In der Asklepios-Klinik Harburg wird ein neues Verfahren zur Behandlung von Nierensteinen eingesetzt, das von indischen Ärzten entwickelt wurde.
Hamburg Wer es einmal erlebt hat, wird es wohl nie vergessen: ein plötzlicher krampfartiger Schmerz in der Nierengegend, der einem den kalten Schweiß auf die Stirn treibt. „Eine Nierenkolik ist eine der stärksten Schmerzempfindungen, die es gibt“, sagt Prof. Thorsten Bach, Stellvertretender Chefarzt des Urologischen Zentrums in der Asklepios Klinik Harburg. Ursache sind Nierensteine, die sich im Harnleiter einklemmen und so den Abfluss der Urins aus der Niere blockieren. Dieser Rückstau und kleine Verletzungen des Harnleiters lösen die schmerzhafte Kolik aus. „Die meisten Steine sind unter einem Zentimeter groß. Sie können aber auch bis zu vier bis fünf Zentimeter groß werden oder mit vier Millimetern so klein sein, dass sie unbemerkt auf natürlichem Wege mit dem Urin ausgeschieden werden. Sitzt ein Stein allerdings fest, ist es in vielen Fällen unumgänglich, ihn mit einem Eingriff zu entfernen“, sagt Bach.
Zur Behandlung von Nierensteinen setzt Bach jetzt ein neues Verfahren ein, das von indischen Ärzten entwickelt wurde und in Deutschland bisher außer in Harburg nur in zwei Kliniken in Freiburg und Sindelfingen angewendet wird. Bei dieser Methode wird ein winziges Metallrohr mit einem Durchmesser von weniger als vier Millimetern durch die Haut bis in das Nierenbecken vorgeschoben. Durch dieses Rohr werden dann eine Kamera und winzige Instrumente in die Niere eingeführt. Der Operateur zerkleinert den Stein mit einem Laser und spült dann die Fragmente mit einer Kochsalzlösung aus der Niere heraus.
Dieses Verfahren ist die Ultra-Mini-Version der sogenannten perkutanen Nephrolithotomie (PCNL). Der Vorteil ist, dass das Röhrchen, das durch die Haut geschoben wird, jetzt statt einem Durchmesser von zehn Millimetern nur noch vier Millimeter hat. „Dadurch ist die Komplikationsrate wesentlich geringer. Die Hauptkomplikation bei solch einem Eingriff ist eine Blutung. Bei der herkömmlichen PCNL kommt man auf eine Gesamtkomplikationsrate von bis zu 15 Prozent, wenn man die Fälle nimmt, bei denen die OP wegen einer Blutung abgebrochen werden musste oder Patienten nach dem Eingriff eine Bluttransfusion benötigten“, sagt Bach.
Bei der Ultra-Mini-PCNL hingegen sei es bei den 35 Patienten, die damit bisher in Deutschland operiert wurden, noch nicht zu einer solchen Komplikation gekommen. Die indischen Ärzte berichten in ihrer Veröffentlichung im „British Journal of Urology International“, dass bei zwei von 62 Patienten eine Blutung während des Eingriffs die Sicht so behinderte, dass der Eingriff mit einem größeren Endoskop von etwa sieben Millimeter Durchmesser fortgeführt wurde.
Die neue Methode schließt laut den Worten von Bach jetzt eine Lücke in den bisherigen Behandlungsmöglichkeiten, die immer von der Größe und der Lage des Nierensteins abhängen. Die herkömmliche PCNL wird in den Leitlinien der Fachgesellschaften aufgrund der höheren Komplikationsrate nur für Steine empfohlen, die größer sind als zwei Zentimeter.
Kleinere Steine in der Niere wurden bisher mithilfe einer Harnleiterspiegelung oder mit der Stoßwellentherapie behandelt. „Die Stoßwellentherapie hat den Nachteil, dass man die Behandlung häufiger wiederholen muss, um den Stein in der Niere komplett zu zerkleinern, sodass die Trümmer ohne Probleme ausgeschieden werden können.“ Die Endoskopie, bei der ein dünner Schlauch durch den Harnleiter vorgeschoben wird, nutzt den Laser zur Steinzerkleinerung und hat eine deutlich höhere Erfolgsrate. Damit kann man insbesondere Steine behandeln, die einen Durchmesser von sechs bis acht Millimetern haben. Sind die Steine größer, ist dieses Verfahren sehr aufwendig und oft sind Zweiteingriffe notwendig. „Diese Nierensteine von ein bis zwei Zentimeter Durchmesser können wir jetzt mit der Ultra-Mini-PCNL effektiv und sicher behandeln“, sagt Bach.
Für die Patienten bedeutet das auch, dass sie früher wieder die Klinik verlassen können. „Bei einer normalen PCNL müssen die Patienten fünf bis sieben Tage in der Klink bleiben, bei Ultra-Mini-PCNL – wie bei der Harnleiterspiegelung – drei bis vier Tage, allerdings mit besseren Erfolgschancen“, sagt Bach.
Ein Vorteil, den viele Patienten sehr zu schätzen wissen, denn am häufigsten betroffen von Nierensteinen sind Menschen im Alter zwischen 30 und 60, denen viel daran liegt, schnell wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Männer sind dreimal so häufig betroffen wie Frauen. „Aber das gleicht sich immer mehr an, weil auch der Lebensstil von Frauen dem der Männer immer ähnlicher wird. Denn bei uns in Deutschland ist die Ursache für die Steine meistens eine Kombination aus zu guter Ernährung, zu wenig Bewegung und zu wenig Flüssigkeit“, sagt der Urologe.
Damit es nicht erneut zu Nierensteinen kommt, rät Bach seinen Patienten immer zu einer bewussten gesunden Lebensführung mit 1,5 bis zwei Liter Flüssigkeit am Tag. Außerdem sollten sie an zwei Tagen in der Woche auf Fleisch und Wurst verzichten.
Die Hälfte der Betroffenen bleibt von einem weiteren Nierenstein verschont. Ausnahme sind diejenigen, die zum Beispiel aufgrund von genetischen Erkrankungen unter Nierensteinen leiden. „Bei diesen Patienten können zwei bis dreimal im Jahr Nierensteine auftreten“, sagt Bach.
Aber viele Patienten wissen gar nicht, dass sie einen Nierenstein haben. Er wird oft durch Zufall festgestellt, zum Beispiel bei einem Routinecheck mit einem Ultraschall oder wenn wegen einer anderen Erkrankung ein Computertomogramm durchgeführt wird. Durch die rechtzeitige Behandlung bleibt diesen Patienten die schmerzhafte Nierenkolik erspart.