Pfingsten: Afrikanische Pfingstler im Dialog mit deutschen Kirchen. Zu Pfingsten empfingen Jesus' Jünger den Heiligen Geist. Der Glaube lebt seitdem von Begeisterung und Inspiration.

ABENDBLATT: Was hat die neue, weltweite Pfingstbewegung mit dem alten Pfingstfest zu tun?

DR. MICHAEL BIEHL: Etwa ein Drittel der Christenheit, vor allem in Asien, Lateinamerika und Afrika, ist heute pfingstlerisch geprägt. Diese Christen erleben Gottes Geist ganz unmittelbar in ihren Gottesdiensten, im persönlichen Gebet und im Alltag. Sie verstehen sich als direkte Nachfolger der ersten Christen. In der Bibel wird erzählt, wie die Anhänger Jesu nach dessen Tod und Himmelfahrt beim traditionellen jüdischen Pfingstfest in Jerusalem zusammenkamen. Da kam der Geist Gottes über sie und wirkte das Wunder, daß sie ihre Botschaft in vielen Sprachen weitererzählen konnten. Pfingstlerische Christen leben auch heute noch aus dieser heiligen Begeisterung, auf die sie Gaben wie Zungenrede, Heilung und Wunder zurückführen.

ABENDBLATT: Gibt es auch in Hamburg Pfingstler?

BIEHL: Die moderne Pfingstbewegung hat vor einhundert Jahren in einer kleiner Erweckungskirche in Los Angeles begonnen. Von dort strömten Missionare in die ganze Welt aus, auch nach Deutschland. Es gibt in Hamburg schon lange Pfingstkirchen, zum Bespiel die Elim-Gemeinde. Neu ist, daß seit etwa 15 Jahren Migranten und Migrantinnen aus Asien und vor allem Afrika viele eigene Pfingstgemeinden in Hamburg gründen, so daß sie zahlreicher sind als deutsche Pfingstler.

ABENDBLATT: Was können die deutschen Kirchen von diesen Pfingstlern lernen?

BIEHL: Wir können von diesen Pfingstlern neu lernen, welche Kraft ein lebendiger Glaube besitzt. Gottesdienste werden viel vitaler, wenn die Gemeindeglieder sich wie bei den Pfingstlern selbst einbringen. Freie Gebete, spontane Predigten, rhythmisches Musizieren und Tanzen begeistern auch Jugendliche für den Glauben und öffnen ihnen Möglichkeiten zur Beteiligung. Außerdem pflegen die Pfingstler ein enges Gemeindeleben mit verläßlichen Beziehungen. Das hilft gegen die Vereinsamung in der Großstadt.

ABENDBLATT: Gibt es auch umgekehrt etwas, das die Pfingstler von den deutschen Kirchen lernen können?

BIEHL: Die zugewanderten Pfingstler können von uns lernen, daß der Glaube auch eine sozialkritische Dimension hat. Er schenkt nicht nur für den einzelnen Gläubigen Hoffnung und Heilung, sondern er soll die Gesellschaft im Ganzen durchwirken. Darüber hinaus können Pfingstler von uns lernen, wie man eine dauerhafte Kirche baut und Konflikte so löst, daß es nicht ständig zu Abspaltungen kommt, wie es bei den zugewanderten Pfingstlern leider häufig geschieht. Beide Seiten können voneinander lernen. Wir von der Missionsakademie fördern dies, auch das theologische Gespräch über strittige Themen.

Dr. Michael Biehl ist Geschäftsführender Studienleiter der Missionsakademie an der Uni Hamburg, die ein African Theological Training in Germany ATTiG), eine zweijährige theologische Ausbildung für afrikanische Migranten, veranstaltet.