Hamburger Experten warnen nach dem Tod der jungen “Sexy Cora“ bei einer Brust-OP: Viele Schönheitschirurgen kennen die Risiken nicht.
Hamburg. Das Geschäft mit der Schönheit boomt. Nach einer Statistik der deutschen Gesellschaft für ästhetisch Plastische Chirurgie sind insbesondere Brustvergrößerungen und Fettabsaugungen gefragt. Doch der Tod der 23-jährigen Carolin Wosnitza in Hamburg nach einer Brustvergrößerung wirft einmal mehr die Frage nach der Sicherheit solcher Operationen auf.
"Keine OP ist ohne Risiko. Schönheitsoperationen sind eigentlich im Vergleich zu anderen medizinischen Eingriffen, wie zum Beispiel einer Blinddarmoperation, mit einem niedrigen Risiko behaftet", sagt Dr. Klaus Müller, Chefarzt der Abteilung für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie an der Asklepios-Klinik Wandsbek. Das Risiko solcher Eingriffe sei nicht in sich selbst, sondern vielmehr darin begründet, wie damit umgegangen werde. Denn sie würden oft durchgeführt von Ärzten, die dafür nicht ausreichend ausgebildet seien und aus Kostengründen die nötigen Sicherheitsstandards nicht einhalten.
"Dieser ganze Markt ist nicht geschützt, und das macht das Risiko aus", sagt Müller. Im Extremfall könne das dann zum Tode der Patientin führen. Müller gibt auch zu bedenken, dass die Menschen, die sich solchen sogenannten Schönheitschirurgischen Eingriffen unterwerfen, in aller Regel jung und gesund sind. Das führe dazu, dass das Personal in diesen "Privatkliniken" überhaupt keinen Blick mehr habe für ein eventuell vorbestehendes erhöhtes Risiko und auch keinerlei Übung und Erfahrung mehr im Umgang mit kritischen Situationen oder gar akuten Notfällen. In einem normalen Krankenhaus, wo auch die kranken und schwerstkranken Patienten vom gleichen Personal betreut und versorgt werden, bestehe eine ganz andere Erfahrung und Routine im Umgang mit kritischen Situationen. Eine zweite Gefahr sind groteske Operationsergebnisse, die dann in anderen Krankenhäusern wieder korrigiert werden müssen.
Generell haben alle Operationen allgemeine Risiken, die aber unter einem Prozent liegen: das sind Blutungen, Infektionen und Narkosezwischenfälle. Hinzu kommen bei einzelnen Operationen spezielle Gefahren. "So ist bei einer Brustvergrößerung das Infektionsrisiko höher zu bewerten. Weil ein großer Fremdkörper implantiert wird, ist die Infektion wesentlich dramatischer als eine kleine Wundinfektion", sagt Müller. Dann muss häufig das Implantat ganz entfernt werden, bis die Infektion komplett abgeklungen sei. Und das kann sechs bis zwölf Monate dauern. Außerdem kann es durch die Schädigung von Hautnerven zu Gefühlsstörungen kommen, die sich nicht in allen Fällen zurückbilden.
Bei der Fettabsaugung ist die Infektions- und Blutungsgefahr gering. "Wenn man große Mengen Fett absaugt, steigt das Thrombose- und Embolierisiko an, wenn man nicht entsprechende Vorsorgemaßnahmen trifft". Das heiße, dass Patienten Spritzen zur Thromboseprophylaxe und Infusioonen bekommen und Stützstrümpfe tragen.
Beim Facelifting besteht ein spezielles Risiko für eine Durchblutungsstörung der abgelösten Hautareale, was zu bleibenden Narben führen kann. Eine weitere Gefahr ist die Schädigung von einem Teil des Gesichtsnervs, eine sogenannte Facialisparese, durch die es dann zu Lähmungen von Gesichtsmuskeln kommen kann. Wegen solcher nicht unerheblichen Gefahren sollte jeder Arzt, der Schönheits-OPs durchführt, zwar den Patienten anhören, aber auch seine eigene Schmerzgrenze haben, in welchen Fällen er eine Operation ablehnt, empfiehlt Müller.
Und wenn eine Operation infrage kommt, müsse der Patient ausführlich auf diese Risiken hingewiesen werden - und auch auf weitere Kosten. So ist zum Beispiel davon auszugehen, dass eine Frau, der ein Brustimplantat eingesetzt wird, sich mehrere Male operieren lassen muss, weil sich um das Implantat eine Kapsel aus Bindegewebe bildet, die sogenannte Kapselfibrose. Die Kosten für diese Folgeeingriffe muss sie dann selbst bezahlen. Auch bei der Fettabsaugung legt Müller strenge Kriterien an: "Ich sauge nur Fett ab, wenn es sich um eine Erkrankung handelt, bei der es zu starken Fettansammlungen in Hüften und Beinen kommt, dem sogenannten Lipödem, oder Frauen veranlagungsbedingte Fettansammlungen an den Oberschenkeln, sogenannte Reithosen, haben. Wer überall Fettansammlungen hat, sollte abnehmen. Eine Fettsabsaugung als Alternative zur Gewichtsreduktion lehne ich ab", sagt Müller.
Wichtig ist auch, die psychologische Seite solcher Operationswünsche zu betrachten. "Die Sehnsucht nach Schönheit ist etwas Normales. Und Menschen, die schöner sind, werden belohnt. So bekommen zum Beispiel schöne Kinder bessere Noten, und schöne Erwachsene machen schneller Karriere", sagt Privatdozentin Dr. Aglaja Stirn, Chefärztin der Abteilung für Psychosomatik am Asklepios-Westklinikum in Rissen. Insofern versuchen mehr Menschen in der heutigen Leistungsgesellschaft auch schöner zu sein. Allerdings, so die Psychosomatik-Spezialistin, hätten eigene Untersuchungen auch gezeigt, dass die Hälfte der Menschen, die sich einer solchen OP unterziehen, psychisch auffällig sei: "Sie haben mehr Depressionen, mehr Ängste, mehr Selbstunsicherheit." Zwischen fünf und 15 Prozent der Patienten leiden an einer sogenannten Körperdysmorphophobie. Das ist eine Störung, bei der die Betroffenen Angst haben, dass ihr Körper verunstaltet ist. "Bei diesen Patienten hilft keine Operation. Sie würden auch danach nicht zufrieden sein", sagt Stirn.
Deswegen appelliert Stirn an Ärzte, Patienten psychologische Hilfe zu empfehlen, wenn deren Wunsch nach einer Schönheits-OP für sie nicht nachvollziehbar ist. Auch unsicheren Patienten rät sie vor einer OP zu einem Gespräch mit einm Psychosomatik-Experten.