Hamburger Mediziner von der Asklepios Klinik St. Georg erproben ein neues Verfahren, bei dem sie per Katheter ein spezielles Cardioband einsetzen – ohne Operation.
Hamburg. Wenn jeder Schritt zur Luftnot führt und das Treppensteigen zur Qual wird, ist oft das Herz Schuld. Eine undichte Mitralklappe führt zu diesen Beschwerden. Herzmediziner können dieses Leiden im Prinzip gut beheben. Die Ursache ist bei einer Ultraschalluntersuchung genau zu erkennen, und eine Operation, um die Klappe so herzurichten, dass sie wieder dicht schließt und der störende Rückfluss im Blutkreislauf verhindert wird, gilt in Hamburgs Herzzentren inzwischen als Routineeingriff.
Allerdings kommt ein solcher Schritt nicht für jeden Patienten infrage. Viele der Betroffenen sind nämlich schon sehr alt. Eine Operation am offenen Herzen, bei dem das lebenswichtige Organ stillgelegt werden muss und der Kreislauf über eine Herz-Lungen-Maschine in Gang gehalten wird, ist vielen nicht mehr zuzumuten. Das Risiko, zumal wenn die Betroffenen noch unter anderen chronischen Erkrankungen wie Diabetes leiden, wäre zu groß. „50 Prozent der über 80-Jährigen können wegen des zu hohen Risikos nicht operiert werden“, sagt Prof. Karl-Heinz Kuck, Chef-Kardiologe der Asklepios Klinik St. Georg. Trotzdem soll ihnen geholfen werden. Deshalb suchen Mediziner weltweit seit Jahren nach einer Methode, um diese Herzpatienten schonend zu behandeln – ohne eine Operation am stillgelegten Herzen.
Da bieten sich die Katheterverfahren geradezu an. Über dünne, biegsame Röhrchen, die sogenannten Katheter, die über ein Blutgefäß an der Hüfte bis zum Herzen geschoben werden, hat man mehrere Techniken in den vergangenen Jahren erprobt. So wurden zum Beispiel mit Clips, einer Art Metallklammern, die Segel der Mitralklappe zusammengeführt. Alle technischen Varianten dieser Methode sind auf Dauer jedoch nicht Erfolg versprechend, auch wenn sie kurzfristig eine Linderung der Beschwerden bringen. Eine dauerhafte Lösung, wie sie die Operation zur Rekonstruktion einer Mitralklappe in der Regel erzielt, wurde auf diese Weise bisher nicht erzielt.
„Jetzt aber sieht es nach einem Durchbruch aus“, sagt Karl-Heinz Kuck, der sonst eher wissenschaftlich zurückhaltend bei Prognosen über die Wirksamkeit neuer Verfahren ist. Kuck und sein Team haben in den vergangenen fünf Monaten in der Asklepios Klinik St. Georg vier Patienten mit einer neuen Methode behandelt. Dies geschah im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts, bei dem die neue Technik bisher nur noch an zwei weiteren Spezialzentren weltweit – in Mailand und Paris – bei 15 Patienten erprobt wurde.
Das Ungewöhnliche daran: Erstmals können die Kardiologen über eine speziell entwickelte Kathetervorrichtung eine undichte Mitralklappe in der gleichen Weise verändern, wie dies mit erheblich größerem Aufwand sonst nur die Kollegen aus der Herzchirurgie schaffen. Dr. Christian Frerker aus dem Team von Karl-Heinz Kuck: „Zum ersten Mal haben wir als Kardiologen die Möglichkeit, das erfolgreiche chirurgische Verfahren nachzuahmen.“
Die Herzchirurgen legen nämlich bei einer Operation einen Ring um die Klappenöffnung, der in das Gewebe eingenäht wird, und ziehen mit ihm die Öffnung wieder soweit zusammen, dass die Klappensegel die so geraffte Öffnung bei ihren rhythmischen Bewegungen wieder schließen können. Damit stellen die Chirurgen die Ventilfunktion wieder her.
Anders ausgedrückt: Eine derart rekonstruierte Mitralklappe lässt kein Blut mehr zurückfließen, was ansonsten auf Dauer zur Gefahr für Herz und Leben werden könnte.
Einen solchen lebensrettenden Ring haben auch die Kardiologen in St. Georg angelegt – aber ohne OP nur über einen Katheter. Form und Funktion des sogenannten Cardiobands entsprechen den Standardverfahren der Chirurgie. Die Technik für das Verfahren hat ein israelisches Start-up-Unternehmen entwickelt.
Neben der schonenderen Vorgehensweise bietet das Cardioband einen weiteren Vorteil. Denn die Kardiologen behandeln den Patienten am schlagenden Herzen, wohingegen die Chirurgen das Herz stilllegen müssen und deshalb auf den Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine angewiesen sind. Durch den Kathetereingriff am schlagenden Herzen „können wir das Cardioband exakt anpassen“, sagt Karl-Heinz Kuck. Denn über ihre Monitore sehen die Kardiologen genau, wie stark sie das Band zusammenziehen müssen, um millimetergenau die Dichtigkeit der Klappe wieder herzustellen. Die Chirurgen müssen diesen Operationsschritt am stillgelegten Herzen quasi mit Augenmaß vornehmen. Das Cardioband wird über den Katheter allerdings nicht vernäht, sondern an etwa zwölf Stellen mit Minischrauben an der Klappenöffnung befestigt. Von diesem technischen Unterschied abgesehen, ähnelt sich das Ergebnis der beiden Verfahren auf verblüffende Weise.
Karl-Heinz Kuck sieht in dem Cardioband eine erfolgversprechende Methode, in Zukunft auch bisher nicht operablen Patienten eine dauerhafte Lösung ihrer Mitralklappenundichtigkeit bieten zu können.
Noch ist das Verfahren im Versuchsstadium, begleitet von der Forschung. Die Ergebnisse der an den drei Zentren vorgenommenen Eingriffe sollen ausgewertet werden, sobald etwa 30 Patienten damit behandelt worden sind. Erhärten sich die bisherigen positiven ersten Eindrücke, folgt die Beantragung der Zulassung des Verfahrens bei den Behörden. Dann können weitere Herzzentren diese Technik einsetzen. Kuck ist verhalten optimistisch: „In einigen Jahren könnte sich diese Methode als Standardverfahren durchsetzen.“