Nur in Ostkanada und Neufundland ist es relativ warm. Bei uns bleiben die Weichen für Minusgrade gestellt.
Erderwärmung? Welche Erderwärmung?, möchte man fragen. Weite Teile Europas verharren unter eisiger Kälte. Peking registriert Rekord-Schneefälle. Und in Florida versuchen Farmer, ihre Zitrusfrüchte mit einem künstlich angelegten Eispanzer vor Frost zu schützen - eine Kältewelle schwappt über die gesamte Nordhalbkugel, so scheint es.
Tatsächlich ist es eher ein um die Hemisphäre laufendes Wellenband, das über Europa, Ostasien und den Vereinigten Staaten polare Kaltluft besonders weit nach Süden führt. Dazwischen gibt es Ausschläge nach Norden, die andere Regionen vor der Kälte bewahren. "In Ostkanada und Neufundland ist es mit Temperaturen um null Grad relativ mild", sagt Gerhard Müller-Westermeier, Klimaexperte beim Deutschen Wetterdienst. "Und auch im östlichen Europa, etwa in Moskau und südlich davon, ist es nicht übermäßig kalt." Die Wellenbewegung entscheidet jedes Jahr aufs Neue, ob Mitteleuropa einen milden oder kalten Winter bekommt.
"In Europa haben wir generell den Trend, dass die Westwindlagen im Winter länger andauern. Dies führt tendenziell zu milderen Wintern", sagt Prof. Martin Claußen, Sprecher des Hamburger KlimaCampus. "Wenn der Druckunterschied zwischen Islandtief und Azorenhoch jedoch schwach ausgeprägt ist, wie 2009, kommt es verstärkt zu einer Nord-Süd-Strömung und damit zu einer kälteren Witterung. Das aktuelle Wetter zeigt uns, dass dieses Druckmuster derzeit wirkt."
Dann sind die Weichen für einen kalten Winter auch weiter gestellt. Das überlagert die viel diskutierte Erderwärmung. Müller-Westermeier: "Insgesamt haben wir zwar einen Erwärmungstrend. Aber plus ein Grad in einem Jahrhundert fällt bei den Schwankungen unserer Wintertemperaturen nicht auf. In Deutschland liegen die Mitteltemperaturen der Monate Dezember bis Februar zwischen minus 5,5 Grad und plus 4,4 Grad. Das ist eine große Bandbreite."
Nördliche und östliche Winde bringen Deutschland winterliche Kälte. Wenn diese sich erst einmal festgesetzt hat, "machen wir die Kälte selbst", so Müller-Westermeier. In klaren Nächten entweicht die Wärme ins All, es wird besonders frostig. Der Schnee verstärkt dies. Er ist ein guter Isolator und sorgt dafür, dass die aus den unteren Bodenschichten aufsteigende Wärme nicht an die eisige Luft abgegeben wird. Wurzelwerk und Bodenbewohner profitieren von der wärmenden Schneedecke. "Der Frost dringt nicht so leicht in den Boden ein. Man sieht zum Beispiel frische Maulwurfshügel im Schnee", sagt Müller-Westermeier. Bei lang andauernden Frostperioden wie jetzt haben dann aber auch die kleinen Wühler Winterpause auf ihren Baustellen. "Inzwischen ist der Boden zehn bis 15 Zentimeter durchgefroren", sagt der DWD-Klimaexperte.
Zum Wochenende werden die Wolken mehr, die Kälte ebbt etwas ab. Aber dafür fällt Schnee. Im Südosten und in der Mitte Deutschlands womöglich in rauen Mengen. Denn es droht eine sogenannte 5b-Wetterlage, bekannt aus dem Sommer 2002, als eine solche Wetterlage die Elbeflut auslöste.
Ausgangspunkt ist ein Tief über dem Mittelmeer, das sich mit Wasser vollsaugt und dann östlich der Alpen über Österreich und Ungarn Richtung Polen zieht. Auf seinem Weg trifft es auf kältere Luft, wird angehoben - es kommt zu Niederschlag, im Winter in Form von Schnee.
Der Norden Deutschlands hat vor allem eisig kalten Ostwind zu fürchten, den das Tief auf seiner Nordseite verursacht (Tiefdruckströmungen drehen sich immer gegen den Uhrzeigersinn). Manche Meteorologen warnen bereits vor Schneestürmen, die das öffentliche Leben in Deutschland lahmlegen könnten. Der wahre Winter scheint uns also noch bevorzustehen.