Hamburg. Alltagsbeschwerden – und was dagegen hilft. Teil 3: Vorsorgeuntersuchungen. Frauen kümmern sich mehr um ihre Gesundheit als Männer.
„Männer betreiben Reparaturmedizin, Frauen Vorsorgemedizin“, sagt Prof. Frank Sommer vom Uniklinikum Eppendorf, weltweit der einzige Universitätsprofessor für Männergesundheit. Damit bringt er auf den Punkt, was bei vielen Untersuchungen immer wieder ins Auge sticht. Frauen nehmen Früherkennungsuntersuchungen häufiger wahr als Männer.
„Männer denken meist erst ab dem Alter von 40 bis 50 Jahren über Vorsorge und Früherkennungsuntersuchungen nach. Vorher gehen viele nur zum Arzt, wenn sie Beschwerden haben“, sagt Sommer. Die Ursache liegt in längst überholten Rollenbildern: „Männer glaubten früher, sie würden eine Schwäche zugeben, wenn sie zum Arzt gehen, um Vorsorgemedizin zu betreiben“, sagt Sommer. Doch langsam wandelt sich das Bild. „In den vergangenen 30 Jahren ist der Anteil der Männer, die zu Untersuchungen zur Früherkennung des Prostatakrebses gehen, von 12,4 Prozent auf mehr als 20 Prozent gestiegen. Von den Frauen nehmen etwas mehr als 50 Prozent Untersuchungen zur Früherkennung des Brustkrebses wahr“, sagt Sommer.
Zwar sei Männergesundheit mittlerweile salonfähig. Männer würden miteinander darüber sprechen, beim Sport, bei der Arbeit. Doch die Schere zwischen denen, die sich um ihre Gesundheit kümmern und denen, die es nicht tun, wird immer größer. „Auf der einen Seite stehen diejenigen mit gutem sozialen und ökonomischen Status, die sich mit Fitnessarmbändern ausrüsten und immer sportlicher und schlanker werden. Auf der anderen Seite sehen wir Männer, die sich wenig mit ihrer Gesundheit beschäftigen, an Gewicht zunehmen,weil sie sich ungesund ernähren und Stunden vor dem Fernseher verbringen“, sagt Sommer.
Früher war ein dicker Bauch ein Zeichen für den Wohlstand eines Mannes, heute ist es ein gesunder, schlanker, durchtrainierter Körper. Dafür hat die Deutsche Gesellschaft Mann und Gesundheit ein kleines Fitnessprogramm für Männer erstellt, das 3x3x3. Darin wird empfohlen, dreimal in der Woche drei Übungen für insgesamt drei Minuten durchzuführen, Kniebeugen, Liegestütz und eine vereinfachte Form von Klimmzügen in drei unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. (Weitere Infos: www.mann-und-gesundheit.com)
Die gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen
Zu einem guten Gesundheitsbewusstsein gehört auch, Warnzeichen für ernstere Probleme nicht zu ignorieren. Als Beispiel nennt Sommer Erektionsstörungen. „Werden sie durch eine Störung in den Blutgefäßen verursacht, kann sie auf eine allgemeine Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) hinweisen. Denn diese macht sich zuerst im Penis bemerkbar, weil dort die kleinsten Arterien sitzen. Studien haben gezeigt, dass diese Form der Erektionsstörung ein Vorbote dafür ist, dass man vier bis acht Jahre später einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommen kann.“ Deswegen sollte ein Mann Erektionsstörungen vom Arzt abklären lassen.
Wer zur Krebsfrüherkennungsuntersuchung geht, steht auch immer vor der Frage: Soll ich meinen PSA-Wert bestimmen lassen? Dabei wird die Menge des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Blut gemessen. Ein erhöhter Wert kann auf Prostatakrebs hinweisen, aber auch auftreten bei Entzündungen und mechanischen Belastungen der Prostata, zum Beispiel durch Fahrradfahren. „Deswegen hat eine einmalige Bestimmung des PSA-Wertes nur begrenzte Aussagekraft“, sagt Sommer. Deshalb ist die Untersuchung umstritten. „Wenn man sich für diese Untersuchung entscheidet, sollte man auch bereit sein, die Konsequenz zu ziehen. Das heißt, bei erhöhten Werten würde man den Test wiederholen, und daraus resultiert eine Ultraschalluntersuchung und eine Gewebeprobe. Diese Vorgabe gilt ab einem PSA-Wert von vier. Meine Empfehlung ist immer, den Patienten über die Aussagefähigkeit des Testes zu informieren, über die möglichen Konsequenzen aufzuklären und ihn dann entscheiden zu lassen, ob er die Untersuchung machen möchte“, sagt Sommer. „Manche Experten sagen, am sichersten sei die Vorsorgeuntersuchung mit einer Tastuntersuchung, einem Ultraschall und der Bestimmung des PSA-Wertes“, sagt Sommer. Die Ultraschalluntersuchung und die Bestimmung des PSA-Wertes werden von den Krankenkassen nicht bezahlt.
Prostatakrebs ist der häufigste Tumor des Mannes. Aber Männer können auch an Brustkrebs erkranken. „Zwar kommt nur etwa ein Prozent aller Brustkrebse bei Männern vor, aber es ist der Tumor, dessen Häufigkeit bei Männern am stärksten ansteigt“, sagt Sommer, und empfiehlt deshalb auch Männern, sich bei der Früherkennungsuntersuchung regelmäßig die Brust abtasten zu lassen.
Bei Frauen ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung. Jede achte Frau erkrankt daran. Um die Früherkennung zu verbessern, gibt es in Deutschland das sogenannte Mammografie-Screening, bei dem Frauen zwischen 50 und 69 Jahren alle zwei Jahre zu einer Reihenuntersuchung eingeladen werden, in der ihre Brust geröntgt wird. Eingeladen werden alle Frauen über das Einwohnermeldeamt. Ausgeschlossen sind diejenigen, die eine Weitergabe ihrer Daten über das Einwohnermeldeamt sperren lassen. Wer keine Einladung erhalten hat, kann sich bei der Zentralen Stelle erkundigen: Tel. 030/3199851-0.
„In Hamburg sind wir damit 2008 gestartet und untersuchen an diesem Standort mit zwei Einheiten jährlich 54.000 Frauen“, sagt Dr. Eva-Maria Baumgartner, Gynäkologin und eine der programmverantwortlichen Ärztinnen im Hamburger Zentrum für Mammografie-Screening.
Nach der Untersuchung werden die Röntgenbilder von zwei Spezialisten unabhängig voneinander beurteilt. Wenn alles in Ordnung ist, wird das der Frau innerhalb einer Woche mitgeteilt. Bei Auffälligkeiten wird der Fall in einer Konferenz besprochen und die Frau eventuell zu weiteren Untersuchungen eingeladen. Bei Auffälligkeiten wird eine Ultraschalluntersuchung der Brust durch die Ärzte im Mammografie-Screening durchgeführt.
„In der ersten Runde finden wir bei einem Prozent der untersuchten Frauen einen Tumor, in den weiteren Runden bei jeweils 0,5 bis 0,6 Prozent“, sagt Baumgartner. Sie und ihre Kollegen gehen davon aus, dass die Sterblichkeit durch Brustkrebs langfristig sinkt. „In Holland wird das Programm seit 25 Jahren allen Frauen zwischen 50 und 74 Jahren angeboten. Dort zeigt sich ein Abfall der relativen Sterblichkeitsrate bei Brustkrebs um insgesamt 25 Prozent bei allen Frauen dieser Altersgruppe. Bei denen, die am Screening teilgenommen haben, hat die Sterblichkeit um 40 Prozent abgenommen“, sagt Baumgartner. Das ist auch darauf zurückzuführen, dass kleine Tumoren, die noch nicht gestreut haben, durch das Screening häufiger entdeckt werden. „Im Mammografie-Screening sind mehr als 80 Prozent der diagnostizierten Tumore kleiner als zwei Zentimeter. Vor dem Screening waren es 50 Prozent“, sagt Baumgartner.
Kritiker des Screenings führen immer wieder an, es würde zu Überdiagnosen kommen. „Das bedeutet, dass ein Karzinom nachgewiesen wird, es aber zu den Lebzeiten des Menschen keine Nachteile mit sich bringt. Wir können dem Karzinom nicht ansehen, welches sich schnell weiterentwickelt und welches langsam. Wenn wir ein Karzinom entdecken, wird es nach den Regeln der ärztlichen Kunst behandelt“, sagt die Gynäkologin.