Nachtschicht im Krankenhaus eingeteilt sind, können sich über die Zeitumstellung freuen. © Lena Thiele
    Viele der Kirchturmuhren im Kreis werden sich Sonntagnacht automatisch umstellen. So auch die der Peter-und-Paul-Kirche in Bad Oldesloe.
    Viele der Kirchturmuhren im Kreis werden sich Sonntagnacht automatisch umstellen. So auch die der Peter-und-Paul-Kirche in Bad Oldesloe. © Janina Dietrich
    Die Zeitumstellung bleibt vielen Tieren nicht verborgen. Sie sind schließlich an feste Fütterungszeiten gewöhnt. Komplizierter ist das bei Milchkühen, die zweimal am Tag gemolken werden.
    Die Zeitumstellung bleibt vielen Tieren nicht verborgen. Sie sind schließlich an feste Fütterungszeiten gewöhnt. Komplizierter ist das bei Milchkühen, die zweimal am Tag gemolken werden. © Birgit Schücking
    Viele Menschen fühlen sich zu Beginn der Sommerzeit sehr müde. Gerade im Straßenverkehr kann fehlende Aufmerksamkeit gefährlich werden.
    Viele Menschen fühlen sich zu Beginn der Sommerzeit sehr müde. Gerade im Straßenverkehr kann fehlende Aufmerksamkeit gefährlich werden. © Michael Rauhe | Michael Rauhe
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    Auch wenn es sich nicht um eine Krankheit handelt: Medizinische Erklärungsmodelle gibt es dafür schon. Dabei scheinen vor allem die Hormone eine wichtige Rolle zu spielen, insbesondere das Serotonin. Diese stimulierende, euphorisierende Substanz wird auch gern als Glückshormon bezeichnet und vermehrt unter Einfluss von Licht in unserem Körper gebildet. „Eine Überlegung ist, dass unsere Serotoninspeicher in der langen dunklen Jahreszeit aufgebraucht werden, sodass sie zu Beginn des Frühjahrs leer sind. Dann brauchen die Speicher in der Sonne des Frühjahrs erst wieder eine gewisse Zeit, um sich zu füllen“, sagt Putensen. Ein anderes Hormon hingegen, das Schlafhormon Melatonin, wurde während der dunklen Wintertage im Übermaß gebildet, sodass man sich müde und erschöpft fühlt.

    Ein anderes Erklärungsmodell: „Durch die steigenden Temperaturen im Frühjahr erweitern sich die Blutgefäße. Das hat zur Folge, dass der Blutdruck abfällt. Man fühlt sich matt und müde, wie viele Menschen, die unter niedrigem Blutdruck leiden“, erklärt Putensen.

    Müdigkeit, die länger anhält, sollte man beim Hausarzt abklären lassen

    Üblicherweise beginnt die Frühjahrsmüdigkeit Mitte März und kann dann zwischen zwei und vier Wochen anhalten. Allerdings sollte man nicht jede Erschöpfung als Frühjahrsmüdigkeit abtun. „Wenn sie in dieser Zeit auftritt, wird sie oft als Frühjahrsmüdigkeit interpretiert – und möglicherweise auch fehlgedeutet“, meint Putensen. „Denn es können auch Krankheiten dahinterstecken, die mit Müdigkeit einhergehen. Dazu gehören zum Beispiel Erkrankungen wie Blutarmut, Infektionen, ­Depression oder eine Unterfunktion der Schilddrüse. Aber auch die Schlafapnoe, das krankhafte Schnarchen mit nächtlichen Atemaussetzern, das typischerweise mit Müdigkeit am Tage einhergeht und nicht saisonabhängig ist.“ Putensen empfiehlt deswegen, jede Müdigkeit, die länger als zwei bis vier Wochen anhält und über den Frühlingsanfang hinaus besteht, beim Hausarzt abklären zu lassen.

    Sollte es sich wirklich nur um eine Frühjahrsmüdigkeit handeln, rät ­Putensen, sich auf keinen Fall in der Wohnung zu verkriechen, sondern möglichst viel an die frische Luft zu gehen. „Selbst wenn der Himmel bedeckt ist, bekommt man draußen immer noch mehr Helligkeit ab als im beleuchteten Wohnzimmer.“ Am besten ist es, wenn man den Aufenthalt im Freien dann noch mit regelmäßiger Bewegung kombiniert. Ideal sind Ausdauersportarten, wie zum Beispiel längere Spaziergänge, Joggen, Radfahren oder Tennisspielen. Auch die richtige Ernährung kann dabei helfen, sich fitter zu fühlen und mit mehr neuer Energie in den Frühling zu starten: leichte Kost mit viel frischem Obst und Gemüse.