Teil 9. Eine pflanzenbetonte Kost kann womöglich dazu beitragen, das Krebsrisiko zu senken und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen.

Wenn ich gut gegessen habe, ist meine Seele stark und unerschütterlich; daran kann auch der schwerste Schicksalsschlag nichts ändern.“ Molière (1622–1673), von dem dieses Zitat stammen soll, hätte in der heutigen Zeit wahrscheinlich seine helle Freude gehabt: so viele Lebensmittel zur Auswahl, von Algen bis Ziegenkäse, von Hering aus der Ostsee bis Kakao aus Papua-Neuguinea, und dann noch so viele Angebote in Imbissen und Restaurants, von Currywurst über Falafel bis hin zu Sushi!

Vielleicht hätte der französische Komödiendichter sich aber auch überfordert gefühlt angesichts dieser kulinarischen Vielfalt. Nie zuvor gab es so viele unterschiedliche Lebensmittel – dadurch haben wir heute oft die Qual der Wahl. Erschwerend kommt hinzu, dass Ernährung ein sehr komplexes Thema zu sein scheint: Kaum zu überblicken ist die Zahl der Bücher mit Ratgebercharakter, von denen sich etliche mit Spezialaspekten rund ums Essen beschäftigen. Wohl jeder weiß: Was gut schmeckt, ist noch lange nicht gesund.

Ab und zu Fisch, wenig Fleisch

Wie soll man da durchsteigen? Was tun, wenn ich gut und gesund essen möchte? Sibylle Adam muss schmunzeln, als sie diese Frage hört. „Eigentlich sind die Prinzipien für eine gesunde und schmackhafte Ernährung recht schnell erzählt“, sagt die Professorin für Ernährungswissenschaft an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW). „Die Herausforderung ist eher, sich auch an bestimmte Empfehlungen zu halten.“

Na dann, beginnen wir mit den Prinzipien. „Viel Gemüse und Obst, möglichst fünf Portionen pro Tag, außerdem Vollkorngetreide und Milchprodukte, gesunde Fette wie Pflanzen­öle, ab und zu Fisch, aber wenig Fleisch, fettreiche Kost und Süßes“ – so lautet Adams erster Ratschlag. Gemüse und Obst deshalb, weil sie vergleichsweise viele wichtige Nährstoffe enthielten, unter anderem Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre Pflanzen- und Ballaststoffe. Saisonales Obst und Gemüse aus der Region sollte man bevorzugen, da es in der Regel mehr Nährstoffe enthalte als exportierte oder lange gelagerte Ware, sagt die Forscherin.

Fettarme Milchprodukte seien gute Eiweißquelle

Wer kein Obst mag oder es wegen einer Fruktoseunverträglichkeit nicht essen könne, erleide deshalb nicht zwangsläufig einen Mangel und werde krank, sagt Adam. „Es kommt darauf an, ob die Ernährung insgesamt trotzdem ausgewogen ist.“

Neben Obst und Gemüse empfiehlt sie, regelmäßig fettarme Milchprodukte zu verzehren, weil diese eine gute Eiweißquelle seien und sich damit der Kalziumbedarf relativ leicht decken lasse. Letzteres ist unter anderem aber auch mit grünem Gemüse, Mandeln und Mineralwasser möglich. Vollkornprodukte seien empfehlenswert, weil in der Schale von Getreidekörnern das Gros der Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe stecke. Ballaststoffe sättigen und scheinen eine positive Wirkung auf die Darmgesundheit zu haben.

Pflanzliches Essen kann Krebsrisiko senken

Fleisch enthält Adam zufolge zwar wichtige Nährstoffe und ist eine gute Eiweißquelle. „Ein hoher Fleischkonsum steht allerdings im Verdacht, das Risiko für einige Krebserkrankungen zu erhöhen“, sagt die Professorin. „Eine pflanzenbetonte Ernährung mit wenig oder gar keinem Fleisch dagegen kann womöglich dazu beitragen, das Krebsrisiko zu senken und Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzubeugen.“ Darauf deuteten etliche Studien hin.

Bei vielen ernährungswissenschaftlichen Untersuchungen handelt es sich um sogenannte epidemiologische Studien. Das heißt zum Beispiel, dass Menschen zu ihrer Ernährung befragt werden und man die Ergebnisse mit ihrer Krankengeschichte und ihrem aktuellen Gesundheitszustand abgleicht, um Hinweise zu finden, ob eine bestimmte Ernährung krank machen kann oder vielmehr der Gesundheit nützt.

Vegetarier sind eher gebildet und verdienen viel

Solche Studien liefern zwar unter Umständen starke Anhaltspunkte, etwa dass Obst und Gemüse bestimmten Krankheiten vorbeugen können – beweisen lassen sich solche Zusammenhänge aber nicht. Dazu müsste man eine Versuchsgruppe unter streng kontrollierten Bedingungen über längere Zeit ein vermeintlich gesundheitsschädliches Nahrungsmittel essen lassen und eine andere Versuchsgruppe eine gewöhnliche Ernährung ohne dieses Nahrungsmittel. Das würde aus ethischen Gründen aber kein Forscher machen.

Anhaltspunkte gibt es etwa dafür, dass eine vegetarische Ernährung die Gesundheit fördert. „Allerdings können wir nicht klar unterscheiden, ob diese Vorzüge tatsächlich nur auf eine vegetarische Ernährungsweise zurückzuführen sind oder auch oder vor allem auf die Lebensweise und -situation“, sagt Adam. „Denn Vegetarier sind im Schnitt eher jung, gut gebildet, bewegen sich viel und haben ein vergleichsweise hohes Einkommen.“

Veganer sollten Vitamin B12 aufnehmen

Was ist von einer veganen Ernährung zu halten, also dem kompletten Verzicht auf tierische Produkte, auch auf Eier und Milch? Grundsätzlich sei es vergleichsweise aufwendig und erfordere gute Kenntnisse über Lebensmittel und ihre Inhaltsstoffe, wenn man sich ohne Gesundheitsrisiken vegan ernähren wolle, sagt Adam.

Ihr zufolge gibt es mehrere kritische Punkte. Ohne Fleisch, Eier und Milchprodukte könne der Bedarf an Vitamin B12, das unentbehrlich für die Blutbildung und das Nervensystem sei, kaum gedeckt werden, denn in pflanzlicher Kost sei das Vitamin nur spurenweise enthalten, etwa in Sauerkraut und fermentierten Sojaprodukten. Ohne eine ausreichende Versorgung mit Vitamin B12 kann es zu Blutarmut und Nervenstörungen kommen.

Deshalb, sagt Adam, empfehle die Deutsche Gesellschaft für Ernährung inzwischen, das Vitamin bei einer veganen Ernährung dauerhaft als Ergänzungsmittel etwa in Tablettenform einzunehmen, möglichst nach Absprache mit einem Arzt. Auch bei der Versorgung mit Kalzium, Eisen, Zink, Selen sowie Jod und langkettigen Omega-3-Fettsäuren droht Adam zufolge ohne tierische Produkte recht schnell ein Mangel. „Durch eine geschickte Auswahl an pflanzlichen Lebensmitteln kann dies aber ausgeglichen werden“, sagt die Ernährungswissenschaftlerin. Aber: „Das Risiko einer Nährstoffunterversorgung ist vor allem bei Personen in sensiblen Lebensphasen wie Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern und Jugendlichen gegeben.“

Keine Antibiotika in Biofleisch

Grundsätzlich habe eine vegane Ernährung auch positive Effekte. „Veganer nehmen weniger gesättigte Fettsäuren zu sich, die im Verdacht stehen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu begünstigen, aber sie verzehren deutlich mehr Ballaststoffe, Antioxidanzien und sekundäre Pflanzenstoffe als die meisten anderen Deutschen, die auf eine normale Mischkost setzen.“

Vegan ernährt sich nur eine kleine Minderheit hierzulande – ebenfalls wenige Menschen setzen auf eine laktose- oder glutenfreie Ernährung. Nötig und sinnvoll sei das nur, wenn man Laktose (Milchzucker) oder das in Getreide enthaltende Eiweiß Gluten tatsächlich nicht vertrage, sagt Adam. Ansonsten bringe eine solche Ernährung keine Vorteile. Bei einer laktosefreien Ernährung sollte man sorgfältig darauf achten, seinen Kalziumbedarf durch andere Lebensmittel zu decken.

Apropos anders: Ist Bio besser? Kommt darauf an, sagt Adam. Studien hätten gezeigt, dass zumindest konventionell erzeugtes, saisonales Obst ähnlich viele Nährstoffe wie ökologisch erzeugtes Obst und Gemüse enthalte. Konventionell erzeugte Früchte und Gemüsesorten könnten Studien zufolge im Schnitt mehr Schadstoffe enthalten als biologisch erzeugtes Obst und Gemüse. Für Biofleisch spreche, dass keine Antibiotika eingesetzt würden und die Tierhaltung in der Regel deutlich besser sei.

In kleinen Schritten die Ernährung verändern

Wie setzt man die Empfehlungen für eine gesunde Ernährung nun um? „In kleinen Schritten“, sagt Adam. „Man sollte mit Maßnahmen beginnen, die am ehesten machbar erscheinen.“ Ein Beispiel: Man isst bisher nur etwa zweimal pro Woche Obst? Dann kann man anstreben, dies drei- oder viermal pro Woche zu tun. „Dabei sollte man die Obstsorten aussuchen, die einem schmecken“, rät Adam. Der Genuss dürfte nie zu kurz kommen. „Denn sobald mir etwas Freude bereitet, bleibe ich am Ball.“

Dazu passt auch ein zweites Beispiel. Man liebt Chips und Schokopudding? Dann müsse man nicht gleich ganz darauf verzichten, sagt Adam. Aber weniger von diesen Dickmachern zu verzehren sei realistisch. „Und man kann auch mal eine süße, aber gesündere Alternative probieren, die weniger Zucker als Pudding enthält, etwa Trockenfrüchte“, empfiehlt Adam. Unter Umständen entdecke man so leckere Lebensmittel, von denen man nichts ahnte.

„Ein striktes und rigides Essverhalten lässt sich oft nur kurzfristig durchhalten“, sagt Adam. „Ein flexibles Essverhalten hingegen verspricht langfristig einen besseren Erfolg, gesunde Verhaltensweisen umzusetzen.“

Informationen im Internet

www.dge.de Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) wurde 1953 gegründet und befasst sich mit allen Fragen der Ernährung und aktuellen Forschungsergebnissen. Auf ihrer Webseite gibt die DGE viele praktische Anleitungen, wie eine gesunde Ernährung zusammengesetzt sein sollte. Vor dem Hintergrund, dass vegane Ernährung immer popu­lärer wird, hat die DGE dazu ein Grundsatzpapier erarbeitet. Dabei geht es vor allem um die Frage, bei welchen Nährstoffen eine Unterversorgung droht, wenn man sich vegan ernährt. Auch diese Stellungnahme ist auf der Webseite zu finden.

www.ugb.de Der Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung setzt sich unter anderem für eine nachhaltige und vollwertige Ernährung ein. Auf seiner Webseite setzt sich der Verband unter dem Stichwort „Ernährungsberatung“ kritisch mit der veganen Ernährung und anderen aktuellen Ernährungstrends auseinander.

www.gesundheitsforschung-bmbf.de Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat sich umfassend mit den Ernährungsgewohnheiten der Deutschen beschäftigt. Auf der Webseite sind die Er­gebnisse dieser Unter­suchungen unter dem Stichwort „Gesundheit erhalten“ nachzulesen. Außerdem wird dort erklärt, welche Nährstoffe in unserem Essen enthalten sind und wie eine gesunde Ernährung in bestimmten Lebensphasen aussieht, zum Beispiel in der Kindheit, während einer Schwangerschaft oder bei schwerer körperlicher Arbeit.

www.aid.de Der land- und hauswirtschaftliche Auswertungs- und Informationsdienst (AID) wurde 1950 als Verein gegründet. Er sieht seine Aufgabe darin, über Landwirtschaft, Lebensmittel und Ernährung zu informieren. Auf seiner Internetseite hat der AID auch Informationen über sogenannte Trendlebensmittel wie zum Beispiel Chiasamen, Algen, Energydrinks und das Süßungsmittel Stevia zusammengestellt. Dort kann man nachlesen, woher diese Lebensmittel stammen, wie sie verwendet werden und welche Nährstoffe sie enthalten.

www.verbraucherzentrale.de Die Verbraucherzentrale hat auf ihre Webseite ein umfangreiches Kapitel zum Thema Ernährung gestellt. Unter dem Stichwort Ernährungsempfehlungen gibt sie dort auch viele Tipps, wie man sich mit wenig Geld gesund ernähren kann. Außerdem werden auf der Internetseite jeden Monat einige Rezepte mit ausführlichen Erläuterungen zu den Zutaten und Spartipps veröffentlicht.