Kritiker befürchten eine routinemäßige Selektion im Mutterleib. Laut Gutachten sei der Test jedoch “illegal“ und kein zulässiges Diagnosemittel.
Berlin/Hamburg. Der geplante "Praena-Test" hat eine Debatte über Nutzen und Gefahren der genetischen Untersuchung von Ungeborenen losgetreten. So ist der Test einem Gutachten zufolge illegal: Er sei kein zulässiges Diagnosemittel nach dem Gendiagnostikgesetz, erklärte Rechtsprofessor Klaus Ferdinand Gärditz am Donnerstag in Berlin. Gärditz kommt in seinem Gutachten auch zu dem Schluss, dass der "Praena-Test" gegen das Diskriminierungsverbot des Grundgesetzes verstößt. Der Staat müsse verhindern, "dass behinderte Menschen vorgeburtlich ausgesondert werden".
Das Gutachten hatte der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Hubert Hüppe, in Auftrag gegeben. Der Test diskriminiere Menschen mit Behinderung und ermögliche eine "Rasterfahndung", so Hüppe. Hüppe und Gärditz mussten allerdings eingestehen, dass sie den Verkauf des Produkts in Deutschland nicht verhindern können. Laut Gärditz müssten die Bundesländer den Verkauf des Tests stoppen.
Das Ministerium gab auf Anfrage keine Stellungnahme ab. Es hatte sich allerdings bereits im August 2011 gegen Vorwürfe Hüppes gewehrt. Damals hieß es, es sei "ethisch unvertretbar, die Weiterentwicklung einer in Deutschland angewandten Untersuchungsmethode nicht fördern zu wollen, die das ungeborene Leben und die werdende Mutter besser schützen könnte".
Ärztekammerpräsident verteidigt Test wegen des geringeren Risikos
Die Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Jeanne Nicklas-Faust, verwies darauf, dass bei Gentests allgemein der Arztvorbehalt gelte, diese Tests also nur von Ärzten vorgenommen werden dürfen. Zudem sei die Bundesrepublik durch die Unterzeichnung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen dazu verpflichtet, Menschen mit Behinderung in besonderer Weise zu schützen und zu achten. "Und dagegen verstößt dieser Test auf jeden Fall." Der Berliner Schauspieler mit Downsyndrom, Sebastian Urbanski, erklärte, das neue Produkt zeige, "dass wir Außenseiter bleiben".
+++ Ein Bluttest bei Schwangeren auf Trisomie 21 +++
Nach Einschätzung der Behindertenbeauftragten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Michalk, erhöht der Test den Druck auf Eltern behinderter Kinder. "Mit einem neuerlichen Testverfahren soll die Fahndung nach Kindern mit Behinderung im Mutterleib vorangetrieben werden", erklärte die CDU-Politikerin. Es stehe außerdem zu befürchten, dass in Zukunft immer mehr Mütter, die ein Kind mit Downsyndrom zur Welt brächten, "in eine Rechtfertigungsschleife geraten, warum sie die entsprechende Diagnostik offenbar nicht genutzt haben".
Die stellvertretenden Unionsfraktionsvorsitzenden Ingrid Fischbach (CDU) und Johannes Singhammer (CSU) erklärten, der Test leiste "der routinemäßigen Selektion menschlichen Lebens Vorschub". Er sei ausschließlich auf Erkennung des Downsyndroms ausgerichtet und ziele nicht auf therapeutische Maßnahmen zugunsten des Kindes, sondern auf den Abbruch der Schwangerschaft.
Kritik kam auch aus der katholischen Kirche. Das sei eine "Kampfansage gegen Behinderte", sagte der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick. Ein derartiger Test sei strikt abzulehnen.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, verteidigte den Bluttest. "Unsere Gesellschaft hat sich für Pränatal-Diagnostik entschieden. Das Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen", sagte er der Düsseldorfer "Rheinischen Post". "Daher ist es besser, diesen Bluttest anzuwenden, als eine mit Risiken behaftete Fruchtwasseruntersuchung vorzunehmen."