Auf dem Klimagipfel in Cancún spielt das Schutzprogramm REDD eine wichtige Rolle. Brasilien will Rodung halbieren
Hamburg. Montag startet in Cancún (Mexiko) der nächste Klimagipfel der Vereinten Nationen. Ein wichtiges Thema wird der Waldschutz sein. Hier erwarten einige Experten viel eher Verhandlungsfortschritte als beim Ziel, den Treibhausgas-Ausstoß des Energiesektors zu senken. Auch Waldschutz hilft dem Klima. Jährlich geht eine Urwaldfläche verloren, die der Größe Englands entspricht. Die Ökosysteme sind Horte der Artenvielfalt, und sie sind wichtige Kohlenstoffspeicher. Jede Rodung setzt Kohlendioxid (CO2) frei - die Waldvernichtung ist mit etwa 20 Prozent am gesamten CO2-Ausstoß der Menschheit beteiligt.
Lange stand der Waldschutz im Schatten des Streits um Emissionen des Energiesektors. Auf der Uno-Klimakonferenz 2007 auf der Insel Bali (Indonesien) rückte er erstmals ins Licht der Öffentlichkeit. Damals einigte sich die Weltgemeinschaft auf ein Programm, in dem Industriestaaten die Waldschutzmaßnahmen in armen Ländern mitfinanzieren. Es heißt REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation in Developing Countries - Senkung von Emissionen durch Entwaldung und Entwertung von Wäldern in Entwicklungsländern).
Auch wenn viel zerstört ist: Es ist noch nicht zu spät für die globale Initiative. Fast ein Drittel der Landfläche ist mit Wäldern bedeckt. Dort wachsen wahrscheinlich mehr als 60 000 Baumarten; viele sind noch gar nicht entdeckt. Etwa 1,6 Milliarden Menschen leben vom Wald, der ihnen Nahrung, Baumaterial, Wasser und Naturheilmittel gibt. Und beim Klimaschutz habe der Bericht des britischen Ökonomen Nicholas Stern gezeigt, "dass der Schutz der tropischen Wälder eine der effizientesten Möglichkeiten ist, den rasanten Anstieg der CO2-Emissionen zu bremsen", betont der Umweltverband WWF.
Es gebe Hoffnung, dass die Verhandlungsrunde in Cancún den Waldschutz vorantreibt, sagt Prof. Reimund Schwarze, der beim deutschen Climate Service Center mit Sitz in Hamburg den Bereich Ökonomie und Politik leitet. "Anders als bei anderen Fragen liegt hier bereits ein Verhandlungstext vor. Dieser enthält zwar viele noch strittige Formulierungen, bildet aber zumindest eine gute Ausgangsbasis." Zudem sei einer von zwei großen Akteuren inzwischen pro Waldschutz: "Brasilien will seine Entwaldungsrate halbieren", so Schwarze, "der einzige ,bad boy' ist jetzt noch Indonesien."
Die beiden Länder seien bislang zwei große Bremser des Waldschutzprogramms gewesen, sagt der Klimaökonom. Ihr grüner Schatz schwindet weltweit am schnellsten. Rechnet man die dabei entstehenden Emissionen jeweils beim nationalen CO2-Ausstoß mit ein, dann belegen Brasilien und Indonesien hinter China und den USA Rang drei und vier unter den globalen Klimasündern. Ein weiterer großer Waldstaat, Malaysia, gehört ebenfalls zur Phalanx der Bremser. Allerdings sei in dem Palmöl-Eldorado kaum noch Wald akut bedroht, sagt Schwarze: "Es wurde bereits viel abgeholzt. Die verbliebenen Waldgebiete sind sehr abgelegen. Deshalb verdrängen die Palmölplantagen heute eher die traditionelle Landwirtschaft" - mit entsprechenden sozialen Folgen.
Nicht nur die politischen Vorzeichen, auch die technischen Möglichkeiten lassen es zu, den Waldschutz deutlich zu verbessern. Mittels Satellitenüberwachung ist heute zu kontrollieren, ob die Waldgebiete, die mit dem Programm langfristig gesichert werden, tatsächlich am Leben bleiben. Und ein Team um Prof. Michael Köhl vom Institut für Weltforstwirtschaft am KlimaCampus Hamburg hat sogar eine Methode entwickelt, um mithilfe der Radartechnik ausgedünnte, also nur zum Teil abgeholzte Wälder, zu entdecken, selbst wenn ihr Kronendach noch geschlossen ist.
Bleibt die große Frage: Wer soll das bezahlen? Der WWF zitiert Schätzungen der Vereinten Nationen, nach denen jährlich 20 bis 33 Milliarden US-Dollar (15 bis 24 Milliarden Euro) notwendig seien, um die Emissionen aus Waldvernichtung zu halbieren. Das REDD-Programm habe das Potenzial, ein zentrales Instrument zu werden, um diese Gelder zu akquirieren, hoffen die Umweltschützer. Prof. Ottmar Edenhofer, Ökonom und Vizedirektor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, ist da skeptischer: "Die Waldschutzprojekte werden konterkariert durch den Flächendruck vom Nahrungsmittelanbau, vor allem aber durch den Anbau von Bioenergiepflanzen. Dieser wird sich deutlich ausweiten, wenn der Ölpreis steigt. Fondslösungen werden scheitern, wenn sie die Dramatik des Ölpreisanstiegs ausblenden."
Höhere Ölpreise machen Waldflächen für den potenziellen Anbau von Bioenergie-Pflanzen noch attraktiver und verteuern Waldschutzprojekte, die die Nichtnutzung der Flächen kompensieren. Das hemmt das Interesse der potenziellen Geberländer, in den Fonds einzuzahlen. Die ersten Erfahrungen nach dem Uno-Gipfel im Dezember in Kopenhagen stimmen wenig optimistisch: Damals hatten die USA, Australien, Norwegen, Japan, Großbritannien und Frankreich vollmundig angekündigt, den Waldschutzfonds unterstützen zu wollen. Von ihnen hat einzig Norwegen bislang Geld überwiesen, gut 84 Millionen US-Dollar (62 Mio. Euro); Dänemark steuerte umgerechnet 5,9 Millionen Euro bei. Spanien machte Zusagen. Aus den USA flossen gut 45 Millionen US-Dollar aus privaten Quellen direkt in Projekte, größtenteils aus CO2-Neutralisierungen.
Kurz nach Kopenhagen hatte auch Deutschland Unterstützung signalisiert. So wollte es sich in Ecuador engagieren, um das Land für seinen Verzicht, Erdölressourcen unter dem Yasuni-Nationalpark auszubeuten (Yasuni-ITT-Projekt), zu entschädigen. Doch bislang floss kein Euro in das weltweite Pilotprojekt - im Entwicklungsministerium heißt es, man prüfe noch die Sachlage, werde aber im Rahmen des REDD-Programms auf jeden Fall auch ecuadorianischen Waldschutz finanziell fördern.