Hamburg. Hebamme Katrin Magner, erzählt, wie soziale Medien den Kreißsaal verändert haben und wieso eine Geburt ohne Schmerzen utopisch ist.
Promi-Mütter, die auf Facebook von einer „fantastischen Wassergeburt“ schwärmen. Oder Schauspielerinnen, die bei Instagram schon wenige Tage nach der Niederkunft wieder ihren Model-Körper zeigen. Der „Perfektionswahn“ hat, begünstigt durch die sozialen Medien, längst auch den Kreißsaal erreicht.
„Viele werdende Mütter machen sich selbst einen irren Druck, haben riesige Erwartungen an dieses womöglich einmalige Erlebnis, das dann bitte auch einzigartig toll sein soll“, sagt Katrin Magner. Früher habe es mal wohlgemeinte Ratschläge der eigenen Mutter oder der Freundinnen gegeben, heute sei die Beeinflussung von außen jedoch enorm, so die Leitende Hebamme von der Asklepios Klinik Barmbek: „Die größte Utopie ist der Wunsch nach einer komplett schmerzlosen Geburt. Die gibt es einfach nicht.“
Hebammentag: Neuer Trend gegen Schmerzen bei der Geburt
Doch selbstverständlich gebe es verschiedene Methoden, schulmedizinische und alternative, um die Schmerzen unter der Geburt erträglich zu machen. Zudem sei das Angebot an werdende Mütter schon vor der Geburt groß: „Da ist ja ein regelrechter Markt entstanden, Schwangeren-Yoga und vorbereitende Akupunktur gehören dabei fast schon zum Standard.“ Der „neue Hype“ sei das sogenannte Hypnobirthing, bei dem sich die werdenden Mütter mit Techniken der Meditation auf die Geburt vorbereiten.
Die erfahrene Hebamme, die seit 17 Jahren in ihrem Traumberuf arbeitet und auch schon am UKE, im Marienkrankenhaus und am Diakonieklinikum tätig war, empfiehlt werdenden Müttern grundsätzlich, „aufs Bauchgefühl“ zu hören. „Jede Frau muss für sich herausfinden, was ihr guttut. Und keine Frau darf verurteilt werden für den Weg, den sie wählt.“ Eine Anspielung auf Frauen, die es gesellschaftlich teils immer noch schwer haben, weil sie ihr Kind nicht auf natürlichem Weg auf die Welt gebracht haben.
Kaiserschnitte sollten nicht verurteilt werden
Dabei sind die Gründe für einen Kaiserschnitt vielfältig. „Manchmal geht es eben nicht anders, manchmal hat die werdende Mutter zu große Angst vor den Schmerzen. Und ja, manchmal spielt auch der volle Terminkalender eine Rolle.“ Sie berate mit ihren Kolleginnen generell Richtung natürliche Geburt. „Die Förderung der natürlichen Geburt liegt uns sehr am Herzen, aber wir respektieren immer den Wunsch der Frau.“
Die meistgestellte Frage vor der Geburt und damit auch der häufigste Grund, warum in der Anmeldung das Telefon klingele, sei: „Wann sollen wir losfahren?“ „Es gibt Frauen, die verspüren noch gar keinen Drang, sich auf den Weg Richtung Klinik zu machen, obwohl die Wehen schon alle fünf Minuten kommen. Andere sorgen sich schon, wenn sie alle 15 Minuten etwas spüren.
Vater im Kreißsaal? Ermessenentscheidung
Aufs Gefühl hören und lieber losfahren als ängstlich zu Hause zu sitzen.“ Was ist für die Hebamme, die schon Hunderte Hamburger auf die Welt gebracht hat, eine „schöne Geburt“? „Für mich zählt immer das Ergebnis, völlig unabhängig von Dauer und Verlauf: Entscheidend sind ein gesundes Kind, eine gesunde Mutter und eine glückliche Familie.“ Dass Vater oder Co-Mutter im Kreißsaal dabei seien, unterstütze sie sehr, sagt Katrin Magner: „Es unterstützt die Bindung zum Kind, wenn man die Geburt miterlebt.“
Allerdings bringe es nichts, den Mann zu überreden, wenn er selbst Zweifel habe, ob er sich die Geburt ansehen wolle. „Es ist ja auch niemandem geholfen, wenn sich das Team mehr um den Vater kümmern muss als um die werdende Mutter.“ In solchen Fällen sei es dann besser, die eigene Mutter oder eine enge Freundin mit in den Kreißsaal zu bringen. „Es muss eine Vertrauensperson sein, die der werdenden Mutter Kraft und Zuspruch gibt.“
Viele Mehrlingsgeburten in Barmbek
An ihrem Beruf liebe sie, dass er so überraschend sei. „Jede Geburt ist anders, deshalb sprechen wir im Vorfeld auch ungern darüber, wie lange sie im Schnitt dauert. Das erzeugt nur wieder neuen Druck.“ So gebe es auch nicht die beste Position, um zu gebären. „Für manche Frauen ist die Seitenlage gut, andere liegen lieber auf dem Rücken. Ich erinnere mich aber auch noch sehr gut an eine der ersten Zwillingsgeburten, die ich betreuen durfte: Die Frau hat im Vierfüßlerstand entbunden.“
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Die Zahl der Mehrlingsgeburten sei in den vergangenen Jahren stark angestiegen, bundesweit liegt der Schnitt bei drei Prozent, in Barmbek sogar bei sechs Prozent. „Das liegt sicherlich daran, dass sich herumgesprochen hat, dass Professor Maul da eine sehr große Expertise hat.“ Es sei, gerade auch in einer Großstadt wie Hamburg, deutlich zu beobachten, dass die Mütter immer älter würden.
Beruf der Hebammen professionalisiert sich
„Vor zehn Jahren war es noch eine Seltenheit, wenn eine über 40-Jährige ihr erstes Kind bekam. Heute haben wir auch über 50-Jährige, die bei uns entbinden.“ Das seien natürlich immer noch Ausnahmefälle, aber es gebe sie. „Nach den medizinischen Richtlinien ist es aber nach wie vor so, dass eine eine Frau ab 35 als Risikoschwangere gilt.“
Überhaupt habe sich viel verändert, auch was den Beruf der Hebamme betrifft, der seit 2017 als immaterielles Unesco-Kulturerbe gilt und dessen Bedeutung für die Gesellschaft am heutigen Internationalen Hebammentag hervorgehoben werden solle. „Früher war Hebamme ein Ausbildungsberuf, mittlerweile ist er voll akademisiert, es ist ein Studiengang.“ Katrin Magner findet dies gut. „Die Herausforderungen sind größer geworden. Da ist von Vorteil, dass sich der Beruf professionalisiert hat.“