HafenCity. Sie sieht so aus wie 1925, als sie Quartiersmänner und Schauerleute versorgte. Und auch das Essen ist bodenständig geblieben.
Wollen Sie lecker schmausen, gemütlich sitzen und dabei eine wirkliche Hamburgensie kennenlernen? Dann sind Sie richtig in der Oberhafen-Kantine. Das windschiefe Backsteingebäude im Hafen steht unter Denkmalschutz, die Küche serviert ehrliche norddeutsche Gerichte. Und der Gast erfährt viel über die Hansestadt, ihre Geschichte und die Menschen.
Kantinen und Kaffeeklappen gehörten früher zum Hafen wie die Kräne und Kaianlagen. Hier versorgten sich die Arbeiter mit Kaffee und Stullen, Frikadellen und Kartoffelsalat. Die Oberhafen-Kantine ließ Hermann Sparr 1925 errichten. Sie war eine der letzten, die in Hamburg gebaut wurden, und ist die einzige, die noch existiert.
Den Krieg überstand das Gebäude unbeschädigt, aber Sturmfluten brachten es in die Schräglage. Wegen akuter Einsturzgefahr wurde das Lokal 1997 geschlossen. Das Haus schien auf den Abriss zu warten. Drei Jahre später stellte es die Stadt unter Denkmalschutz, mittlerweile gehört es dem Kulturinvestor Klausmartin Kretschmer. Die Gastronomie arbeitet wieder seit April 2006. Erst kochte dort Christa Mälzer, die Mutter von TV-Koch Tim Mälzer, dann Thorsten Gillert. Seit Februar 2011 ist Sebastian Libbert der Betreiber.
„Das ist meine Liebeserklärung an den Ort“, sagt der 42-Jährige. Gastronomie ist das Hobby des Hamburgers, Geld verdient der Betriebswirt mit Projektmanagement. Lange war er auch Mitinhaber der Restaurants Rialto und Weltbühne sowie der Gastronomie im Bucerius Kunstforum. „Meine Mutter und meine Oma haben mir die Liebe zu gutem Essen und zum Kochen vermittelt.“ Beinahe hätte seine Zuneigung zu dem Lokal ein schnelles Ende gefunden. Im Dezember 2013 sorgte Orkan „Xaver“ für Hochwasser, die Küche im Keller lief komplett voll, das Erdgeschoss stand bis zu den Fenstern unter Wasser. Große Teile des Inventars konnten gerettet werden, aber für sechs Monate ruhte der Betrieb, bis alles saniert war.
Zwölf Mitarbeiter kümmern sich um die Gäste. Und die kommen von überall her. „60 Prozent Hamburger, 40 Prozent Touristen“, sagt Libbert. TV-Teams aus Japan, Kanada oder Argentinien sorgten dafür, dass man die Oberhafen-Kantine auch am anderen Ende der Welt kennt.
Im kleinen gemütlich-engen Gastraum unten haben 30 Gäste an einfachen Holztischen und auf lederbezogenen Bänken Platz. Nicht zu übersehen ist das große Foto der früheren Wirtin Anita Haendel. Die Tochter von Erbauer Hermann Sparr musste 1925 als Zwölfjährige die Schule verlassen und in der Küche mithelfen. Daraus wurden 72 Jahre, bis zum Schluss stand die Wirtin selbst am Herd, wusch ab, machte die Buchhaltung. 1997, einen Tag vor ihrem 84. Geburtstag, starb Anita Haendel.
Regionale und saisonale Küche
Oben in der Stube können 25 Personen verköstigt werden und aus den Fenstern die auf der Oberhafenbrücke fahrenden Züge fast mit der Hand erreichen. Und in diesem Raum kann man sogar getraut werden. Für geschlossene Gesellschaften und Events gibt es nebenan noch die Oberhafen-Galerie und natürlich im Sommer den Platz vor dem Haus.
Regionale und saisonale Küche kommt in dem Lokal auf den Tisch. Natürlich gibt es Frikadellen oder Bratwurst mit Kartoffelsalat, Labskaus mit Wachtelei und Hamburger Pannfisch. Jetzt im Winter werden Gans, Ente und deftiger Grünkohl serviert; wenn es wärmer wird, stehen auch Spargel und Erdbeeren auf der Karte. „Wir verzichten auf Fertigprodukte und kochen alles frisch“, sagt Libbert. Sogar Senf und Mayonnaise werden selbst zubereitet. Und es gibt keinen Cappuccino oder Latte macchiato, sondern, wie es sich für eine Kaffeeklappe gehört, frisch gebrühten Filterkaffee.
Eine Spezialität des Hauses ist die Hamburger Weißwurst. Nach einem Rezept aus napoleonischer Zeit wird Kalbsbrät mit Hering, Garnelen oder Lachs verfeinert. „Bis zu zehn Prozent Fischanteil ist drin“, so Libbert. Die Brühwurst wird in einer Schlachterei im Landkreis Harburg hergestellt, der Darm kann im Gegensatz zur bayerischen Weißwurst mitgegessen werden.
Wer das ganze Repertoire der Kantinen-Küchenkunst probieren möchte, der ist mit einem Abendbrot gut versorgt. Angerichtet in Schälchen und Tiegelchen auf einem großen Holzbrett kommen die norddeutschen Tapas auf den Tisch. Dabei sind neben den schon erwähnten Spezialitäten auch Matjes und Roastbeef, hausgebeizter Lachs und Räucherfisch, Entenbrust und Pulled Pork, Kartoffelpuffer, Suppe, Salate sowie hausgebackenes Brot und Butter.
Karte wechselt alle vier bis acht Wochen
Die Karte wechselt alle vier bis acht Wochen, die Zutaten bezieht die Oberhafen-Kantine von Händlern aus Hamburg und Umgebung. Die Weinkarte ist klein, die Tropfen kommen aus Deutschland, Italien und Österreich. 0,2 Liter gibt es offen für 5,50 Euro, die günstigste Flasche für 22 Euro.
Besonders atmosphärisch wird es im schiefen Häuschen an den Mitsingabenden, das nächste Mal am 13. Februar. Dann ist die gastronomische Hamburgensie Treffpunkt für kräftige Stimmen und stille Einfach-nur-Zuhörer.
Oberhafen-Kantine Stockmeyerstraße 39