Braunschweig . Es ist eine gewohnte Prozedur: Die Sommerzeit startet. Und das schon zum 35. Mal. Glücklich ist damit bei weitem nicht jeder.

Schlechte Nachrichten für Langschläfer: Am frühen Sonntagmorgen startet die Sommerzeit. Die Nacht auf den 29. März hat dadurch eine Stunde weniger. Die Uhren werden von 2.00 Uhr auf 3.00 Uhr vorgestellt. Die Zeitumstellung findet damit zum 35. Mal statt. Seit 1980 dreht Deutschland im Frühjahr und Herbst an der Uhr.

Verantwortlich für die Zeitumstellung ist die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig. In ihrem Auftrag werden am Sonntag über den Langwellensender DCF77 im hessischen Mainflingen Millionen Funkuhren auf Sommerzeit eingestellt. Das Prinzip ist zwar noch dasselbe wie vor 35 Jahren, sagt Dirk Piester aus dem PTB-Zeitlabor. Aber: „Wir brauchen kein manuelles Eingreifen mehr.“ Die Zeitumstellung sei mittlerweile einprogrammiert. In der Nacht auf Sonntag sei der Sender in Mainflingen ausnahmsweise besetzt - für den Notfall, der allerdings noch nie eingetreten sei.

Zeitumstellung - sinnvoll oder sinnlos?

Doch wie sinnvoll ist die Uhrumstellung eigentlich? Eine aktuelle Umfrage der Krankenkasse DAK ergab eine Ablehnung von 73 Prozent. Auch das Hamburger Abendblatt wollte von Ihnen wissen, was Sie von der Uhrumstellung halten. Das Ergebnis: 76 Prozent – und damit noch mehr als bei der DAK-Umfrage – sind für eine Abschaffung.

Doch warum wird die Bitte der Deutschen, die Sommerzeit abzuschaffen, nicht umgesetzt? „Damit der Staat zeigen kann, dass er Macht hat“, behauptet der Zeitforscher Karlheinz Geißler gegenüber dem Abendblatt: „Die Zeit ist die mächtigste Institution, damit macht die Regierung den Menschen abhängig von sich.“ Der emeritierte Professor für Wirtschaftspädagogik besitzt selbst seit langem keine Uhr mehr.

Ursprünglich sollte Energie gespart werden

Als die Sommerzeit vor 35 Jahren eingeführt wurde, sollte Energie gespart werden. Denn abends ist es dadurch eine Stunde länger hell. Geklappt hat das laut Umweltbundesamt allerdings nicht. Im Sommer machen die Menschen zwar abends seltener das Licht an. Dafür wird im Frühjahr und Herbst in den Morgenstunden mehr geheizt; denn die Sonne geht bei Sommerzeit später auf. Das gleiche sich unterm Strich aus.

Die Deutsche Bahn spart sich durch die Zeitumstellung am Sonntag einige Fahrten. „S-Bahnzüge, die nur innerhalb dieser Stunde unterwegs wären, fallen - unbemerkt - aus“, schreibt das Unternehmen auf ihrer Homepage. Bei Nachtzügen würden Aufenthalte gekürzt. Sei dies nicht möglich, kämen Züge an diesem Tag verspätet ans Ziel.

Doch selbst wenn die Umstellung längst Routine ist: Sie ist bis heute umstritten. Viele Menschen wollen nicht zweimal im Jahr an ihren Uhren drehen - und nicht wenige beklagen gesundheitliche Probleme wie Konzentrations- und Schlafstörungen.

TK rät zu Gelassenheit

"Viele können nach der Umstellung abends zur gewohnten Uhrzeit schlecht einschlafen und klagen morgens über Müdigkeit. Gesundheitsgefährdend ist die Zeitumstellung aber nicht", sagt Maren Puttfarcken, Leiterin der TK-Landesvertretung Hamburg. "Der Vergleich mit einem Mini-Jetlag trifft die Sache ganz gut."

Grund für die Probleme ist die innere Uhr, die wesentlich träger ist als der Uhrzeiger. Besonders die Sonne beeinflusst durch den Wechsel von Hell und Dunkel im Tagesverlauf die Ausschüttung des Schlafhormons Melatonin. Deshalb sind viele Menschen nach der Zeitumstellung noch nicht müde, obwohl die Uhr ihnen bereits die gewohnte Schlafenszeit anzeigt. "Die Anpassung an den neuen Tag-Nacht-Rhythmus kann individuell sehr unterschiedlich lange dauern. Wir raten dabei zu mehr Gelassenheit. Zumindest in den ersten Tagen der Sommerzeit sollte man es einfach etwas ruhiger angehen lassen und sich, wenn möglich, viel im Freien aufhalten", so Puttfarcken.

Zeitumstellung - Fragen und Antworten

„Im Sommer stellt man die Gartenmöbel VOR die Tür, im Winter ZURÜCK in den Schuppen.“ Um bei der alljährlichen Zeitumstellung nicht die Orientierung zu verlieren, greifen viele gern auf solche Merksätze zurück. Zur anstehenden Zeitumstellung am kommenden Sonntag sollte man sich nicht zu viel vornehmen – denn der Tag wird nur 23 Stunden haben. Die Uhren werden um Uhr auf 3 Uhr eine Stunde vorgestellt.

Zeitumstellung – was heißt das eigentlich?

Seit 1996 stellen die Menschen in allen EU-Ländern einheitlich die Uhren am letzten Sonntag im März eine Stunde vor und am letzten Oktober-Sonntag wieder eine Stunde zurück. In Deutschland sendet die von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig programmierte Atomuhr das Signal – für die Uhren der Deutschen Bahn ebenso wie für die Funkuhr daheim. Die juristischen Grundlagen regelt das „Gesetz über die Einheiten im Messwesen und die Zeitbestimmung“.

Wann gab es in Deutschland zum ersten Mal Sommerzeit?

Von 1916 bis 1918. Das Kaiserreich wollte während des Ersten Weltkrieges die Arbeitskraft in der Rüstungsindustrie durch mehr Tageslicht besser nutzen. Auch von 1940 bis 1949 galt die Sommerzeit. 1947 wurden die Uhren gar zwei Stunden vorgestellt, um nach dem Zweiten Weltkrieg mehr Tageslicht beim Wiederaufbau der Infrastruktur zu haben. Unter dem Eindruck der Ölkrise von 1973 rückte die Sommerzeit erneut in den Fokus und wurde 1980 wieder eingeführt – zeitgleich mit der DDR. Das Ziel: Energie sparen.

Warum war es wichtig, die Zeit zu vereinheitlichen?

Wenn es heute in Deutschland 12.00 Uhr ist, schlagen die Uhren überall zur selben Zeit. Im 19. Jahrhundert war das noch anders: Große Städte legten ihre Zeit selbstständig nach dem Stand der Sonne fest. An verschiedenen Orten des Deutschen Reiches gingen die Uhren also jeweils ein paar Minuten anders, es gab 60 unterschiedliche Zeitzonen. Das bereitete den Eisenbahngesellschaften im alltäglichen Betrieb Probleme. Mit der Entwicklung von Eisenbahnnetz und Telegrafie wurde eine einheitliche Zeit immer wichtiger.

Wie wurde das politisch umgesetzt?

Am 1. April 1893 trat im Deutschen Reich ein entsprechendes Gesetz in Kraft: Die Mitteleuropäische Zeit (MEZ) löste die unterschiedlichen Ortszeiten ab. Zuvor hatte eine Konferenz in Washington die Welt 1884 in 24 Zeitzonen eingeteilt und damit die Basis zur Vereinheitlichung der Zeit geschaffen. Seitdem verläuft der Nullmeridian durch das Observatorium von Greenwich bei London und gibt die Weltzeit (UTC) an. In Deutschland rechnen wir im Winter eine Stunde hinzu – und zwei Stunden, wenn am 29. März um 02:00 Uhr die Zeiger auf Sommerzeit (MESZ) vorgestellt werden.

Wird durch die Zeitumstellung wirklich Energie gespart?

Nein, sagt das Umweltbundesamt. Zwar knipsen wir durch die Zeitumstellung im Sommer tatsächlich abends weniger häufig das Licht an – im Frühjahr und Herbst jedoch wird in den Morgenstunden dafür mehr geheizt. Unter dem Strich gibt es durch die Sommerzeit allein keine Ersparnis.

Wie stehen die Deutschen eigentlich dazu?

Mehr als zwei Drittel der Menschen in Deutschland sind gegen die Zeitumstellungen im Frühling und im Herbst. 73 Prozent der Befragten halten die Zeitumstellung für überflüssig und sind dafür, dass sie abgeschafft wird – das ist das Ergebnis einer aktuellen Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenkasse DAK-Gesundheit.

Wie wirkt sich die Zeitumstellung auf die Menschen aus?

27 Prozent der Befragten der Forso-Unfrage gaben an, dass sie schon einmal Probleme mit der Zeitumstellung hatten. Viele fühlten sich demnach müde oder schlapp (75 Prozent), hatten Einschlafprobleme oder Schlafstörungen (62 Prozent).

Und wann bekommen wir die gestohlene Stunde zurück?

Am 25. Oktober 2015 endet die Sommerzeit in Deutschland: Dieser Tag wird 25 Stunden haben. (dpa/cas)

Das sagen die Experten zur Zeitumstellung

Wenn die Nacht vor einem wichtigen Fußballspiel plötzlich eine Stunde kürzer ist, kostet das Aufstehen am  Morgen besonders viel Disziplin.
Wenn die Nacht vor einem wichtigen Fußballspiel plötzlich eine Stunde kürzer ist, kostet das Aufstehen am Morgen besonders viel Disziplin. © Bettina Stein
Ob Sommer- oder Winterzeit, ob die Uhr vorgestellt wird oder zurück, davon lassen sich Verbrecher ebenso wenig beeindrucken wie die Polizisten im Kreis Stormarn. Laut Sonja Kurz, Pressesprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg, ist die Zeitumstellung kein großes Thema für die Beamten, die von Sonnabend auf Sonntag in der Nachtschicht arbeiten werden: „Das läuft bei uns ganz normal als Dienstzeit und wird selbstverständlich auch ganz normal bezahlt. Im Frühjahr hat man eben Glück, im Herbst hat man Pech. Die Kolleginnen und Kollegen sehen das ganz locker.“ 
Ob Sommer- oder Winterzeit, ob die Uhr vorgestellt wird oder zurück, davon lassen sich Verbrecher ebenso wenig beeindrucken wie die Polizisten im Kreis Stormarn. Laut Sonja Kurz, Pressesprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg, ist die Zeitumstellung kein großes Thema für die Beamten, die von Sonnabend auf Sonntag in der Nachtschicht arbeiten werden: „Das läuft bei uns ganz normal als Dienstzeit und wird selbstverständlich auch ganz normal bezahlt. Im Frühjahr hat man eben Glück, im Herbst hat man Pech. Die Kolleginnen und Kollegen sehen das ganz locker.“  © Christian Thiesen
Ärzte und Pfleger, die am Sonnabend für die Nachtschicht im Krankenhaus eingeteilt sind, können sich über die Zeitumstellung freuen.
Ärzte und Pfleger, die am Sonnabend für die Nachtschicht im Krankenhaus eingeteilt sind, können sich über die Zeitumstellung freuen. © Lena Thiele
Viele der Kirchturmuhren im Kreis werden sich Sonntagnacht automatisch umstellen. So auch die der Peter-und-Paul-Kirche in Bad Oldesloe.
Viele der Kirchturmuhren im Kreis werden sich Sonntagnacht automatisch umstellen. So auch die der Peter-und-Paul-Kirche in Bad Oldesloe. © Janina Dietrich
Die Zeitumstellung bleibt vielen Tieren nicht verborgen. Sie sind schließlich an feste Fütterungszeiten gewöhnt. Komplizierter ist das bei Milchkühen, die zweimal am Tag gemolken werden.
Die Zeitumstellung bleibt vielen Tieren nicht verborgen. Sie sind schließlich an feste Fütterungszeiten gewöhnt. Komplizierter ist das bei Milchkühen, die zweimal am Tag gemolken werden. © Birgit Schücking
Viele Menschen fühlen sich zu Beginn der Sommerzeit sehr müde. Gerade im Straßenverkehr kann fehlende Aufmerksamkeit gefährlich werden.
Viele Menschen fühlen sich zu Beginn der Sommerzeit sehr müde. Gerade im Straßenverkehr kann fehlende Aufmerksamkeit gefährlich werden. © Michael Rauhe | Michael Rauhe
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