Alltagsbeschwerden – und was dagegen hilft. Teil 5: Herz-Kreislauferkrankungen – manchmal hilft eine leicht veränderte Lebensweise.

Schwindel, starkes Herzklopfen, nachts im Schlaf aufschrecken – hinter Alltagsbeschwerden kann Ernsthaftes stecken. So wie bei einem brennenden Gefühl im Kiefer, Hals oder in Höhe des Brustbeins: Wer bringt diesen Schmerz schon mit einem drohenden Herz­infarkt in Verbindung?

„Schmerzen in der Körpermitte sind typisch für Herzprobleme“, sagt der Hamburger Kardiologe, Privatdozent Dr. Klaus-Peter Kunze. „Immer wenn es dort wehtut, kann es das Herz sein.“

Alarmzeichen des Körpers

Viele Menschen kennen nur die klassischen Schmerzen in der Innenseite des linken Arms oder das Engegefühl in der Brust, die sogenannte Angina pectoris. All dies sind Alarmzeichen, denen ein Mediziner unbedingt auf den Grund gehen sollte. Ist das Herz betroffen? Oder steckt zum Beispiel Sodbrennen dahinter? Auch Asthmapatienten haben manchmal solche Schmerzen.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gelten als Volkskrankheit, besonders im Alter. Mit 40 Prozent sind sie die häufigste Todesursache in Deutschland. Männer haben ein doppelt so hohes Risiko wie Frauen.

Ein Grund: Unter ihnen sind mehr Raucher. Rauchen ist Gift für die Gefäße. Bei Frauen steigt das Risiko erst mit der Hormonumstellung nach den Wechseljahren. Weitere Risikofaktoren sind Bluthochdruck, Störungen des Fettstoffwechsels, Zuckerkrankheit, Übergewicht.

Herzkatheter: Diagnose und Therapie

Generell lebensbedrohlich sind verengte Herzgefäße. Bei Verdacht darauf bringt ein Belastungs-EKG erste Klarheit. Aber: „Nur zwei Drittel der Erkrankungsfälle können damit erkannt werden“, sagt Herzmediziner Kunze. Abzuwägen sei immer das Gesamtrisiko des Patienten.

Bei einem 60-Jährigen mit typischen Brustschmerzen, der 30 Zigaretten am Tag raucht, wäre als nächster Schritt ein Herzkatheter fällig.

Dabei führt der Kardiologe einen dünnen Kunststoffschlauch über die Leiste oder das Handgelenk bis zum Herzen und kann mithilfe eines Kontrastmittels den Zustand der Herzkranzgefäße auf dem Bildschirm des Röntgengeräts erkennen – und gleich therapieren: Denn über den Katheter können Verengungen sofort behandelt werden, durch eine Weitung des Gefäßes mit einem Ballon („Ballondilatation“) oder durch Einsetzen eines Stents, einer Mini­gefäßstütze aus Metall. Das Ziel: das Gefäß für den Blutfluss offen zu halten, Beschwerden zu lindern und einen Infarkt zu verhindern.

Geringe Menge Alkohol und Sport schützen vor Herzinfarkt

Denn wird das Herz nicht ausreichend mit Blut und damit Sauerstoff versorgt, droht ein Infarkt. In Hamburg sterben jedes Jahr rund 50 Menschen auf 100.000 Einwohner an einem Infarkt. Ähnlich niedrig ist die Sterblichkeit in Schleswig-Holstein oder Bayern. In Sachsen-Anhalt liegt sie mit 111 Toten pro 100.000 Einwohner mehr als doppelt so hoch. Eine schnelle Notfallmedizin ist das eine. Ebenso wichtig ist es, alles zu tun, damit sich Blutgefäße erst gar nicht verschließen – denn sie lösen den gefährlichen Infarkt aus.

Eine gute Nachricht gibt es für alle, die sich ein- bis zweimal in der Woche ein Bier oder ein Glas Wein gönnen. „Eine geringe Menge Alkohol schützt vor Herzinfarkt“, sagt Kunze und beruft sich auf internationale Studien. Noch wichtiger, um Gefäßschäden vorzubeugen: Übergewicht vermeiden und was für die Fitness tun. Kunze empfiehlt zweimal in der Woche 30 Minuten Sport. Die Faustregel: Der Pulsschlag sollte spürbar erhöht sein.

Rauchen verursacht Durchblutungsstörungen

Gefäßverschlüsse gibt es auch an der Halsschlagader (Arteria carotis). Hier kann es ebenfalls zu einer Verkalkung der Arterie kommen („Arteriosklerose“). Kurzfristige Sehstörungen auf einem Auge können auf Ablagerungen in der Halsschlagader deuten.

Die Gefahr: Eine verengte Ader steigert das Schlaganfallrisiko. Der Kardiologe erreicht das Gefäß über die Leiste und kann die Verengung mit einem Stent weiten. Das Übel ist so meist dauerhaft beseitigt, die Blutversorgung des Gehirns gesichert. „Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Stelle erneut verengt, ist praktisch gleich null“, sagt Kunze.

Bei Rauchern finden sich Durchblutungsstörungen oft in den Beinen. Schlimmstenfalls führt das zur Amputation des „Raucherbeins“, wenn die Blutversorgung hochgradig gestört ist. Auch hier lassen sich mit einer Ballondilatation – der Weitung einer verengten Ader – Therapieerfolge erzielen.

Wann ist der Blutdruck zu hoch?

Durchblutungsstörungen in den Beinen kündigen sich mit starken Schmerzen an. Sie treten nicht direkt an der verengten Stelle auf, sondern meist ein Stück darunter. „Die Wade schmerzt, aber das Blutgefäß ist weiter oben, etwa eine Handbreit über dem Knie, verengt“, beschreibt Kunze das Phänomen.

Krämpfe können auf Venenleiden deuten. Im Anfangsstadium hilft ein ausgeprägtes Gehtraining, um die Durchblutung zu fördern und die akuten Schmerzen zu bekämpfen. Kunze: „Jeden Tag zweimal eine halbe Stunde Gehtraining hilft vor allem Patienten, die wegen weiterer Erkrankungen nicht gut behandelbar sind.“

Verkalkte Gefäße können eine Folge von hohem Blutdruck sein. Typische Symptome: Druckgefühl in der Brust, ein roter Kopf, starker Herzschlag. „Hoher Blutdruck beginnt bei Werten über 140 zu 90 mmHg“, sagt Kunze. Von der früheren Regel, bei älteren Patienten auch Werte über 150 zu akzeptieren, ist die Medizin abgerückt. Angestrebt werden Werte von 120 bis 130.

Eine typische Patientengeschichte

Bei vielen Patienten wirken Verhaltensänderungen: salzarm ernähren, mehr bewegen, Gewicht reduzieren. Aus einer typischen Patientengeschichte: Ein Mann, um die 50 Jahre, 110 Kilo schwer, 1,70 Meter groß, Blutdruck von 160 zu 100.

Die Warnung des Mediziners: „Sie haben eine deutlich eingeschränkte Lebenserwartung.“ Manchmal gelingt eine Lebensumstellung in wenigen Monaten. „Dann staunen die Patienten, dass dies funktioniert.“ Aber das schafft nicht jeder. Und ein zu hoher Blutdruck kann auch andere Ursachen haben, etwa Schlafapnoe.

So bezeichnen Mediziner gefährliche Atemstillstände im Schlaf. Manche wachen dann abrupt auf. Andere schnarchen stark oder fühlen sich morgens wie gerädert. „Viele kennen den Zusammenhang mit Bluthochdruck nicht“, weiß Dr. Kunze. Nach Behandlung der Schlafapnoe, etwa mit einer Schlafmaske, sinkt der Blutdruck wieder.

Und niedriger Blutdruck?

Wenn nichts anderes hilft, werden blutdrucksenkende Medikamente verschrieben. Sonst drohen Organschäden. Auch familiäre Veranlagung kann zu Bluthochdruck führen. In seltenen Fällen leiden schon 20-Jährige darunter, zum Beispiel wegen einer Fehlsteuerung im Salzwasserhaushalt.

Auch ein zu niedriger Blutdruck ist störend. Er kann zu Schwindel führen, „aber man lebt lange damit“, sagt Kunze. Mit Ausdauersport, einer salzreichen Ernährung, reichlich trinken kann man gegensteuern. Als niedriger Blutdruck gelten erste (systolische) Werte unter 100 mmHg.

Vorhofflimmern ist weit verbreitet

Ein weit verbreitetes Leiden sind Rhythmusstörungen des Herzens, insbesondere das Vorhofflimmern. Diese Patienten haben häufig ein erhöhtes Schlaganfallrisiko. Unangenehm sind die Attacken, wenn sie mit starkem Herzklopfen einhergehen, „oft in Ruhesituationen oder nachts“, sagt Kunze.

Ab 60 Jahren steigt das Risiko. Unter 80-Jährigen hat jeder Zehnte Vorhofflimmern. Die Ursache: fehlgeleitete elektrische Signale im Herz­gewebe. Andere aus dem Takt geratene Rhythmen sind oft harmlos. Bei häufigem Auftreten oder wenn Betroffene Angstzustände bekommen, können Medikamente (Antiarrhythmika) helfen. In hartnäckigen Fällen werden über einen Herzkatheter mit Hochfrequenzstrom die Stellen am Herzen verödet, die zu den Fehlimpulsen führen.

Technik im Überblick

EKG: Beim Elektrokardiogramm messen Elektroden die elektrischen Impulse und zeichnen den Arbeitszyklus des Herzens auf. Der Arzt erkennt an Kurvenverlauf Rhythmus und Frequenz krank­hafte Veränderungen.

Ultraschall: Bei der Echokardiografie treffen Schallwellen (Frequenz über 20.000 Hertz) auf das Gewebe und werden unterschiedlich reflektiert. Der Schallkopf des Geräts sendet und empfängt die Signale, die auf einem Monitor als Bild erscheinen. Der Arzt erkennt die Beweglichkeit des Herzens, der Kammern, mögliche Klappenfehler und Wandbewegungsstörungen des Herzmuskels. Allerdings sagt der Ultraschallbefund nichts über den Zustand der Arterien aus.

Myokardszintigraphie: Die Myokardszintigraphie liefert genauere Daten über die Durchblutung des Herzens als ein Belastungs-EKG. Dem Patienten wird zuvor eine gering strahlende Substanz (Nukleid) in die Armvene gespritzt. Eine Spezialkamera macht den Blutfluss im Herzen sichtbar.

Hilfe aus dem Internet

www.herzstiftung.de : DieHerzstiftung klärt seit 37 Jahren Patienten über Herzkrankheiten und Behandlungsmöglichkeiten auf. Online kann man mithilfe eines Risikotests prüfen, ob man Infarkt­gefährdet ist. Wer unter Herzrasen leidet, findet eine Checkliste, die hilft, die Ursache zu klären. Die ausgefüllte Checkliste sollte man einem Arzt vorlegen.

www.herzinform.de: Die Landesarbeitsgemeinschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Hamburg „Herz in Form“, seit 40 Jahren von Medizinern geleitet, ist Bindeglied zwischen Kassen, Sportvereinen, Patienten. Sie berät Patienten und vermittelt in eine der 150 Herzgruppen in Hamburg. (Tel. 228 02-364, werktags 9–16).

www.hochdruckliga.de: klärt über Gefahren des Bluthochdrucks auf. Online gibt es ein Verzeichnis von Ärzten mit Schwerpunkt Bluthochdruck. Montag bis Freitag, 9–12 Uhr, beantworten Experten unter 06221-58 85 55 Fragen über Bluthochdruck und Behandlung