Der Softwarekonzern bringt die neue Windows-Version und das erste eigene Tablet auf den Markt. Betriebssystem soll neue Ära einläuten.
San Francisco/New York. Microsoft will wieder Anschluss an die moderne mobile Computerwelt bekommen. Mit einem Großereignis hat der Softwaregigant sein von Grund auf überholtes neues Betriebssystems Windows 8 vorgestellt. Vom Erfolg der Software dürfte auch die Zukunft von Microsoft-Chef Steve Ballmer abhängen. Dementsprechend groß war das Getöse bei der Veranstaltung an New Yorks Pier 57, einem ehemaligen Busdepot. Denn sollte das System floppen, würde sich der Eindruck verstärken, dass der Konzern mit seinen Konkurrenten Apple, Google und Amazon nicht mithalten kann.
Wenn Ballmer aber Erfolg hat, zeigt der größte Softwarehersteller der Welt, dass er noch immer die Zukunft der Computerindustrie entscheidend beeinflussen kann. An Superlativen herrschte deshalb auch kein Mangel am Donnerstag. Windows-Chef Steven Sinofsky betrat die Bühne, umrahmt von 21 Windows 8 Geräten, vom Tablet-Computer bis zum Desktop PC mit integriertem Bildschirm, und legte gleich vor: „Windows 8 ist ein bedeutender Meilenstein in der Evolution und Revolution der modernen Computernutzung.“
Microsoft setzt jetzt auch auf Touchscreens
Windows 8 ist die erste Version des Computer-Betriebssystems, die vor allem auf die Steuerung durch Berührung ausgelegt ist. Zudem läuft es als erste Software des Konzerns nicht mehr nur auf Computern mit Intel-Chips, sondern auch auf ARM-Prozessoren, wie sie bevorzugt in Smartphones und Tablet-Computern verbaut werden. Mit beiden Neuerungen will Microsoft vor allem den immensen Rückstand gegenüber Rivalen wie Apple und Google im Mobil-Segment aufholen.
Ballmer begann auch gleich damit, dass sich fortan das Verhältnis zwischen den Menschen und den Geräten verändern werde. So solle man sich vorstellen, dass auf dem Startbildschirm alle, die einem wichtig seien, vertreten sein würden. Zudem versprach er: „Windows 8 wird Ihnen helfen, alles zu erledigen und es wird offen gesagt sehr viel Spaß machen, nichts zu tun.“ Mit der Microsoft Suchmaschine Bing sollen dabei zahlreiche Apps angeboten werden. Viele Tools sollen integriert sein, etwa Suchfunktionen, Nachrichten, Banking und Sport.
Noch mehr versprach er für kommenden Montag, wenn das neue Windows 8 Phone vorgestellt werden soll. „Ich kann es gar nicht erwarten, Ihnen zu zeigen, wie wir das Smartphone wirklich neu erfunden haben“, sagte er.
Begleitet wird die Einführung des neuen Betriebssystems von einer Marketing-Kampagne im Umfang von schätzungsweise einer Milliarde Dollar – ein weiterer Hinweis darauf, wie wichtig Windows 8 für die Zukunft des Konzerns ist. Ballmer muss punkten, schließlich wurde er während seiner fast 13 Jahre als Vorstandschef ständig von Apple und Google ausgestochen. Während seiner Zeit an der Spitze von Microsoft verlor das Unternehmen fast die Hälfte seines Wertes, mehr als 200 Milliarden Dollar Aktienvermögen gingen verloren.
Also legte Ballmer noch einen drauf am Donnerstag, als er berichtete, externe Programmierer hätten „rasend schnell“ gearbeitet, um Apps für Windows zu entwickeln. Dabei hätten sie gelobt, wie praktisch es sei, die gleiche Anwendung für verschiedene Geräte wie PCs, Laptops und Tablets zu entwickeln. „Windows 8 PCs sind wirklich die besten PCs aller Zeiten“, verkündete er dann. Zudem sei eine neue Version des Internet Explorer bestens in das System integriert.
Microsoft hatte Boom der Mobilgeräte verschlafen
Ballmer ist mit einem Anteil von vier Prozent zweitgrößter Anteilseigner von Microsoft. Der Anteil hat einen Wert von etwa neun Milliarden Dollar. Nur seinem Freund und Vorgänger, Microsoft-Gründer Bill Gates, gehören mehr Anteile (5,5 Prozent). Obwohl sich unter Ballmers Ägide der Umsatz fast vervierfacht hat, wird das Gros der 74 Milliarden Dollar nicht mit modernen Mobilgeräten gemacht. Microsoft reagierte zu langsam auf technologische Veränderungen und leistete sich einige teure Fehler. Zu den bekanntesten gehören sicherlich der Versuch, dem iPod mit dem Zune Konkurrenz zu machen und die milliardenschwere Übernahme des Internet-Werbedienstes aQuantive.
Die Verschiebung hin zu Mobilgeräten hat den weltweiten Anteil von Microsoft am Gerätemarkt von 67 Prozent im Jahr 2008 auf heute 30 Prozent sinken lassen, wie der Analyst Frank Gillett von Forrester Research erklärte. Dank seiner Android-Software ist Google heute Marktführer mit 40 Prozent. Apple steht bei 20 Prozent.
Um seine Einnahmequellen muss Microsoft aber dennoch nicht so bald fürchten. Die früheren Windows-Versionen und andere Produkte wie Office sind in Unternehmen und Behörden so tief verwurzelt, dass sie beständige Umsätze garantieren. Deshalb kann Microsoft im laufenden Geschäftsjahr, das im nächsten Juni endet, wohl mit einem Gewinn von 25 Milliarden Dollar rechnen.