Wissenschaftler beobachten die Tiere, in Sachsen-Anhalt zum Beispiel im Auftrag des Landesamtes für Umweltschutz. Mit moderner Technik ermitteln sie deren Zahl, ob sie reinrassig sind und woher sie stammen.
Sebastian Koerner und Klaus Puffer streifen durch den Schnee. Es knirscht unter ihren Schuhen, sie gehen bedächtig, fast schleichen sie. Die Wolfsexperten suchen den Boden ab. Wo sind Spuren, Überbleibsel gerissener Tiere, Kot- und Urinreste? Auf und rund um den Truppenübungsplatz Altengrabow im Osten Sachsen-Anhalts leben derzeit sieben Wölfe, darunter fünf Jungtiere. Die Experten freuen sich, dass es wieder Wölfe in Deutschland gibt. Nach den Anfängen in der sächsischen Oberlausitz ist der Wolf auch in Brandenburg und Sachsen-Anhalt heimisch. In Niedersachsen, Bayern und Mecklenburg-Vorpommern wurde er auch gesichtet.
"Aus den Spuren kann man auf die Mitgliederzahl der Wolfsfamilie schließen", sagt Biologe Koerner, der für das Wildbiologische Büro Lupus in Spreewitz (Sachsen) arbeitet. "Die Wölfe haben es auf dem Truppenübungsplatz sehr gut." Alle zwei bis vier Wochen zieht es die beiden Männer auf das Areal bei Altengrabow. Koerner ist vom Landesamt für Umweltschutz mit der wissenschaftlichen Beobachtung beauftragt: "Frischer Kot eignet sich für eine gentechnische Analyse. So können die Tiere unterschieden werden und man kann feststellen, ob es sich um reinrassige Wölfe handelt und woher sie stammen." Der Bestand wird deutschlandweit auf 60 Tiere geschätzt, in Europa sind es 20 000. Fünf Jungtiere brachte eine Wölfin im Mai 2009 auf dem Militärübungsplatz nahe der Landesgrenze zu Brandenburg zur Welt. Einen Monat später erschoss ein Jäger illegal den Vater. Im September 2009 fanden Koerner und Puffer erstmals Spuren eines neu zugewanderten Rüden. Die erwachsenen Wölfe stammen wahrscheinlich aus der Lausitz oder Ostpolen. Solche ländlichen Kulturlandschaften eignen sich nach Ansicht des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) bestens als Lebensraum für die Wölfe.
"Ein Rudel benötigt etwa ein Gebiet von 300 Quadratkilometern", sagt Markus Bathen, Wolfsexperte beim NABU in Berlin. "Ich bin sicher, dass auch ständig Einzeltiere durch das Land streifen. Denn um einen Partner und ein eigenes Revier zu finden, ziehen einige Wölfe bis zu 1500 Kilometer." Er rechnet nicht damit, dass sich das Rudel wieder aus Sachsen-Anhalt zurückzieht. "Sollte das Gebiet um Altengrabow vom jetzigen Wolfspaar aufgegeben werden, würde es mittel- bis langfristig wieder besiedelt."
Umso wichtiger ist es, den Wolfsbestand genau zu beobachten. Das Lupus-Büro hat sechs Kameras installiert. "Sie reagieren auf die Körperwärme der Tiere", sagt der Biologe. Damit sind viele Schnappschüsse gelungen. Die Langzeitbeobachtung mit GPS-Sendern würde zusätzliche Informationen liefern. "Den Aufenthaltsort eines Altwolfes jederzeit bestimmen zu können, wäre der Idealfall. Dann würden wir genau wissen, wie groß das Altengrabower Territorium ist." Doch es ist eine Frage des Geldes. "Wir hoffen auf das kommende Jahr."
Kritiker glauben, dass die Zahl der Tiere außer Kontrolle gerät. Abschüsse durch Jäger sind aber nicht nötig. "Jungwölfe wandern mit knapp zwei Jahren ab, das Elternpaar verteidigt sein Revier gegen fremde, erwachsene Wölfe", sagt Förster Puffer. So verteilen sich immer wenige Wölfe auf großer Fläche. "Die Natur hat das klug eingerichtet." NABU-Experte Bathen sorgt sich: "Ich frage mich, ob die Menschen den Wolf, den sie einst ausgerottet haben, heute akzeptieren können." Immer wieder werden Tiere illegal geschossen. "Sie sind nach 150 Jahren zurückgekehrt und uns deshalb fremd geworden." Der NABU hat den Aktionsplan "Willkommen Wolf!" aufgestellt. Bathen: "Es muss in vielen Köpfen noch viel passieren."