Der Deutsche Wetterdienst liefert zunehmend genaue und treffsichere Vorhersagen. Nun soll ein neuer Hochleistungsrechner den nächsten Qualitätssprung bei der Wettervorhersage einleiten.

Offenbach/Hamburg. Sommerhitze mit Gewitterneigung – dieses Wetter ist für die Vorhersage Gift. Die Schauer können lokal Häuser und Straßen unter Wasser setzen, während in benachbarten Dörfern oder Stadtteilen alles trocken bleibt. Die Meteorologen behelfen sich mit Formulierungen wie: „Es sind lokale Gewitter möglich“, um die Unsicherheit in den Griff zu bekommen. Ansonsten hat die Vorhersagegenauigkeit der nationalen Nummer eins, des Deutschen Wetterdienstes (DWD), mit der gestiegenen Leistung der Supercomputer deutlich zugenommen. Bald soll ein weiterer Qualitätssprung folgen: Derzeit wird in Offenbach ein neuer Rechner installiert. Auf ihm werden zwei deutlich komplexere Softwaremodelle noch genauere Prognosen erzeugen. Betriebsstart: Oktober 2014.

„Heute ist die Wettervorhersage für sechs Tage besser als die 24-Stunden-Prognose im Jahr 1968“, sagt DWD-Sprecher Gerhard Lux. Damals wurde der erste Computer eingesetzt; Vorhersagen für mehr als zwei Tage waren nicht möglich. Inzwischen wird in Offenbach das Wetter bis zu sieben Tage berechnet. Betrachtet wird vor allem der Nordatlantik und Mitteleuropa, weil sich dort das deutsche Wetter zusammenbraut. Das Gebiet wird mit unterschiedlich feinen Rastern belegt. Für jeden Gitterpunkt werden meteorologische Daten wie Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchte errechnet. Über Deutschland ist die Auflösung am höchsten, hier beträgt der Abstand der Gitterpunkte 2,8 Kilometer. „In Bodennähe kommen wir mit dem globalen Modell auf fast 1,5 Millionen Gitterpunkte“, sagt Lux. „Doch wir müssen auch in die Höhe rechnen. Deshalb gibt es dieses Raster in 60 Stockwerken der Atmosphäre, bis etwa 40 Kilometer Höhe. Macht zusammen 88 Millionen Gitterpunkte, deren Werte in Minutenschritten ermittelt werden. Sie können sich vorstellen, welche Rechenleistung eine Sieben-Tage-Prognose erfordert.“

Auch für den achten, neunten und zehnten Tag wird das Wetter simuliert, dies jedoch am Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage in Reading (England), an dem der DWD beteiligt ist. Hier ist ein anderes Vorhersagemodell am Werk, das langfristig wirkende Faktoren wie die Wechselwirkungen von Ozean und Atmosphäre stärker berücksichtigt. Der DWD habe sich darauf konzentriert, die Kurzfristvorhersagen zu verbessern, sagt Gerhard Lux. Reichten sie nur über einen Tag, so seien sie im Jahresmittel zu etwa 98 Prozent richtig – mehr gehe nicht, jedenfalls nicht mit einem vertretbaren Aufwand. Lux: „Es macht mehr Sinn, die drei- und mehrtägigen Prognosen zu verbessern, als bei den 24- oder 48-Stunden-Prognosen noch ein Promille zulegen zu wollen.“

Grundsätzlich gilt: Je stabiler die Wetterlage, desto genauer die Vorhersage. Deshalb sei es einfacher, Wetterberichte im Oktober zu machen als im wechselhaften Frühjahr, sagt der Meteorologe. Und der Altweibersommer biete günstigere Prognosebedingungen als die Hundstage, an denen sich in der aufgeheizten Atmosphäre innerhalb kürzester Zeit Gewitterwolken auftürmen und schlimmstenfalls Unwetter verursachen. Als Vorboten von Gewittern fegen zudem oft Sturmböen über das Land, die ebenfalls auf begrenztem Raum Schäden anrichten und durch ihr chaotisches Auftreten kaum vorhersagbar sind. Lux: „Fallwinde, die dem Gewitter vorauseilen, sind Phänomene, die vielleicht zehn Minuten dauern. Sie passen nicht in Vorhersagemodelle.“

Längst reicht es nicht mehr, die Nation über Temperatur und Niederschlag der kommenden Tage zu informieren. Medizinmeteorologen prognostizieren Hitze- und sonstige durch das Wetter verursachte körperliche Belastungen. Landwirte brauchen Informationen etwa zum Wasserhaushalt und zur Bodentemperatur. Windstromerzeuger interessieren die kommenden Windverhältnisse, Solaranlagenbetreiber die voraussichtliche Sonnenstundenzahl. Die Energieversorger brauchen beides, um das Versorgungsnetz optimal zu managen. Auch Luftfahrt, Schifffahrt, Wasserwirtschaft und Katastrophenschutz nutzen spezielle Wetterdaten. „Der DWD verbreitet rund 40.000 Vorhersagen pro Tag, die meisten natürlich maschinell“, sagt Lux.

Noch mehr Details soll der neue Supercomputer im Deutschen Meteorologischen Rechenzentrum des DWD liefern. Das System XC30 des Herstellers US-Cray wird in der zweiten Ausbaustufe die dreifache Leistung des heutigen Systems haben – so viel wie 30.000 handelsübliche PC. Gleichzeitig sinkt der Stromverbrauch um 25 und der Platzbedarf um 70 Prozent. Auf dem Hochleistungsrechner werden zwei neue Modelle mit höherer räumlicher Auflösung laufen; eines davon wurde vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie mitentwickelt.

Ein weiterer Qualitätsfaktor, die Ensemble-Vorhersagen, benötigt ebenfalls viel Rechenleistung. Die Meteorologen variieren die Anfangsbedingungen und starten mehrere Simulationen, um nicht nur die wahrscheinlichste Entwicklung, sondern auch andere mögliche Wettertrends zu verfolgen. Wenn sich etwa ein Niederschlagsgebiet so verlagern könnte, dass es zu Hochwasser führt, zeigt sich bei den stündlich aktualisierten Berechnungen, ob eine solche Entwicklung wahrscheinlicher oder unwahrscheinlicher wird – bei steigendem Risiko werden Hochwasserzentralen informiert.

Neben der Qualität der Datengrundlage sei die Darstellung maßgeblich für den optimalen Nutzen von Wettervorhersagen, sagt Lux. Das zeigte gerade auch ein Check der Stiftung Warentest: Von zehn getesteten Online-Wetterdiensten schnitt nur einer mit „gut“ ab (Wetter.com). Mit der Note 2,4 hat er nur einen knappen Vorsprung vor der Konkurrenz. Die neun weiteren Anbieter erhielten alle ein „befriedigend“, mit einer Notenbandbreite von 2,6 (Wetter.info, Wetteronline.de) bis 3,2 (Donnerwetter.de).

Die Tester untersuchten beispielhaft Temperaturprognosen für Berlin. Die Vorhersage für den vierten Tag wich im Durchschnitt der Dienste um plus/minus zwei Grad ab. Das heißt, dass bei vorhergesagten 22 Grad auch 20 oder 24 Grad auftreten können. Bei sechs Tagen lag die Bandbreite bei knapp 19 bis gut 25 Grad, bei acht Tagen bei 18 bis 26 Grad. Stiftung Warentest kritisiert den Testsieger Wetter.com nur für viel Werbung und die Vorhersage über 16 Tage. Solche Prognosen seien „zu ungenau, um wirklich zu helfen“. Auch der DWD veröffentlicht eine 15-Tage-Prognose, beschränkt sich aber auf den Temperaturtrend und nennt ab dem fünften Tag nur Bandbreiten, keine Einzelwerte.

Viele Online-Wetterdienste nutzen die Datenbasis des DWD-Rechners und interpretieren sie unterschiedlich. „Sie vergleichen die Prognose zum Beispiel mit ähnlichen Werten in der Vergangenheit oder berücksichtigen besondere Lagen wie Gebirge und Küsten“, schreibt Stiftung Warentest. Jeder Anbieter habe dafür „sein eigenes, streng geheimes Rezept“. So kommt es, dass Wetterprognosen im Internet sich oft deutlich unterscheiden – trotz ständig verbesserter Vorhersagemodelle.