Alltagsbeschwerden – und was dagegen hilft. Teil 4: Knochen- und Gelenkprobleme. Knorpelverschleiß lässt sich verlangsamen.
Es klingt manchmal, als würden Zweige brechen: Wenn Menschen in die Knie gehen, sei es beim Sport, Einkaufen oder Putzen, machen sich bei einigen die Gelenke laut bemerkbar. Ein Grund zur Sorge ist das aber nicht, wenn es bei den Geräuschen bleibt: „Ein Reiben, Knirschen oder Knacken ohne Schmerzen ist in der Regel völlig unbedenklich und muss nicht behandelt werden“, sagt Prof. Thorsten Gehrke, Chefarzt und Ärztlicher Direktor der Abteilung für Gelenkchirurgie an der Helios Endo-Klinik Hamburg.
Wenn das Knacken und Knirschen in Hüfte, Knie oder Füßen allerdings regelmäßig Beschwerden verursache, könne dies auf einen Gelenkverschleiß hindeuten, sagt der Orthopäde. Mit der Zeit komme ein weiteres Symptom hinzu: Weil sich die Muskulatur um das angegriffene Gelenk verkürze, um Überlastungen und damit weitere Schäden zu verhindern, nehme die Beweglichkeit des Gelenkes ab, erläutert Gehrke. „Betroffene mit Hüftproblemen merken das etwa daran, dass es ihnen schwerfällt, die Schuhe zuzubinden.“
Ebenfalls typisch für Gelenkverschleiß an Hüfte, Knie und Sprunggelenken ist der sogenannte Anlaufschmerz. „Wenn man lange gesessen hat und dann aufsteht, sind die ersten Schritte beschwerlich“, sagt Gehrke. Ein weiteres Symptom: Insbesondere nach größeren Belastungen entstehen um lädierte Knie- und Sprunggelenke deutlich sichtbare Schwellungen; nur an der Hüfte sieht man solche Schwellungen nicht, weil das Gelenk zu tief im Gewebe liegt.
Aufhalten oder heilen lässt sich Arthrose bisher nicht
Verschleiß an Gelenken ist nichts anderes als eine Knorpelerkrankung. Knorpel bildet die Schutzschicht unserer Gelenke. Bei Verschleiß wird er abgerieben – Ärzte sprechen dann von einer Arthrose.
„Wenn es zu Knorpelabrieb kommt, sind es nicht der Knochen oder der Knorpel, die schmerzen, denn sie haben keine Nerven. Was wehtut, ist die Gelenkschleimhaut“, erläutert Gehrke. Die Schmerzen entstehen, weil die winzigen abgeriebenen Knorpelpartikel die Gelenkschleimhaut irritieren. Sie schwillt dann an und produziert vermehrt Gelenkflüssigkeit.
Aufhalten oder gar heilen lässt sich Arthrose bisher nicht, denn Knorpel kann sich nicht regenerieren – im Gegensatz zu Knochen, die sich ein Leben lang erneuern können, eine ausreichende Vitamin D-Zufuhr vorausgesetzt (siehe Text unten). Das Fortschreiten der Arthrose lasse sich aber verlangsamen, sagt Gehrke. „Sehr wichtig ist es, Übergewicht und damit hohen Druck auf die Gelenke zu verhindern. Wer zu viel wiegt, sollte seine Ernährung entsprechen umstellen.“
Vitamin E könnte helfen, die bei Arthrose entstehenden schädlichen Stoffe abzufangen
Dass man Knorpel durch bestimmte Nahrungsstoffe wieder aufbauen könne, sei ein Märchen, sagt der Orthopäde. Möglicherweise helfe Vitamin E ein wenig. Es könne dazu beitragen, die bei entzündlichen Prozessen wie Arthrose entstehenden schädlichen Stoffe – sogenannte freie Radikale – abzufangen. Nachgewiesen sei das aber nicht.
Das Gleiche gelte für Hyaluron, einen Stoff, der im Knorpel natürlicherweise vorkommt. Etliche Orthopäden bieten an, Hyaluron bei Arthrose in den Knien in das Gelenk zu spritzen. Abgesehen von der Infektionsgefahr, die gering sei, aber nicht auszuschließen, sei wissenschaftlich nicht nachgewiesen, dass Hyaluron das Fortschreiten der Arthrose insbesondere in den fortgeschrittenen Stadien verhindern könne, sagt Gehrke. „Manche diskutieren, dass es womöglich in einem sehr frühen Stadium etwas bringen könnte. Es berichten auch immer wieder Patienten, dass Hyaluron ihnen hilft – wissenschaftliche Studien bestätigen einen positiven Effekt aber nicht.“
Apropos positiver Effekt: „Ganz wichtig ist, seine Muskulatur in Schuss zu halten“, rät Gehrke. „Denn nur eine gut entwickelte und funktionierende Muskulatur kann ein Gelenk entlasten.“ Am besten erreichen lasse sich das durch Training unter fachlicher Anleitung oder eine Physiotherapie, und durch Sport. „Gut geeignet sind etwa Schwimmen, Radfahren und Nordic Walking – prinzipiell alle Sportarten, bei denen Sprung- und Stauchbelastungen vermieden werden.“
Viele Sportarten sind nichts für Arthrosepatienten
Möglichst verzichten sollten Arthrosepatienten unter anderem auf Volleyball, Handball, Fußball, Badminton und insbesondere auf Marathonläufe, sagt der Mediziner.
Zeitweise könnten Medikamente wie Ibuprofen und Diclofenac gegen den Schmerz helfen, denn sie wirken gegen die Schleimhautentzündung in den Gelenken. Cortison dränge die Entzündung am effektivsten zurück, habe aber auch einen knorpelzerstörenden Effekt. „Man lindert zwar den Schmerz, fördert aber den Knorpelverschleiß. Deshalb sollte man es bei wenigen Anwendungen belassen.“
Ab welchem Punkt sollte ein Gelenk operiert werden? „Erstens muss der Patient starke Schmerzen haben“, sagt Gehrke. „Zweitens sollten Röntgen- oder MRT-Bilder eine deutliche und fortgeschrittene Zerstörung des Gelenkes zeigen. Drittens muss der Patient eine deutliche Reduktion seiner Lebensqualität verspüren. Es gibt ja Menschen, die haben Schmerzen, nehmen Schmerzmittel, und das reicht ihnen, auch wenn ihre Gelenke fortgeschritten verschlissen sind.“
Durch eine Korrektur soll das Gelenk wieder normal belastet werden
Sofern die Arthrose durch ein Fehlstellung entstanden ist, sei eine Umstellungsoperation in einem frühen Stadium sinnvoll. Durch die Korrektur soll das Gelenk anschließend wieder normal belastet werden. Wenn die Arthrose sehr weit fortgeschritten sei und starke Schmerzen verursache, komme ein Kunstgelenk (Endoprothese) infrage, sagt der Orthopäde.
Wenn die OP einwandfrei verlaufe, seien anschließend zwar in der Regel eine mehrwöchige Auszeit vom Job und eine Physiotherapie nötig. „Danach“, sagt Gehrke, „können Patienten mit einem Kunstgelenk aber meist ein ganz normales Leben führen und so aktiv sein wie früher.“