Teil 8: Unverträglichkeiten und Allergien. Ein Arzt erklärt, wie Betroffene sich verhalten sollten – und welche Alternativen sie haben.

Auf den Genuss folgt Verdruss: Eben erst den leckeren Frischkäse verzehrt und dazu ein Glas Milch getrunken, rumort es schon im Bauch – das Mahl bereitet Unbehagen. Wenig später bahnt sich ein Durchfall an. Schnell auf die Toilette. Das kommt Ihnen bekannt vor? Dann reagieren sie womöglich empfindlich auf Milchzucker, auch Laktose genannt. Schätzungsweise 15 Prozent der Deutschen sind von dieser sogenannten Laktoseintoleranz betroffen. Sie ist die häufigste Nahrungsmittelunverträglichkeit.

Die Ursache ist ein Enzymmangel. Der Milchzucker muss im Dünndarm aufgespalten werden, damit er verwertet werden kann. Das geschieht normalerweise durch das Enzym Laktase. Wenn der Körper davon zu wenig bildet oder es nicht ausreichend wirkt, kann im Darm weniger Milchzucker abgebaut werden. Er gelangt in den Dickdarm, wo ihn Bakterien zerlegen. Dabei können Blähungen und Durchfall entstehen.

Im Alter häufiger Laktoseintoleranz

Nicht alle Betroffenen sind gleich empfindlich: „Es gibt Menschen, die bekommen schon durch kleinste Milchmengen in Nahrungsmitteln Durchfall – andere müssen dazu mindestens ein Glas Milch trinken“, sagt Dr. Matthias Riedl, Internist und Ernährungsmediziner von der Praxis medicum Hamburg. Für alle Menschen gilt: Je älter wir werden, desto schlechter vertragen wir Laktose. „Es kann deshalb passieren, dass jemand, der über Jahrzehnte hinweg reichlich Milch, Joghurt und Frischkäse essen konnte, plötzlich mit einer Unverträglichkeit umgehen muss“, sagt Riedl.

Die zweithäufigste Nahrungsmittelunverträglichkeit ist dem Arzt zufolge die Fruchtzuckerunverträglichkeit, auch Fruktoseintoleranz genannt. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber für schätzungsweise fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung wird es unangenehm, wenn sie mehr als 25 Gramm Fruktose pro Mahlzeit zu sich nehmen. Ab diesem Punkt bekommen sie Bauchschmerzen, Blähungen oder Durchfall. Das kommt daher, dass der Fruchtzucker im Dünndarm nicht richtig in ins Blut aufgenommen wird. Er gelangt in den Dickdarm und verursacht dort Probleme.

Glutenunverträglichkeit ist eher selten

Fruchtzucker ist nicht nur in Früchten enthalten, sondern in diversen gesüßten Lebensmitteln. „Auch wer keine Früchte isst, aber nach dem Verzehr von gesüßten Lebensmitteln immer wieder Magen-Darm-Probleme bekommt, sollte sich deshalb auf eine Intoleranz untersuchen lassen“, sagt Matthias Riedl.

Vergleichsweise selten ist Riedl zufolge die Glutenunverträglichkeit (Zöliakie). Gluten, das auch als Klebereiweiß bezeichnet wird, ist in Weizen, Roggen und Gerste enthalten. Glutenhaltige Nahrungsmittel führen bei Betroffenen im Dünndarm zu einer Entzündung, welche die Dünndarmschleimhaut schädigt. Bemerkbar macht sich das durch Bauchschmerzen.

Bei Verdacht Wasseratemstofftest machen

Bei einem Verdacht auf eine Nahrungsmittelunverträglichkeit ist der Hausarzt der erste Ansprechpartner. Er kann den Patienten an einen Gastroentorologen oder einen Ernährungsmediziner überweisen. Diese Fachärzte führen einen Wasserstoffatemtest (H2-Atemtest) durch.

Bevor und nachdem der Patient etwa ein Glas Milch oder Fruchtsaft getrunken hat, wird die Konzentration des Wasserstoffs in der Ausatemluft gemessen. Diese verändert sich abhängig davon, ob der Milch- oder Fruchtzucker im Dünndarm verarbeitet werden kann oder nicht. Gleichzeitig achtet der Arzt darauf, ob sich bei dem Patienten die typischen Magen-Darm-Symptome zeigen. Weitere Tests, etwa eine Blut- oder Stuhluntersuchung, seien nicht notwendig und von sogenannten IgG-Tests rate er ab, sagt Matthias Riedl.

Oft ist kein vollständiger Verzicht nötig

Um die Beschwerden zu verhindern, müssten Betroffene oft nicht vollständig auf die auslösenden Lebensmittel verzichten. „Es genügt oft schon, deutlich weniger und seltener Milch- oder Fruchtzucker zu sich nehmen“, sagt Riedl. „Nach einem längeren Verzicht ist es oft so, dass der Körper zunächst weniger empfindlich reagiert.“

Patienten mit Laktoseintoleranz müssen sich schon insofern nicht allzu stark einschränken, weil es laktosefreie Milch gibt und etliche Weich- und Hartkäsesorten, die nur wenig oder gar keine Laktose enthalten. Bei Käse gilt: Je länger er gereift ist, umso weniger Laktose enthält er.

Gemüse ist besser als Obst

Wer allerdings schon von kleinsten Mengen Milch- oder Fruchtzucker Durchfall bekommt, sollte die Auslöser komplett weglassen, rät Riedl. Bei Fruchtzucker sei das gar nicht so einfach, weil dieser in sehr vielen verarbeiten Lebensmitteln stecke. Deshalb sollte man bei den Inhaltsstoffen genau hinschauen, ob dort Fructose aufgeführt ist.“

Früchte enthalten sehr viele Vitamine – wäre es nicht schlecht, darauf ganz zu verzichten? Nein, sagt Riedl: „Was uns Früchte an Vitaminen liefern, steckt auch in Gemüse. Es ist für uns ohnehin gesünder, viel Gemüse und eher weniger Obst zu verzehren, da der Fruchtzucker die Entwicklung einer Fettleber und damit die Entstehung von Diabetes fördern kann.“

Mandeln und grünes Gemüse liefern Kalzium

Was aber ist mit dem Kalzium aus Milchprodukten? Lässt sich der Bedarf decken, wenn man auf Milch, Joghurt und Käse verzichten würde? Ja, sagt Riedl: „Mandeln und grünes Gemüse etwa liefern viel Kalzium, auch in Mineralwasser ist es enthalten. Ein Liter Mineralwasser liefert manchmal schon den halben Tagesbedarf an Kalzium.“

Der Mediziner empfiehlt, dass Patienten sich nach der ärztlichen Diagnose von einem Ernährungsberater erklären lassen, wie sie sich weiterhin ausgewogen und gesund ernähren können. Sei eine Unverträglichkeit nachgewiesen, werde eine solche Beratung auf Antrag in der Regel von den Krankenkassen übernommen.

Stärkere Schmerzen bei Magen-Darm-Infekt

Beschwerden wie Blähungen und Durchfall, die durch Nahrungsmittelunverträglichkeiten hervorgerufen werden, können auch andere Ursachen haben, etwa eine Infektion des Magen-Darm-Traktes mit Viren oder krankmachenden Bakterien. Wie lässt sich das von einer Nahrungsmittelunverträglichkeit abgrenzen? „Bei einem Magen-Darm-Infekt sind die Schmerzen häufig stärker, die Beschwerden dauern länger an und nicht selten kommt auch Erbrechen hinzu“, sagt Riedl.

Wichtig: „Wer einen Magen-Darm-Infekt hat, sollte vorübergehend auf Milchprodukte verzichten, weil er sonst die Durchfallphase verlängert“, so der Mediziner. „Denn durch die Entzündung kann der Darm das Milch abbauende Enzym Laktase nicht so gut produzieren.“

Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt

Ebenfalls von Nahrungsmittelunverträglichkeiten abzugrenzen sind Allergien gegen Nahrungsmittel. Eine Allergie ist eine überschießende Abwehrreaktion des Immunsystems auf bestimmte Stoffe, die für andere Menschen harmlos sind. Während Unverträglichkeiten zwar sehr unangenehm sein können, aber in der Regel nicht gefährlich sind, sei bei Allergien besondere Vorsicht geboten, sagt Riedl. „Allergien können sich steigern. Reagiert das Immunsystem zunächst womöglich nur leicht überschießend auf ein Allergen, kann die Reaktion später heftiger und womöglich gefährlich sein.

Deshalb müssen Betroffene ganz auf ein Nahrungsmittel verzichten, gegen das sie allergisch sind, damit sich das Ganze nicht hochschaukelt“, sagt der Ernährungsmediziner. Außerdem könnten auch noch Kreuzallergien entstehen, das heißt, dass mit dem Auslöser verwandte Stoffe plötzlich ebenfalls Beschwerden verursachen.

Ein erstes Zeichen für eine Nahrungsmittelallergie ist, dass die Lippen anschwellen oder es im Mund kribbelt. „Bei solchen Symptomen sollte man unbedingt zum Arzt gehen“, sagt Riedl. Erster Ansprechpartner ist der Hausarzt. Er wird den Patienten dann an einen Allergologen überweisen, der verschiedene Tests zum Nachweis einer Allergie durchführen kann.

Informationen im Internet

www.daab.de Der Deutsche Allergie- und Asthmabund kümmert sich als Patientenverband um Kinder und Erwachsene, die unter Allergien, Asthma, COPD und Neurodermitis leiden. Auf seiner Webseite informiert der DAAB auch ausführlich über Nahrungsmittelallergien und -unverträglichkeiten. Zusätzlich gibt es Tipps, was bei den einzelnen Allergien und Intoleranzen im Umgang mit Nahrungsmitteln zu beachten ist.

www.dge.de Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) warnt vor sogenannten IgG-Bluttests, die zum Nachweis von Nahrungsmittelunverträglichkeiten angeboten werden und erklärt sie für ungeeignet. Ausführliche Informationen dazu finden sich auf der Webseite der DGE.

www.ugb.de Der Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung setzt sich für eine nachhaltige und vollwertige Ernährung ein. Auf seiner Webseite klärt der Verband auch über die verschiedenen Nahrungsmittelunverträglichkeiten auf und wie man im Alltag am besten damit umgeht. Zudem nehmen Experten Stellung zu verbreiteten Meinungen zur Schädlichkeit von bestimmten Lebensmitteln und erklären, was davon wissenschaftlich belegt ist und was nicht.

www.nahrungsmittel-intoleranz.com Das Portal für Nahrungsmittelintoleranz (NMI) informiert über die unterschiedlichen Intoleranzen, zum Beispiel gegen Fruktose, Laktose und Histamin, und erklärt, warum Allergien und Unverträglichkeiten zwei verschiedene Dinge sind. Außerdem gibt es detaillierte Listen, in der Lebensmittel aufgeführt sind, die bei der jeweiligen Intoleranz unpro­blematisch sind sowie Listen mit unverträg­lichen Lebensmitteln.

www.allum.de Das Kinderärztliche Portal Allum beschäftigt sich mit den Themen Allergie, Umwelt und Gesundheit. Auf der Webseite gibt es auch ein Kapitel zum Thema Nahrungsmittellallergien und Intoleranzen. Dabei wird ausführlich auf den Unterschied zwischen Allergien und Unverträglichkeiten eingegangen. Außerdem gibt es auf der Internetseite zum Beispiel bei der Laktose-Intoleranz detaillierte Erklärungen dazu, welche unterschiedlichen Formen es bei dieser Unverträglichkeit gibt.