Ein neues Abkommen ist unwahrscheinlich, die Abnahme des weltweiten Treibhausgas-Ausstoßes aber dringend geboten
Hamburg. Die Chance, beim kommenden Uno-Klimagipfel vom 29. November bis 10. Dezember in Cancun (Mexiko) einen Nachfolgevertrag zum Kyoto-Protokoll auszuhandeln, ist sehr gering. Diese Einschätzung teilten gestern Prof. Guy Brasseur, Direktor des deutschen Climate Service Centers (CSC) in Hamburg, und Klimaökonom Prof. Reimund Schwarze.
"Wir fürchten, dass die Regierungen das Klimaproblem unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise nicht mehr so wichtig nehmen - wie schon in Kopenhagen", sagte Brasseur. Der renommierte Klimaforscher warnte, dass der Menschheit die Zeit davonlaufe, um das Ziel zu erreichen, die globale Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad zu begrenzen. Dazu dürften bis zum Jahr 2050 weltweit höchstens noch 750 Gigatonnen (Gt, Milliarden Tonnen) Kohlendioxid ausgestoßen werden - derzeit seien es etwa 30 Gt im Jahr, in 40 Jahren also 1200 Gt.
Brasseur: "Wenn wir die Trendwende beim globalen CO2-Ausstoß bereits im kommenden Jahr schaffen würden, dann müssten die Emissionen weltweit jährlich um 3,7 Prozent sinken. Lassen wir noch vier Jahre verstreichen, müsste die Abnahme bereits 5,3 Prozent betragen. Steigen die Emissionen noch bis 2020, erhöht sich die erforderliche Reduktionsrate in den anschließenden Jahrzehnten auf neun Prozent." Werden die 750 Gt den Ländern anhand ihres Anteils an der Weltbevölkerung zugeteilt, könnten die Deutschen bis 2050 maximal neun Gt CO2 freisetzen - gemessen am heutigen Ausstoß wäre dieses Budget jedoch schon in zehn Jahren aufgebraucht. Die USA würden ihr Budget bereits nach sechs Jahren erschöpfen, und auch China käme trotz der großen Bevölkerung mit seinem Budget nicht aus - es würde 24 und nicht die geforderten 40 Jahre reichen.
Ökonom Reimund Schwarze erwartet von Cancun eine "Not-OP am Kyoto-Protokoll", das 2012 ausläuft. Es gelte, eine Nachfolgeregelung zu finden, die keinen jahrelangen Ratifizierungsprozess benötige, um in Kraft zu treten. Schwarze: "Es darf keine zeitliche Lücke zwischen dem Ende des Protokolls und einer Neuregelung geben. Denn dies hätte verheerende Wirkungen auf den Emissionshandel und vermutlich auch auf die Klimaschutzinvestitionen der Industriestaaten in Entwicklungsländern, den CDM-Projekten."
Anfang Dezember werde es "sehr viel um Geld gehen", prophezeit der Wirtschaftsexperte - wie auch schon bei den Vorgängerkonferenzen. Für zwei Bereiche erwartet er Fortschritte: beim bezahlten Waldschutz (Industriestaaten unterstützen waldreiche Entwicklungsländer beim Naturschutz) und beim Anpassungsfonds, der armen Ländern helfen soll, die Folgen des Klimawandels zu verkraften.